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HANDBALL:: Computer am Handgelenk

HANDBALL:

Computer am Handgelenk

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    Die Handball-Schiedsrichter Stefan Murrmann (links) und Benjamin Flohr mit ihren Computern am Handgelenk.
    Die Handball-Schiedsrichter Stefan Murrmann (links) und Benjamin Flohr mit ihren Computern am Handgelenk. Foto: Foto: Anand Anders

    Wer in dieser Bayernliga-Saison Stammgast bei Heimspielen des HSC Bad Neustadt war, dem könnte womöglich einmal das mittelfränkische Schiedsrichtergespann Benjamin Flohr (MTV Stadeln) und Stefan Murrmann (TSV Altenfurt) aufgefallen sein. Aber nicht, weil es gerade eine strittige Entscheidung getroffen hat, die das Blut des Publikums in Wallung gebracht hat. Nein, das Duo, das in dieser Runde einige Einsätze auf dem Schulberg zu absolvieren hatte, fiel vielmehr mit einer optischen Besonderheit auf, die nicht nur beim Bad Neustädter Zuschauer aus der Ferne, sondern auch schon in anderen Hallen Bayerns für das eine oder andere Gesprächsthema auf der Tribüne gesorgt hat. „Was haben die denn für ein riesen Schweißband angezogen?“ oder „Warum schauen die ständig auf ihren Arm?“ sind nur zwei Fragen, die die Unparteiischen gestellt bekommen oder vernommen haben.

    Schutzhülle für ein Smartphone

    Die Auflösung ist ebenso einleuchtend wie clever. Das Gespann, pfeift seine Spiele schon seit einiger Zeit mit technischer Hilfestellung. Das vermeintliche Schweißband entpuppt sich bei genauerem Hinsehen letztlich als eine große Schutzhülle für ein Smartphone – ähnlich, wie es der eine oder andere Jogger für die musikalische Motivation auf seinen Laufrunden nutzt.

    Und darauf installiert ist die Schiedsrichter-App „Handball-Schiri“, entwickelt von Matthias Pernet, ebenfalls ein Schiedsrichter. „Das ist eine App, die für uns alle Funktionen auf einmal hat“, erklärt Stefan Murrmann beim Gespräch vor dem Einsatz in der Schiedsrichterkabine. In großen roten und gut erkennbaren Ziffern läuft auf dem Handy-Display dann zum Beispiel die aktuelle Spielzeit mit. „Seitdem wir diese App verwenden, sind unsere Zeiten nur noch zwei bis drei Sekunden auseinander“, zählt Murrmann einen großen Vorteil im Zusammenspiel mit seinem Partner auf.

    Neben der Uhr, die sich das Gespann somit sparen kann, fällt durch das technische Hilfsmittel auch das Aufschreiben von Toren, Verwarnungen oder Zeitstrafen weg. Denn diese Spielinformationen müssen die Schiedsrichter in unteren Ligen – im Gegensatz zu ihren Kollegen in der Bundesliga – beispielsweise noch selbst notieren und dann mit dem Kampfgericht vergleichen. Zudem vibriert die App in den letzten 30 Sekunden einer Partie, in der spezielle Regeln gelten, beispielsweise im Falle eines Platzverweises.

    Das spart enorm viel Zeit

    Gerade in schnelleren Spielen mit vielen verschiedenen Aktionen kann so beim ständigen Zücken des Kugelschreibers schnell einmal ein Fehler unterlaufen. Oder den Schiedsrichtern bleibt ein möglicher Regelverstoß verborgen, weil sie nach dem Anpfiff des Anwurfs noch mit dem Notieren des soeben erzielten Tores beschäftigt Das Fazit von Murrmann: „Wir sparen uns so enorm viel Zeit“ – und vermutlich auch einige Unmutsbekundungen in der Halle.

    Einen konkreten Auslöser, warum das Gespann die Uhr und die Schiedsrichterkarte vor drei Jahren gegen das Handy getauscht hat, gab es nicht. „Wir haben das einfach mal ausprobiert, zunächst einer von uns beiden“, sagt Murrmanns Kollege Benjamin Flohr, bis sich schließlich bei beiden eine Routine in der neuen Art des Pfeifens eingestellt hat.

    Im laufenden Betrieb haben sich mit dieser Methode noch weitere Vorteile herauskristallisiert. „Wir hatten schon einmal die Situation, dass wir beide den gleichen Spielstand auf den Handys hatten, das Kampfgericht aber einen anderen“, erinnert sich Flohr. Auf die herkömmliche Weise hätten sich Kampfgericht und einer der beiden Schiedsrichter einigen müssen, wer Recht hat. Denn meist notiert nur ein Mitglied aus dem Duo auf die herkömmliche Art und Weise die geworfenen Tore.

    Mögliche Bedienfehler möchten Flohr/Murrmann zwar auch mit der unterstützenden Handyfunktion nicht ausschließen. Aber strittige Entscheidungen, wie beispielsweise in dieser Saison bei der Partie Friedberg gegen den HSC – die Hausherren hatten bekanntlich einen Protest gegen das Endergebnis (22:25) aufgrund einer nachweislich falschen Zählweise eingelegt – hätten so unter Umständen vermieden werden können.

    Argwöhnische Blicke und Sprüche

    „Wir tun uns damit einfach leichter und haben eine Störquelle weniger“, erklären die beiden unisono. Und sie nehmen deshalb die anfangs erwähnten, argwöhnischen Blicke und Sprüche der Zuschauer auch gerne in Kauf. Die „Handball-Schiri“-App hat sich in den vergangenen Jahren zudem weiterentwickelt und wurde laufend verbessert, um mögliche Fehlerquellen zu minimieren. So kann sie mittlerweile nur noch genutzt werden, wenn am Gerät der „Flugmodus“ eingestellt ist, der dafür sorgt, dass keine Nachrichten oder gar Anrufe durchgestellt werden. „Denn es ist mir tatsächlich einmal in einem Trainingsspiel passiert, dass mich während des Einsatzes mein Chef angerufen hat“, so Flohr. Einen Kontakt der Finger mit dem Harz der Handballer sollten sich die Schiedsrichter zudem verkneifen, da ansonsten das Tippen auf dem Touchscreen des Handys beinahe unmöglich wird. Alles eine Lernfrage, der Ball wird deshalb von Flohr nur noch mit der linken Hand berührt.

    Warum aber hat sich der Trend des Pfeifens mit dem Handy am Arm noch nicht wirklich flächendeckend in der Riege der Unparteiischen durchgesetzt? Flohr/Murrmann vermuten zum einen, dass sich die Gespanne so die Sprüche von Außen ersparen wollen. Zudem wird die Hilfe beim einen oder anderen Schiedsrichter-Beobachter doch eher kritisch beäugt, wenn die Blicke deshalb des Öfteren auf den Arm und damit auf das Handy wandern. „Aber es ist letztlich ja unsere Sache, wie wir das Spiel nach bestem Gewissen leiten. Und wenn nur das bemängelt wird, können wir allgemein nicht so schlecht gewesen sein“, erklärt das Duo bestimmend.

    Ab der Dritten Liga nicht erlaubt

    Zum anderen ist der Handyeinsatz ab der Dritten Liga, in der sich der Deutsche Handball-Bund (DHB) statt des Landesverbandes um den laufenden Spielbetrieb kümmert, nicht erlaubt. Auch funktioniert die App momentan nur auf Geräten mit einem Android-Betriebssystem. Aber wer weiß, ob in Zeiten, in denen sich der gemeine Fußballfan mehr über Entscheidungen des Video-Assistenten echauffiert als über das Spiel an sich, sich nicht auch im Handball das digitale Zeitalter und deren Hilfsmittel mehr und mehr durchsetzen. Die Mittelfranken Benjamin Flohr und Stefan Murrmann hätten dann wohl die geringsten Probleme, sich darauf einzustellen und bräuchten wohl auch keinen Crashkurs in einer Art „Kölner Keller“.

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