Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Lokalsport Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

FUSSBALL: Viel gesehen, wenig gehört: seit 55 Jahren an der Pfeife

FUSSBALL

Viel gesehen, wenig gehört: seit 55 Jahren an der Pfeife

    • |
    • |
    Ein lachender Gerhard Gschwender auf dem Weg zur Ehrung auf der Gala "100 Jahre Schiedsrichtergruppe Schweinfurt".
    Ein lachender Gerhard Gschwender auf dem Weg zur Ehrung auf der Gala "100 Jahre Schiedsrichtergruppe Schweinfurt". Foto: Steffen Krapf

     Die Schiedsrichtergruppe Schweinfurt feierte am vergangenen Wochenende ihr 100-jähriges Bestehen mit einer großen Gala im Konferenzzentrum Maininsel. Verschiedene Laudatoren aus Politik und Sport sprachen den Schiedsrichtern großen Dank aus und auch etwas Mut zu. Ohne sie würde schließlich auch nirgends das runde Leder rollen. Als „Dank“ müssen die Männer und Frauen mit der Pfeife im Mund bzw. der Fahne in der Hand, regelmäßig als Sündenböcke für das sportliche Versagen der ein oder anderen Mannschaft herhalten. Trotzdem hält das bis heute, auch nach 100 Jahren, in und um Schweinfurt die vielen Idealisten nicht davon ab, dem Schiedsrichterwesen zu frönen.

    Als schillerndes Vorbild kann sich besonders der Nachwuchs dabei Gerhard Gschwender nehmen, der vor den knapp 300 Gästen am Samstagabend für 55 Jahre in der Schiedsrichtergruppe Schweinfurt geehrt wurde. Einer der auch heute mit 69 Jahren immer noch mit einer sportlichen Erscheinung daherkommt, von der viele 20-Jährige nur träumen können.

    100 Bundesliga-Spiele an der Linie 

    „Ich war immer einer der fittesten Schiedsrichter“, sagt Gschwender am Rande der Veranstaltung, bei einem interessanten Plausch. Das nimmt man ihm sofort ab. Der beste Schweinfurter Schiri war er zudem. Bis hoch in die 2. Bundesliga schaffte er es einst in den 80ern. Als Linienrichter, wie der Job des Schiedsrichter-Assistenten damals noch genannt wurde, stand er mehr als ein Jahrzehnt sogar in über 100 Bundesliga-Spielen an der Seitenlinie.

    "Der hat es bitter bereut. Das wurde richtig teuer"

    Gerhard Gschwender, Schiedsrichter aus Schweinfurt

    Gschwender war damals ein absoluter Shooting-Star in der Szene. 1964, im Alter von 14 Jahren, leitete er sein erstes Spiel. Er schloss sich einigen Mitspielern vom ESV Schweinfurt an - bei dem er als Neunjähriger das Kicken anfing - die einen Schiedsrichterlehrgang besuchten. Vier Jahre später stand er bereits als Unparteiischer in der Bayernliga, der damals höchsten Amateurspielklasse, auf dem Rasen.

    Die Fahrten zu den Spielen legte er selbst bei Minusgraden mit dem Fahrrad und später mit dem Moped hin. Mit 22 Jahren tauchte der Name Gerhard Gschwender dann erstmals auf der DFB-Liste auf. So eilig hatte es sonst keiner. „Da war ich die absolute Ausnahme mit meinem Alter. Meine Kollegen waren alle zehn, zwölf Jahre älter“, blickt Gschwender zurück auf die aufregende Zeit damals.

    Ein Faustschlag in Untereuerheim

    Anekdoten gibt es natürlich zuhauf. Die meisten erzählt er mit einem ehrlichen Lachen: „Da waren legendäre Schlachten dabei.“ Natürlich – das ist wohl leider das Berufsrisiko als Schiedsrichter – auch negative Erlebnisse. Bei einem Einsatz in Untereuerheim, beim Derby gegen Dürrfeld, bekam er mal einen Faustschlag eines Spielers ab, der von hinten auf ihn zu rannte. „Der hat es bitter bereut. Das wurde richtig teuer“, so Gschwender.

    Gerhard Gschwender (Mitte) wurde für 55 Jahre Arbeit in der Schiedsrichtergruppe Schweinfurt geehrt. Gruppenschiedsrichterobmann Heinrich Keller links, Stellvertreter Steffen Ehwald rechts.
    Gerhard Gschwender (Mitte) wurde für 55 Jahre Arbeit in der Schiedsrichtergruppe Schweinfurt geehrt. Gruppenschiedsrichterobmann Heinrich Keller links, Stellvertreter Steffen Ehwald rechts. Foto: Steffen Krapf

    Noch heißer ging es mal am Betzenberg in Kaiserslautern her. Bei einer Begegnung am letzten Spieltag zwischen dem FCK und dem FC Schalke 04, laut Gschwenders Erinnerungen ging es seinerzeit um den Einzug in einen europäischen Wettbewerb, kochten die Emotionen nach der Niederlage der „roten Teufel“ im Stadion derart über, dass das Schiedsrichtergespann mit Gschwender von der Polizei aus dem Stadion eskortiert werden musste. „Wir wurden wie durch einen Löwenkäfig abtransportiert“, erinnert er sich. Eine Story, die ein Trauma vermuten lassen könnte. Nicht aber für den hartgesottenen Schweinfurter: „Das Lustige war, dass ich mit meinem Kollegen am Abend dann zuhause in Schweinfurt saß und wir uns noch zusammen die Sportschau anschauten. Dort wurde dann behauptet, dass wir immer noch im Stadion festsitzen.“

    Mit der Pfeife einen Namen gemacht

    Gschwender eignete sich ein dickes Fell auf dem Platz an, ohne dabei den Spaß aus den Augen zu verlieren. „Viel sehen, wenig hören - war meine Devise“, sagt er. Mit 33 Jahren war dann Schluss. Die Schiedsrichterei und die beruflichen Ambitionen ließen sich nicht länger vereinbaren. 72 Mark Tagesspesen sprangen damals für die Schiris heraus. Heute sind es in der Bundesliga 5000 Euro plus Grundgehalt.

    Bereut hat der immer noch ranghöchste Unparteiische der Schiedsrichtergruppe Schweinfurt aber natürlich nichts, wie man an seinen enthusiastischen Erzählungen unschwer merken kann: „Es war eine schöne Zeit. Ich habe der Schiedsrichtertätigkeit einiges zu verdanken. Man kann es sich vielleicht gar nicht vorstellen, aber auch als Schiedsrichter kann man sich einen Namen machen. Davon habe ich später im Berufsleben profitiert.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden