Die Berliner Straßen zählen international zu den schnellsten, wenn es um den Laufsport geht. Dies gilt nicht nur für den Marathon im Herbst, sondern auch für die halbe Distanz im Frühjahr. In diesem Jahr war der Berliner Halbmarathon am Sonntag für viele deutsche Läufer ein besonderer, nicht zuletzt deutlich besser besetzt als die in den vergangenen Jahren ausgetragenen deutschen Meisterschaften im Halbmarathon. Angeführt vom deutschen Marathon-Rekordler Arne Gabius waren mit Philipp Pflieger, Julian Flügel, Hendrik Pfeiffer, Simon Stützel, Sebastian Reinwand, Jens Nerkamp beinahe alle nationalen Medaillengewinner der letzten Jahre und führenden der Bestenliste am Start. Ebenfalls zum Feld der Spitzenathleten zählte der Ostheimer Manuel Stöckert, der in den Vorjahren die Zeiten auf dieser Distanz mitbestimmte.
Gerade einmal eineinhalb Wochen zurück aus der Höhe Kenias und mit zwei internationalen Crossmedaillen geschmückt, war das Ziel des Rhöner Polizisten ein hohes: Eine 63-Minuten-Zeit sollte auf dem schnellen Rundkurs her. Die Norm für den in diesem Jahr erstmals in die Europameisterschaften integrierten Halbmarathon wurde vom DLV auf 1:03:45 Stunden im Einzel bzw. 1:04:45 Stunden für die Mannschaft festgelegt.
Diese Teamnorm hatte der Ostheimer im letzten Jahr mit 1:04:32 Stunden bereits einmal unterboten. Für eine bessere Ausgangsposition hinsichtlich der nationalen Gegner sollte aber eine deutlich schnellere Zeit her. „Man steht natürlich schon unter Druck, weil so vieles auf einen einfließt. Ich war jetzt fast drei Monate im Trainingslager und dann wollte ich natürlich auch etwas zurückgeben und zeigen, dass sich das ganze gelohnt hat“, beschreibt der 27-jährige seine mentale Ausgangslage.
Um der Zielzeit möglichst nahe zu kommen, war die Taktik von Stöckert von Anfang an klar: „Ich hatte beschlossen, mich konstant an unseren Tempomacher zu halten. Und so war die Vorgabe 3:01 Minuten pro Kilometer auf jeden Fall anzulaufen, da für die ersten neun Kilometer Rückenwind vorhergesagt worden war. So kam es auch.“ Gemeinsam mit einer großen Gruppen, in denen sich auch die weiteren aussichtsreichen Deutschen aufhielten, passierten sie die Zehn-Kilometer-Marke nach 30:10 Minuten. „Ich konnte gar nicht sagen, wer in meiner Gruppe alles war, weil ich diesmal wirklich sehr konzentriert war. Ich hab immer versucht, es rollen zu lassen und dass es so lange wie möglich eben nicht weh tut“, erklärte Stöckert, „dazu ruhig zu atmen und die Schultern locker zu lassen.“
Dass die Taktik, sich zunächst hinter dem Tempomacher etwas zu schonen, genau die richtige war, zeigte sich dann für den Rhöner auf der zweiten, windanfälligeren Hälfte. „Bei der Geschwindigkeit von knapp 20 km/h merkt man doch, wenn der Wind von vorne kommt und dich in die Knie zwingt.“ Den ersten Vorstoß aus der sich langsam ausdünnenden Gruppe wagte der Kassler Jens Nerkamp bei Kilometer zwölf. Doch der Ostheimer ließ sich von der Tempoverschärfung nur kurz beirren und lief weiter sein eigenes Tempo gemeinsam mit dem Tempomacher und seinem Trainingspartner aus Kenia, Hendrik Pfeiffer. Kurz nach der 15-Kilometer-Marke, die nach 45:21 Minuten überquert wurde, ließ der SCO-Läufer dann aber von dieser Gruppe kurz abreißen. „Ich hatte nachgerechnet, welcher Schnitt das jetzt ist, senkte den Kopf und war auf einmal nicht mehr locker. Und sofort waren vier bis fünf Meter zwischen mir und den anderen“, erinnert sich der Rhöner.
„Hendriks Trainer, Tono Kirschbaum, der ihn auf dem Rad begleitete, hat sofort gemerkt, dass ich zurückfalle und meinte, ich solle den Kopf hoch nehmen.“ Und dieser Rat war erfolgsversprechend, denn sofort konnte der Ostheimer die Lücke wieder schließen, das Tempo sogar erhöhen und auf den enteilten Nerkamp auflaufen. „Ab Kilometer 17 oder 18 hab ich dann gekämpft und gedacht, jetzt hast du es gleich und wenn es weiter so läuft, dann schaffst du wirklich die EM-Norm.“
Nachdem er auch den Nerkamp bis Kilometer 20 abschütteln konnte, ließ sich Manuel Stöckert von den zahlreichen Zuschauern den letzten Kilometer ins Ziel tragen. Dank einer weiteren Temposteigerung auf den letzten Metern erfüllte er sich am Ende den Wunsch einer Zeit unter 64 Minuten. Mit seiner neuen Bestzeit von 63:57 Minuten, die nebenbei wieder einmal eine Verbesserung seines eigenen Unterfrankenrekords darstellt, war er nicht nur zweitschnellster Deutscher hinter Arne Gabius im Ziel, sondern erreichte zudem den achten Platz im internationalen Spitzenfeld.
Neben Gabius und Pfeiffer, die in Berlin oder im Vorjahr bereits die Einzelnorm für die Halbmarathon-EM abgehakt hatten, ist Stöckert als derzeitige Nummer drei somit ein ganz heißer Anwärter auf einen der vermutlich fünf Startplätze des Deutschen Leichtathletik-Verbands im Juli in Amsterdam. In drei Woche probiert sich Manuel Stöckert dann an der Olympia-Norm im Marathon.
Ebenfalls in toller Form präsentierte sich der Frankenheimer Jan Eyring. Bereits im Vorjahr hatte sich der Gymnasiast in Berlin eine starke Leistung abgeliefert. In diesem Jahr trug seine viele Trainingsarbeit Früchte und er lief in 1:21:25 Stunden zu Platz eins der Altersklasse MJA und einer mehr als deutlichen Steigerung seiner vorherigen Bestzeit.