USA, Australien, Deutschland, Neuseeland. College, dritte Liga, zweite Liga, erste Liga. Der Karlstädter Thilo Wilke hat 2019 einiges von der Welt gesehen und in vielen verschiedenen Ligen gespielt. Der Fußball macht's möglich. Der ehemalige Landesliga-Kicker (FT Schweinfurt, TSV Karlburg, TSV Abtswind) und Handballer des TSV Karlstadt lebt im „späten Fußballeralter“ von 28 Jahren noch seinen Traum als Fußball-Profi. Gerade eben hat er ein Engagnement in Neuseelands erster Liga begonnen.
Eigentlich wollte Wilke sein Würzburger BWL-Studium nur durch ein Jahr im Ausland aufwerten. Um das zu finanzieren, wollte er das Jahr in den USA durch ein Sport-Stipendium finanzieren. Der Karlstadter hatte Glück, die Shaw University in Raleigh/North Carolina startete ein neues Fußball-Programm und nahm den damals 26-jährigen. Aus einem Jahr wurden zwei, das tägliche intensive Training führte dazu, dass Wilke sich derart verbesserte, dass ein Traum reifte: Fußball-Profi werden. „Eigentlich war ich ja schon viel zu alt dafür“, so Wilke. „Natürlich war mir klar, dass ich in den großen Profiligen oder in Deutschland keine Chance mehr habe, aber dass es andere Länder gibt, in denen ich mithalten kann. Natürlich, das große Geld gibt es da nicht zu verdienen, aber darauf kommt es nicht an.“
So kickte Wilke heuer in den Semsterferien im Frühjahr schon in der 3. US-Liga bei Palm Beach United in Florida. Viele talentierte College-Fußballer spielen dort, um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen, auch wenn sie als Studenten kein Geld verdienen dürfen. „Kost und Logis sind frei, man hat also keine Ausgaben.“ Nach den drei Monaten ging es zurück an die Uni. Das letzte Semester, Spielbetrieb in der starken Uni-Liga NCAA, dazu noch fürs Diplom lernen. Beides mit Erfolg. Mit einem Notenschnitt von 1,6 beendete Wilke seinen Studiengang „Management and Administration“. Sein letzten Spiel, in dem er das Shaw-Team noch einmal als Kapitän aufs Feld führte, fand in einem Stadion für 20 000 Zuschauer statt. „Da ist sogar mein Vater aus Deutschland eingeflogen.“ Die Shaw Bears siegten 3:2, per Kopf steuerte Wilke einen Treffer zum Sieg bei.
Danach zerschlug sich allerdings die Idee, in den USA im Profifußball Fuß zu fassen. Stattdessen geht der 28-jährige auf Fußball-Weltreise. „Durch einen Spielervermittler konnte ich einen Vertrag in der australischen zweiten Liga bekommen.“ Adelaide Raiders hieß der einst von kroatischen Einwanderern gegründete Klub. „Gelandet bin ich dort am heißesten Tag der Stadtgeschichte. 46 Grad zeigte das Thermometer. Die Umstellung war nicht leicht.“ Optimal lief es bei den Raiders nicht. „Es sind nur zwei Ausländer erlaubt, ich hatte das Gefühl, sie erwarten Wunderdinge von mir. Ich konnte nur die letzten beiden Wochen der Vorbereitung mitmachen, vielleicht bin ich zu spät nach Australien gereist.“
Nachdem das erste Ligaspiel 0:2 verloren ging, „hatte ich das Gefühl, dass ich nicht mehr das Vertrauen hatte.“ Nach nur fünf Partien einigte man sich auf eine Vertragsauflösung, drei Tage später schloss das Transferfenster in Australien. „Ich wollte schon den Rückflug nach Deutschland buchen, doch plötzlich meldeten sich andere Vereine die gehört hatten, dass ich wieder frei bin.“ Schließlich spielen die Klubs in der FFSA National Premier League alle im Raum Adelaide und man kennt sich. „Ich habe dann bei den Para Hills Knights unterschrieben. Das ist zwar ein etwas kleinerer Klub, aber die wollten mich unbedingt.“
Gezahlt wird ein relativ geringes Grundgehalt, dazu Auflaufprämie, Unterkunft und Auto. „Ich konnte gut davon leben und mir am Ende noch eine Reise durch Australien leisten.“ Bei Para Hills im Norden von Adelaide fand Wilke gleich den Anschluss, der ihm bislang gefehlt hatte. Die „Knights“ waren mit dem Deutschen hochzufrieden, auch seine fünf Treffer waren eine gute Bilanz. Achter von Zwölf wurde Para Hills, für den kleinen Verein durchaus ein Erfolg. „Die Unterschiede in der Liga sind sehr groß. Von Regionalliga bis Kreisliga kann man so ungefähr sagen. Manchmal spielen wir vor ein paar tausend Zuschauern in richtigen Stadien, manchmal vor 200 oder 300 auf Dorfplätzen.“
Weil Wilke nur abends zum Training musste und den Tag über frei hatte, begann er auch sich im Klub zu engagieren und Kinder zu trainieren. „Sie haben mich sogar zum technischen Direktor für die U15 bis U17 gemacht.“ Und am Ende der Saison einen neuen Vertrag für 2020 angeboten. „Vermutlich werde ich das machen.“ Zur Überbrückung der Spielzeitpause wäre ein Engagement in der dritten schwedischen Liga möglich gewesen. „Das scheiterte daran, dass sie ein Probetraining wollten, während in Australien noch die Saison läuft.“
Nach einem Heimatbesuch in Karlstadt Anfang Oktober ist Wilke nun wieder unterwegs: Am Donnerstag landete er bei seinem neuen Klub: den Hamilton Wanderers in der 1. Neuseeländischen Liga. Hamilton ist eine 140 000-Einwohner-Stadt, rund 100 Kilometer südlich von Auckland. Die berühmten Hobbit-Höhlen aus den Herr-der-Ringe-Filmen sind in der Nähe. „Im Moment wohne ich im Hotel. Das erste Training war sehr gut, auch wenn ich müde war. Der Sohn des Trainers hat es gehalten. Es ist eine bunte Truppe mit einem Argentinier, einem Brasilianer und drei Engländern.“ Anfang November beginnt die Saison.
Wilkes Coach ist eine neuseeländische Fußball-Legende: Ricki Herbert, 61-facher neuseeländischer Nationalspieler, zudem ehemaliger Nationaltrainer (2005-13). Mit den „All Whites“ qualifizierte er sich 2010 für die WM und schied nach drei Unentschieden (u.a. 1:1 gegen Italien) in der Vorrunde unglücklich aus. 2014 bei der WM gehörte er zur offiziellen Taktik-Kommission der FIFA, 2018 durfte er den Gewinner des Ballon d'Or, als den besten Spielers der Welt, mitwählen. „Das ist Wahnisinn so einen erfahrenen Trainer zu bekommen“, freut sich Wilke. „Ich hoffe, er kann mich auf das nächste Level bringen.“ Denn trotz der Aussicht, nach Australien zurückzukehren, hat Wilke noch nicht genug vom Welt-Profi-Dasein. „Ein paar Jahre geht es noch. Ich würde gerne noch in Asien und Afrika spielen, dann hätte ich alle Kontinente durch.“