Sie treffen sich mindestens einmal wöchentlich auf dem Waldsportplatz der SG Sennfeld, die Mitglieder der Eisstockschützen-Abteilung der SG. Ihr Trainingsplatz liegt etwas abseits des allgemeinen Trainingsgeschehens, malerisch direkt in das kleine Waldstückchen hineingearbeitet. Nicht dass sie beim Verein ungeliebt wären, vielmehr können sie dort in Ruhe trainieren. Für die nächste Punktrunde, das nächste Vergleichsschießen mit befreundeten Vereinen, das Dorffest – oder für die nächste Europameisterschaft. Denn einer von ihnen ist Europameister mit der deutschen Jugend-Mannschaft und Vize-Europameister im Einzel, letzteres im Weitschießen.
Die Rede ist von Nico Ludwig aus Sennfeld, 19 Jahre, Auszubildender als Industriemechaniker bei SKF in Schweinfurt, begeisterter Motorradfahrer und seit Anfang dieses Jahres Mitglied im B-Kader der deutschen Nationalmannschaft. Die beiden europäischen Titel holte sich Nico Ludwig, der von seinem Vater Guido trainiert wird, bei der Jugend-EM der U 19 in Waldkraiburg. Bis Oktober wird er noch in der U 19 bleiben, bei der Jugend, dann wechselt er zu den Junioren in die U 23.
Die Anfänge von Nicos Leidenschaft zum Eisstockschießen gehen zurück in das Jahr 2003. Als Zehnjähriger nahm er das erste Mal einen Eisstock in die Hand, und mit 14 lernte er bei einem Talentsichtungszeltlager das Stockweitschießen kennen. Das ist eine von drei Disziplinen beim Mannschaftssport, die anderen beiden sind das Zielschießen und das Mannschaftsschießen. Weil der Bewegungsablauf recht komplex ist und es neben der Technik auch auf Kraft ankommt, nicht nur in den Oberarmen, tankt Nico die regelmäßig im Fitness-Studio.
Nach der Talentsichtung ging es in der Eisstockkarriere von Nico steil bergauf. Sieger bei der Bezirksmeisterschaft, sechster Platz bei der bayerischen und die Qualifikation zur deutschen Meisterschaft in der U16, 2008 der erste Europameistertitel in der U16, 2009 bayerischer und deutscher Meister, Vize-Europameister. Er wechselte in die U19, „und er konnte sich gut gegen die älteren Spieler in Szene setzen“, sagt Vater Guido, „allerdings wurden auch die Aufgaben schwieriger.“ Wegen Verletzungspech musste er 2010 als bayerischer Meister die Teilnahme an der deutschen Meisterschaft absagen.
Im Januar 2011 schaffte er bei der deutschen Meisterschaft wegen starker Konkurrenten „nur“ den sechsten Platz. Der reichte dennoch für die Europameisterschaft, bei der er wiederum den zweiten Platz erreichte. Von der Europameisterschaft 2012 kam er erneut mit dem zweiten Platz wieder heim, zusätzlich wurde er in der Mannschaft mit Markus Gregori (SSV Roßbach), Michael Schreger (EC Geisenhausen) und Andreas Weber (EC Freilassing) Europameister in der Mannschaft.
Von den drei Mannschaftsdisziplinen liegt Nico Ludwig das Weitschießen am besten. „Klar gehört auch das Zielschießen und das Mannschaftsschießen dazu“, sagt er. Seine Lieblingsdisziplin aber ist und bleibt das Weitschießen. Darauf haben sein Vater und er das Training ausgelegt, auch auf der heimischen Bahn am Waldsportplatz. Dort übt er auf einer eigenen Bahn immer wieder das Zielschießen mit drei Eisstöcken. Der erste muss ganz nah an der Daube sein, die am anderen Ende der Bahn in der Mitte eines kleinen Zielfeldes liegt. Der zweite Eisstock soll den ersten rausschießen, ohne selbst das Zielfeld zu verlassen, und der dritte muss den zweiten raushauen – und natürlich so nah wie möglich an der Daube liegen bleiben.
Sennfelder Bahn viel zu kurz
Für das Weitschießen kann Nico Ludwig nicht so wirklich trainieren, dafür ist die Bahn viel zu kurz. Bei der vorigen Europameisterschaft schaffte er die Weite von 102,33 Meter, die heimische Bahn ist gut 25 Meter lang. „Außerdem gibt es noch den Unterschied zwischen Asphalt- und Eisbahnen“, so Nico. Für Europameisterschaften im Winter werden notfalls dafür die Hallen sogar eigens gebaut, allerdings so, dass sie nach dem Wettbewerb wieder abgebaut werden können. Oder es bieten sich Natureisflächen an, auch für einen Weltrekord. Der übrigens liegt bei 566 Metern, erzielt von Manfred Zieglgruber vom SV Unterneukirchen auf dem Seeoner See im oberbayerischen Chiemgau.
Einen derartigen Rekord peilt Nico Ludwig nicht an. Vielmehr legt er seine Konzentration darauf, auch zukünftig Titel einzufahren – und sich in der Nationalmannschaft zu etablieren.