Evi Kober kam als 14-Jährige nach Mönchstockheim und war begeistert, von Beginn an nicht "die Neue" zu sein. Heute, 23 Jahre später, ist sie dritte Vorsitzende des SV Mönchstockheim und zuständig für die Sportheim-Bewirtschaftung. "In diesem Ort und in diesem Verein wird Zusammenhalt sehr, sehr groß geschrieben", sagt sie und weiß, dass nur deswegen an manchen Tagen ein bisschen Leben in die schmucke Gaststätte des SV Mönchstockheim einzieht. Bei vielen anderen Klubs sind die Türen dauerhaft geschlossen.
Wie in Würzburg, beim Eisenbahn-Turn- und Sportverein von 1928. Früher war die Kneipe mit der markanten Bretterfassade ein beliebter Treff auch für Nichtfußballer, nach einer längeren Durststrecke dann Location für Live-Musik. Im "Blauen Adler" wurde seit Ende 2012 getanzt, aber nur bis August 2018. Persönliche Gründe des Gastwirts und stete Beschwerden wegen Lärmbelästigung führten zur Schließung. Seitdem ist es ruhig im Vereinsheim des in der Kreisliga beheimateten Würzburger Traditionsvereins, bis heute wurde kein neuer Pächter gefunden.
Playstation statt Schafkopfrunde
Der Pächter, das Problem. In Zeiten veränderten Freizeitverhaltens, aber auch veränderte Innenstadt-Gastronomie ist es für Gastwirte immer schwerer geworden, auf dem Gelände von peripher gelegenen Sportvereinen wirtschaftlich zu arbeiten. Junge Sportler sitzen nach dem Training lieber vor der Playstation als hinter Schafkopfkarten, und an sommerlichen Wochenenden ziehen viele Menschen die Außenbestuhlung an einer belebten Straße dem Biergartenidyll am Waldrand vor. "Ein Pächter muss auch leben. Also müsste die Pacht sehr niedrig sein", sagt Herbert Back, zweiter Vorsitzender des A-Klassisten SV Mönchstockheim. "Doch dann rechnet es sich nicht mehr für den Verein."

Also haben sie im Sulzheimer Ortteil am Rand des Steigerwaldes aus der Not eine Tugend gemacht. Die Fußballer und Korbballerinnen bewirtschaften ihr Sportheim selbst. Mittels eines ausgeklügelten Systems, das nur dank der großgeschriebenen Dorfgemeinschaft möglich ist. Drei Wirtschaftsdienstgruppen rekrutieren sich aus rund 60 Freiwilligen. Jede Gruppe ist elf Wochen (so kommt jede in den Genuss von Festen wie Fasching, Ostern oder Weihnachten) an der Reihe.
Kein Spielbetrieb ohne Sportheimbetrieb
So schaffen es die Mönchstockheimer jeden Donnerstag nach dem Training, sowie bei Heimspielen ab 10 Uhr und bei Auswärtsspielen ab 17 Uhr aufzusperren. Fixer Termin ist jeden Sonntag der Frühschoppen von 10 bis 12 Uhr. "Die Einnahmen sind extrem wichtig für unseren Vereinsetat", so Back. "Wir machen im Schnitt 2000 bis 2500 Euro Umsatz pro Monat. Da bleibt einiges an Gewinn hängen, ohne den der Spieltetrieb als eigenständiger Fußballverein in einem 400-Einwohner-Ort nicht möglich wäre."
"Wir haben Stillstand. Allein durch die fehlenden Donnerstage fehlt uns sehr viel Geld."
Herbert Back, zweiter Vorsitzender des SV Mönchstockheim, zur Corona-Krise
Der 51-Jährige war schon dabei, als das Sportheim 1989 in Eigenregie fertig gestellt worden ist. Eine Zeit wie die jetzige, in der die Corona-Krise das Land und seinen Sportbetrieb lahmlegt, hat er aber noch nicht erlebt. "Wir haben Stillstand", so Back. "Allein durch die fehlenden Donnerstage fehlt uns sehr viel Geld." Ein Andauern der Corona-Zwangspause würde an einem kleinen Verein nicht spurlos vorüber gehen: Spielbetriebskosten fielen weg, nicht aber für Instandhaltung der Liegenschaft. Und der Bayerische Fußball-Verband hat bestätigt, dass aus dem Verbandstopf für die Vereine keine direkte finanzielle Unterstützung möglich sei.
"Heute schaut doch Jeder, dass er neben seinem Beruf so wenig wie möglich machen muss."
Adrian Kamrad, Vorsitzender der DJK Üchtelhausen, zur Hilfsbereitschaft im Verein
Umso mehr hoffen Kober und Back, dass der Ball in absehbarer Zeit wieder rollt. Allein schon wegen der Sommer-Kirchweih. "Das sind die großen Events", rechnet die 37-Jährige vor, wie elementar diese Einnahmen für den SVM sind. Dessen Führung sich generell müht, den Mönchstockheimern etwas zu bieten. Kabarett-Abende werden veranstaltet, Michl Müller und Hans Söllner sind schon aufgetreten, in diesem Jahr soll Oti Schmelzer kommen. Und schließlich würden die treuen Gäste auch wieder auf Schnitzel, Bratwurst und Pizza warten. "Unsere Karte ist klein, aber jede Bewirtschaftsgruppe lässt sich etwas einfallen", sagt Kober.

In Üchtelhausen, im Schweinfurter Norden, steht die in der Kreisklasse spielende DJK seit dem Jahreswechsel ohne Pächter da. Beim Spielgemeinschaftspartner Zell ist das Sportheim seit fünf Jahren geschlossen. "Wir hatten in Üchtelhausen eine Voll-Wirtschaft mit sechs Öffnungstagen", erinnert Vorsitzender Adrian Kamrad an bessere Zeiten. "Die Wochenende waren gut besucht" - doch litt der Pächter an der allgemeinen Not im Gastro-Gewerbe, dem Mangel an Arbeitskräften. Nun sucht der Verein einen Nachfolger. "Wir hätten einen Koch gefunden, doch der wollte nur im Angestelltenverhältnis kommen. Das rechnet sich mit den ganzen Sozialleistungen für einen Verein nicht."
Immer mehr freiwillige Helfer brechen weg
Eine Selbstbewirtschaftung wie in Mönchstockheim sei bei der DJK im 1972 erbauten und 1995 erweiterten Sportheim mit seiner herrlichen Sonnenterrasse nicht zu bewerkstelligen. "Früher, bevor der letzte Pächter da war, hatten wir eine feste Gruppe, doch dann sind immer mehr Helfer weggebrochen, bis alles an drei Personen hängen geblieben ist. Es fehlt an Engagement." Der Maschinenbediener in der Schweinfurter Großindustrie hat selbst im Gastrogewerbe gelernt und weiß, dass "das ein Knochen- und Pfennigsjob ist". Und der 37-Jährige beobachtet: "Heute schaut jeder, dass er neben seinem Beruf so wenig wie möglich machen muss."
Ab März wollte man freitags mit einer Notbesetzung aufmachen für die Schafkopf-Runde, sowie sonntags für den Frühschoppen. Doch da machte die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung. Diese Öffnungszeiten würden aber allenfalls ein kleines Taschengeld abwerfen, denn "mehr als acht, neun Leute sitzen da nicht".
Fußball im Wandel - die SerieVerwaiste Sportplätze, verlassene Vereinsheime und ein grassierender Bedeutungsverlust bei Jung und Alt: Was ist aus unserem Fußball geworden? Stirbt hier, in den Dörfern und Städten, ein Kulturgut, das einmal emotionaler Halt und sozialer Kitt dieses Landes war? Dieser Frage wollen wir nach- spüren in unserer großen Serie „Fußball im Wandel“. Wandel bedeutet Veränderung, nicht selten unter Druck und Zwang. Aber Wandel bietet stets auch Chancen für Neues, für bisher Unentdecktes.Zwischen diesen beiden Polen, Tradition und Moderne, Umbruch und Aufbruch, werden wir uns in den nächsten Monaten bewegen. Wir wollen wissen: Wie hat sich der uns so vertraute Fußball ver- ändert? Was macht der Wandel mit Vereinen und Verband? Weshalb gelingt der Umbruch im einen Dorf besser als im anderen nebenan? Was tun mit Vereinsheim und Sportgelände, wenn der Fußball nicht mehr rollt? Wir hören Experten, diskutieren mit Trainern über die wahre Lehre, über Taktiken und Strategien – und gerne auch mit Ihnen.Wenn Sie Ideen und Anregungen für diese Serie haben, bitte melden an: Main-Post, Sportredaktion, Berner Straße 2, 97084 Würzburg, ? (09 31) 60 01 - 237 E-Mail: red.sport@mainpost.de