Sie hätte nicht grauer sein können, die Profi-Maus, die der FC 05 Schweinfurt für die erste Hauptrunde des DFB-Pokals aus dem Lostopf gezogen hat: SV Sandhausen – der Inbegriff des Dorfvereins auf der Zweitliga-Landkarte gastiert am Sonntag (15.30 Uhr) im Willy-Sachs-Stadion. So charmant sich der Klub aus dem 15000-Einwohner-Städtchen auch zu einer Marke in Liga zwei gemausert hat, so wenig attraktiv ist er doch für Laufkundschaft und Eventpublikum. Mehr als 5000 Zuschauer dürften es kaum werden beim größten Spiel der Schweinfurter seit dem letzten Pokalauftritt vor 15 Jahren gegen Union Berlin.
Im nordwestlichen Baden-Württemberg, nahe des Hockenheim-Rings und vor den Toren Heidelbergs, weiß man um seine Rolle in der Fußball-Republik. „Ligazwerg und stolz darauf“ hieß es einst auf einem Spruchband der Sandhäuser Anhängerschaft. „Man kann Sandhausen natürlich nicht mit Berlin, München oder Köln vergleichen“, weiß Wolfgang Brück, der den SV als Chefreporter der Rhein-Neckar-Zeitung betreut. „Es ist der kleinste Zweitliga-Standort und hat seit Jahren die wenigsten Zuschauer“, so Brück. 6731 Zuschauer kamen in der Vorsaison durchschnittlich ins 15414 Besucher fassende BWT-Stadion am Hardtwald.
Damit hat der Verein seine Zuschauerzahl seit dem Zweitliga-Aufstieg 2012 aber immerhin um gut 30 Prozent gesteigert. „Sandhausen hat einen Standort-Nachteil“, sagt Brück, „Heidelberg ist keine Fußballstadt und gegen Hoffenheim, die Adler Mannheim und die Rhein-Neckar-Löwen steht man auf verlorenem Posten. Auch auswärts ist Sandhausen unbeliebt“, weil der SV keine Zuschauer mitbringe. Zum Zweitliga-Start in Kiel waren es zuletzt rund 30 Schlachtenbummler aus dem Süden.
„Sandhausen hat immer noch Probleme, ein Spiel zu gestalten.“
Wolfgang Brück, Chefreporter der Rhein-Neckar-Zeitung
Dabei hat der SV sich sportlich gut entwickelt, spielt bereits seine sechste Saison im Erstliga-Unterhaus – mit insgesamt 14 Millionen hat der Verein einen der kleinsten Gesamtetats zur Verfügung. Wenig Kohle bedeutet freilich auch: Sparen, wo man kann. „Sandhausen zahlt keine Ablösen und holt viele Spieler aus unteren Klassen“, so Wolfgang Brück. Prominentester Neuer beim SV ist Nejmeddin Daghfous von den Würzburger Kickers.
Der 30-Jährige stand sowohl beim 2:2 in Kiel als auch dem 1:0-Sieg zuletzt über Bundesliga-Absteiger FC Ingolstadt in der Anfangself von Trainer Kenan Kocak. Der 36-Jährige kam als Nachfolger von Alois Schwartz, der sich einigermaßen erfolglos beim 1. FC Nürnberg versucht hat, nach Sandhausen und trat damit 2016 in große Fußstapfen. „Schwartz war ein großer Segen für den Verein. Vorher war Sandhausen die Schießbude der Liga, er hat sie defensiv stabilisiert und dreimal recht souverän die Klasse gehalten, obwohl es zweimal einen Punktabzug gab. Der Tenor war über Jahre: Es ist eklig, gegen Sandhausen zu spielen“, verrät Brück, „Kocak kam mit dem Anspruch, sich fußballerisch zu entwickeln. Das ist teilweise schon gelungen aber bei Weitem noch nicht so, dass sie jetzt einen wunderschönen Ball spielen. Sandhausen hat immer noch Probleme, ein Spiel zu gestalten.“ Das freilich könnte die Chance für einen defensiv- und konterstarken FC 05 sein.
Der Trainer und die Torwartfrage
Überhaupt sei es dem SV laut Brück „auf jeden Fall“ zuzutrauen, „dass sie in der ersten Runde rausfliegen“; 2015 hatte der SV sich beim damaligen Oberligisten Bahlinger SC erst nach Elfmeterschießen durchgesetzt. „Sie sind es einfach nicht gewohnt, das Spiel zu machen. Das wird ein Rollentausch werden und ob sie damit zurechtkommen, muss man sehen“, prophezeit Wolfgang Brück. Entscheidend wird für ihn sein, ob Andrew Wooten mit von der Partie ist. Der Stürmer, der gegen Ingolstadt das Siegtor markiert hat, hatte zuletzt mit Oberschenkelproblemen zu kämpfen. In der letzten Zweitliga-Saison war Sandhausen nach Wootens Ausfall in der Rückrunde bedrohlich nah an die Abstiegsränge gerutscht. Kocak halte sich bedeckt, ob er den in Bamberg geborenen 27-Jährigen in dessen fränkischer Heimat von Beginn an bringt. Zweimal in der ersten Elf stand zuletzt Richard Sukuta-Paso, der sich trotz eines Treffers zum Auftakt in Kiel aber eher als Chancentod präsentiert hat. Brück: „Der könnte schon Torschützenkönig sein“.
Heißer diskutiert wird in Sandhausen derzeit die Torhüter-Position. Zum Saisonstart hat Kocak den langjährigen Stammtorwart Marco Knaller zum Ersatzmann hinter Neuzugang Marcel Schuhen degradiert. „Das ist im Moment das Thema schlechthin“, sagt Brück, das Publikum steht nicht wirklich hinter der Entscheidung des Cheftrainers. Zum Pokal-Los FC 05 Schweinfurt habe Kocak derweil „das Übliche“ gesagt: „Sie wissen, dass der FC ein ambitionierter Regionalligist ist und nehmen jeden Gegner an, sind aber ganz zufrieden mit dem Los. Es ist machbar. Und lieber nach Schweinfurt als an die Nordseeküste.“