Das in diesem Jahr erneut abgesagte Hauenstein-Bergrennen in Hausen ist nicht nur eingefleischten Motorsportfans ein Begriff. Wenn nicht gerade die Corona-Pandemie das gesellschaftliche und sportliche Leben lahmlegt, bevölkern jedes Jahr ein Wochenende im Sommer mehrere tausend Fans aus nah und fern das kleine Dorf in der Rhön. Die Hofeinfahrten werden dann zum Fahrerlager umfunktioniert, in den Garagen wird eifrig an den Rennautos geschraubt und aus allen Ecken des Ortes hört man dröhnende Motoren. Einer, der dieses Flair von Kindesbeinen an miterlebt hat, ist Christian Leutheuser. Der 37-jährige Reyersbacher ist heute Chef des Motorsportteams Leutheuser Racing & Events, Inhaber eines KFZ-Meisterbetriebs und seit dieser Saison auch wieder selbst als Fahrer auf den Rennstrecken unterwegs.
Bereits als Kind fasziniert vom Hauenstein-Bergrennen
"Der Motorsport hat eigentlich schon immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt", sagt Leutheuser. Schon sein Vater war als Rennfahrer bei den Bergrennen am Start gewesen. "Leider war das noch vor meiner Zeit. Dennoch war ich schon als kleines Kind einmal im Jahr ein Wochenende lang in Hausen mit dabei und auf der Jagd nach Autogrammkarten von Stars wie Herbert Stenger." Jenen Herbert Stenger sollte er bereits einige Jahre später bei der Vereinsmeisterschaft des Motorsportclubs (MSC) Rhön hinter sich lassen. "Gegen sein großes Idol zu gewinnen, war natürlich etwas ganz Besonderes", erinnert sich Leutheuser.
Erstmals selbst auf die Strecke ging er im Alter von zehn Jahren in einer Kart-Gruppe des MSC. "Eigentlich war das schon relativ spät. Normalerweise beginnt man schon mit sechs Jahren mit dem Kartfahren", erklärt Leutheuser. Da sein Vater als Fernkraftfahrer aber keine Zeit hatte, musste sich der Sohn zunächst in Geduld üben. Erst durch das Engagement von Alex Kraus aus Oberelsbach war es ihm möglich, mit dem Kartfahren zu beginnen. "Er hat mit mir jedes Wochenende trainiert und mich zu den Rennen gefahren", zeigt sich Leutheuser dankbar. Mit 18 Jahren war die Kart-Zeit zu Ende, der Automobilslalom war der nächste Schritt. "Ich stand dann vor der Frage, wie es weitergehen soll. Beim MSC gab es zu dieser Zeit einen Opel-Corsa und so konnte ich immer mal wieder selbst schrauben." Hilfreich war dabei seine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker, die er mittlerweile beim Mercedes-Benz-Autohaus Mühlfeld in Mellrichstadt begonnen hatte.
Dank Herbert Lingmann erstmals am Nürburgring
Im Jahr 2002 spielte dann erneut das Hauenstein-Bergrennen für Leutheusers weiteren Karriereweg eine entscheidende Rolle. Am Rande der Strecke traf er erstmals auf den Mellrichstädter Herbert Lingmann, der in Bad Königshofen gerade das Motorsportteam Lingmann aufgebaut hatte und in der Motorsportszene gut bekannt war. "Er hat mir eine Woche später schon angeboten, als Mechaniker mit zum Sechs-Stunden-Rennen an den Nürburgring zu fahren." Die Chemie zwischen beiden passte von Beginn an. Leutheuser arbeitete zwar weiterhin in Mellrichstadt, "nach Feierabend habe ich aber regelmäßig bis spät abends in Bad Königshofen bei Herbert Lingmann geschraubt".
Es dauerte knapp ein Jahr, bis Christian Leutheuser sein erstes Rennen in einem BMW 318is am Nürburgring fuhr. "Herbert hat mir als jungem Fahrer die Chance gegeben, die komplette VLN Langstreckenserie 2003 zu fahren", ist Leutheuser noch heute dankbar. In den folgenden Jahren arbeiteten Lingmann und Leutheuser immer enger zusammen. "Da er selbst keine Kinder hatte, war ich für ihn wie ein Ziehsohn." So ermutigte Lingmann den jungen Christian Leutheuser auch, seinen KFZ-Meister und seinen Handelsfachwirt zu machen. Nachdem er bereits mit 20 Jahren seine Meisterprüfung erfolgreich abgelegt hatte, stieg Leutheuser fest beim Team Lingmann ein und errang in verschiedenen Rennserien zahlreiche Erfolge.
"Wenn es ein neues Auto gab, bin meistens ich zuerst damit gefahren. So konnten wir den Kunden zeigen, was alles möglich ist", sagt Leutheuser. Die Vermietung von Renn-Fahrzeugen und die Rundumbetreuung an den Rennen war nämlich sowohl damals als auch heute das vorrangige Ziel des Bad Königshöfer Teams. Gute Resultate sind da natürlich die beste Werbung. Und wenn es doch noch an der einen oder anderen Stelle hakte, "konnte ich als KFZ-Mechaniker schnell Rückschlüsse ziehen, was noch verändert werden muss". Zu seinen Highlights als Fahrer zählt der Klassensieg beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring 2009 zusammen mit Christopher Haase und der zweite Platz beim 24-Stunden-Rennen in der Wüste von Dubai 2009. Mit Leutheuser zusammen in einem Team war damals auch Cora Schumacher, Ex-Frau des früheren Formel-1-Piloten Ralf Schumacher.
"Wenn es ein neues Auto gab, bin meistens ich zuerst damit gefahren. So konnten wir den Kunden zeigen, was alles möglich ist"
Christian Leutheuser über seine Zusammenarbeit mit Herbert Lingmann
Nachdem Christian Leutheuser 2011 den Posten des Teamchefs von Herbert Lingmann übernommen hatte (das Team heißt seit 2011 Leutheuser Racing & Events), endete seine Zeit als aktiver Rennfahrer – zunächst. Da sein großer Förderer 2013 im Alter von 61 Jahren an Leukämie gestorben war, stand Leutheuser plötzlich ganz alleine da. "Ich musste mich dann einfach voll und ganz auf den Teamchef-Posten konzentrieren, um die Kunden zufrieden stellen zu können." Nach insgesamt 19 Jahren endete für das Bad Königshöfer Motorsportteam dann im letzten Jahr das Kapitel VLN Langstreckenmeisterschaft. "Die Anforderungen wurden einfach immer größer, vor allem in Zeiten von Corona. Nach 19 Jahren war ich aber einfach auch satt", erklärt der Teamchef.

Durch das Aus bei der VLN öffnete sich für den Reyersbacher gleichzeitig eine neue Tür. Auf der Suche nach neuen Herausforderungen wurde er im vergangenen Jahr nämlich auf die Serie NES500 (Nationale Endurance Serie) aufmerksam. Hier werden auf verschiedenen Grand-Prix-Strecken Langstreckenrennen mit einer Dauer von drei Stunden ausgetragen. Da die Rennen hier zeitlich gestaffelt stattfinden, reifte bei Leutheuser im letzten Winter die Überlegung, wieder einmal selbst im Rennauto auf die Strecke zu gehen. Den letzten Ausschlag zugunsten seines Comebacks gab es dann im November des letzten Jahres. Ein Kunde hatte Leutheuser gebeten, sein Auto zu reparieren und anschließend selbst ein paar Test-Runden in seinem Wagen zu drehen. "Als ich dann auf Anhieb 1,5 Sekunden schneller war als er, habe ich gemerkt, dass ich es ja doch noch kann."
Positionskampf im Feld ganz nach Leutheusers Geschmack
Mit dem BMW 318ti-Cup hatte er Leutheuser schnell eine passende Serie gefunden. "Kostentechnisch ist das überschaubar und die großen Teilnahmefelder - beim ersten Rennen waren 47 Autos am Start - haben mich gereizt. Der harte Positionskampf im Feld ist genau das Richtige für mich." In den ersten beiden Saison-Rennen bewies der 37-Jährige dies dann auch gleich und kämpfte sich jeweils von hinteren Plätzen weit nach vorne. Große Erfolge feierte auch der BMW M4 GTI mit Florian Wolf und Arne Hoffmeister, der in der NES500-Serie zweimal den Gesamtsieg errang. Der Grund für diese Erfolge? "Da ich selbst auf der Strecke fahre, kann ich die Probleme der Fahrer viel besser deuten und sofort die entsprechenden Änderungen am Fahrzeug vornehmen."
Die Starts in den neuen Serien haben für den zweifachen Familienvater aber auch noch andere Vorteile. "Die Rennen finden jetzt nicht mehr alle 14 Tage statt. Dadurch habe ich auch wieder mehr Zeit für meine Familie und die Werkstatt. An den Rennwochenenden selbst ist die Stimmung rund um die Strecke durchaus mit dem Bergrennen vergleichbar. Hier kann ich auch leichter mal meine Familie mitnehmen." Dennoch erfordert die Arbeit als Teamchef und Werktstattleiter nach wie vor viel Zeit. "Meine Frau Lisa hat dafür aber Verständnis, immerhin ist sie selbst mit dem Motorsport aufgewachsen", erklärt Leutheuser. Lisa Leutheusers Opa Karl Exner war nämlich der Gründer des Hauenstein-Bergrennens in Hausen, das 1969 zum ersten Mal ausgetragen wurde.