Der Verlust der Würzburger im abgelaufenen Wirtschaftsjahr beläuft sich auf über 800.000 Euro, die Basketball-Bundesliga (BBL) hat einen Stopp für Spielereinkäufe verhängt und droht wegen Verstößen gegen Verbandsstatuten mit Strafen.
Vor dem wichtigen Heimspiel an diesem Samstagabend gegen den ebenfalls noch sieglosen Tabellenletzten Bremerhaven (19 Uhr, s. Oliver Arena; verfolgen Sie das Spiel mit unserem Live-Ticker) macht Baskets-Gesellschafter Bruno Fraas reinen Tisch. Der 63-jährige Anwalt und Seniorpartner der Würzburger Wirtschaftssozietät BFP sagt: In der Vergangenheit wurden Entscheidungen zu oft von Emotionen geleitet.
Im Exklusiv-Interview mit unserer Redaktion, zu dem Fraas mit Geschäftsführer Steffen Liebler erschienen ist, bestätigt er die Einstellung eines neuen kaufmännischen Leiters bei den Baskets und erklärt, wie die Schieflage in den Griff zu bekommen ist.
Frage: Herr Fraas, vor einigen Wochen bezifferten Sie die Überschuldung der Baskets auf einen hohen sechsstelligen Betrag. Nach unseren Informationen hat sich die Lage weiter verschlimmert, die BBL droht mit Konsequenzen. Stimmt das?
Bruno Fraas: Das ist richtig. Lassen Sie mich kurz zurückblicken: Im April 2013 wurde ein Lizenzantrag für die jetzt laufende Saison gestellt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber der Liga offengelegt. Die Baskets haben einen vorläufigen Verlust von rund 250.000 Euro ermittelt. Die Zahlungsfähigkeit war damals akut in Gefahr und die Liga hat uns aufgefordert, die Liquidität herzustellen und die Finanzlücke von 250.000 Euro abzudecken, damit die Lizenz für die Spielzeit 2013/2014 erteilt werden konnte. Dieser Aufforderung sind wir ohne lange Diskussionen nachgekommen und haben Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt gewährt.
Was bedeutet das?
Fraas: Die Gesellschafter Norbert Wagner, Helmut Beck, Gerold Bader, Jochen Bähr und ich haben uns damals darauf verständigt, dass jeder einen Teil dieser 250.000 Euro übernimmt und einzahlt. Der Zusatz Rangrücktritt bedeutet: Wenn das Unternehmen in die Insolvenz geht, werden die Gesellschafter als Letztes bedient. Daraufhin wurde die Lizenz erteilt mit der Auflage, im nächsten Jahr einen Gewinn von 150.000 Euro zu erzielen. Allerdings war bis zum 30. Juni das Darlehen von Herrn Bähr noch nicht eingezahlt. Das hat sich leider hingezogen bis Anfang Oktober. Ein Verhalten, das aus unserer Sicht die Lizenz akut gefährdet hat, weil wir der Liga schriftlich bestätigt hatten, dass die Darlehen eingezahlt sind. Ich glaube, es ist nun nachvollziehbar, dass der 'einzahlende Teil‘ der Gesellschafter darüber ärgerlich war.
Wie kamen die 250.000 Euro Schulden zusammen?
Fraas: Die 250.000 Euro haben wir damals zurückgeführt auf Nachverpflichtungen von Spielern aufgrund von Verletzungen. Das erschien nachvollziehbar.
Wie hoch ist der Schuldenstand aktuell?
Fraas: Bei der Erstellung des Jahresabschlusses zum 30. Juni 2013 wurde jeder Tag schwieriger. Am Ende wurde ein tatsächlicher Verlust in Höhe von rund 835.000 Euro festgestellt. Unter Berücksichtigung der bereits gewährten Gesellschafter-Darlehen verbleiben Verbindlichkeiten in Höhe von 600.000 Euro. Ein paar Dinge sind noch abzuklären. Aber ich denke, ins Bessere wird sich da nichts verändern.
Wie hat die Liga reagiert?
Fraas: Alle Vereine mussten zum 15.Oktober ihre wirtschaftliche Situation darlegen. Wir haben den vorläufigen Jahresabschluss eingereicht und es gab ein großes Erstaunen, weil da eben diese Differenz von rund 600.000 Euro gegenüber den Angaben im Lizenzierungsverfahren enthalten ist. Daraufhin ordnete die BBL an, dass wir ab sofort keine Spieler mehr verpflichten dürfen ohne ihre Zustimmung und dass wir kurzfristig einen Sanierungsplan vorlegen müssen. Bei einem Gespräch bei der BBL in Köln wurde uns zudem mitgeteilt, dass möglicherweise die Lizenzstatuten erheblich verletzt wurden. Die Statuten sehen dafür Bestrafungen vor, von der Geldstrafe über den Punktabzug bis hin zum Lizenzentzug.
Was fordert die BBL?
Fraas: Wir müssen bis 5. November den Jahresabschluss zum 30. Juni und die betriebswirtschaftliche Auswertung zum 30. September vorlegen. Zusätzlich müssen wir einen vorläufigen Sanierungsplan einreichen, der einen jährlichen Gewinn von 200.000 Euro über die nächsten vier Jahre ausweist. Darüber hinaus ist eine positive Fortführungsprognose zu erarbeiten und vorzulegen, aus der sich ergibt, dass das Unternehmen nicht insolvenzreif ist. Letztlich müssen wir auch ausführlich darstellen, wie es zu der Überschuldung gekommen ist.
Haben Sie da bereits Erkenntnisse?
Fraas: Die Schulden kamen vor allem zustande durch erhöhte Personalkosten, die über diese eingangs erwähnten, verletzungsbedingten Nachverpflichtungen hinausgehen. Enthalten sind etwa Rückstellungen für die Beiträge zur Berufsgenossenschaft. Dazu ergab eine Lohnsteueraußenprüfung der Jahre 2007 bis 2011, dass ein knapper sechsstelliger Betrag als Nachzahlung zu leisten ist.
Den Spielern wurde zu viel bezahlt?
Fraas: Das kann ich nicht beurteilen. Wir müssen nur nüchtern und ohne Schuldzuweisung feststellen, dass die Planungszahlen für das Personal deutlich überschritten sind. Meiner Meinung nach hatte von den Verantwortlichen keiner die wirtschaftliche Lage im Blick, weil das Finanz- und Belegwesen nicht professionell geführt wurde.
Ihre Kanzlei BFP macht die Abschlüsse, hätten Experten wie Wagner oder Sie nichts merken müssen?
Fraas: Nochmal: Die Jahresabschlüsse in der Vergangenheit basieren auf den Zahlen, die die Baskets geliefert haben. Im Frühjahr lagen belastbare Auswertungen der Buchführung leider noch nicht vor, erforderliche Belege standen nicht zur Verfügung. Die Lohnbuchhaltung wurde bis 30. Juni 2013 bei den Baskets erstellt. BFP ist erst jetzt vollständig eingebunden. Langsam kam dann hoch, dass etwas nicht stimmt.
Wie beurteilen Sie nun die Gesamtsituation?
Fraas: Die Liquidität im Moment ist kein Problem. Der Spielbetrieb ist nicht beeinträchtigt, die Gehälter werden bezahlt. Schwierig ist die Überschuldung. Aber ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingt, eine positive Fortführungsprognose zu erarbeiten und diesen festgestellten Verlust von 835 000 Euro in den nächsten vier Jahren abzubauen. Es wird Einsparungen geben und wir müssen das Sponsoring auf zumindest dem aktuellen Niveau halten. Wir arbeiten derzeit fast rund um die Uhr, um das Projekt zu retten.
Die Geschäftsführung muss um diese Entwicklung doch gewusst haben?
Fraas: Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Fakt ist: Ein betriebswirtschaftlicher Grundsatz, der über allem sportlichen Erfolg steht, wurde vernachlässigt. Er lautet: Gib nicht mehr Geld aus, als du einnimmst. Es wurde seitens der Gesellschafter immer wieder angemahnt,...
...die Strukturen der Vereinsführung zu professionalisieren und ein vernünftiges Finanzcontrolling einzuführen. Wir haben uns bei anderen, erfolgreichen Klubs umgesehen und versucht zu lernen, wir haben Planspiele gemacht. Umgesetzt wurde nichts. Als Gesellschafter führt man nicht die Geschäfte.
Waren Sie zu blauäugig?
Fraas: Vielleicht hätten wir ein Jahr früher auf den Tisch hauen und die Zahlen konsequent einfordern müssen. Aber bis dahin lief es gut. In der Außendarstellung war ja alles fast euphorisch, möglicherweise haben wir zu spät konsequent dahinter geguckt. Künftig wird es wichtig sein, dass wir den Sport, den emotionalen Bereich des Ganzen, trennen vom wirtschaftlichen Bereich. Das war der Fehler der Vergangenheit. Entscheidungen wurden immer unter dem Einfluss von Emotionen getroffen und das Wirtschaftliche stand hinten an. Das funktioniert in einem Profiverein mit einem Millionenetat so nicht mehr. Entsprechende Warnungen sind nicht beachtet worden.
Wie geht es nun weiter?
Fraas: Wie gesagt, die Liquidität ist derzeit gesichert. Allerdings ist mit einer Auflage der Liga zu rechnen, dass für die noch nicht gedeckten Verbindlichkeiten von rund 600.000 Euro eine Finanzierung nachgewiesen werden muss. Dies kann von den Gesellschaftern nicht geschultert werden. Hierzu brauchen wir auch die Sponsoren. Wir werden sie in Kürze einladen und den Sanierungsplan vorstellen. Zum 1. November haben wir mit Johannes Bauer einen kaufmännischen Leiter für die Geschäftsstelle eingestellt. Er ist ein gelernter und erfahrener Bankkaufmann mit Organisations- und Leitungserfahrung. Er ist zudem bestens vernetzt in Unterfranken. Seine Aufgabe wird es auch sein, Sponsoren zu betreuen und neue zu akquirieren. Dann hat Geschäftsführer Steffen Liebler endlich den Rücken frei, um sich voll um den sportlichen Bereich kümmern zu können. Die Rückendeckung der Gesellschafter hat er. Der Abbau der Schulden ist Sache des Sanierungsplans. Künftig werden wir den Daumen so drauf haben, dass die Budgets der einzelnen Ressorts centgenau eingehalten werden. Und wir werden Rücklagen bilden, auch wenn das bislang nicht gewollt war.
Spieler dürfen nicht verpflichtet werden, ein kaufmännischer Leiter schon?
Fraas: Richtig. Nur Spielerverpflichtungen bedürfen der Genehmigung. Hierfür habe ich Verständnis im Sinne eines fairen sportlichen Wettbewerbs. Sonst haben wir wirtschaftlichen Handlungsspielraum. Die Kosten für den kaufmännischen Leiter sind im aktuellen Liquiditätsplan bereits eingepreist.
Inwieweit beeinflusst die sportliche Misere die Gesamtsituation?
Fraas: In der Vorbereitungsphase hatten wir das Gefühl: Wenigstens läuft es im sportlichen Bereich gut. Jetzt ist es leider so, wie es ist. Wir haben sechs Spiele verloren. Aber wir dürfen auf keinen Fall in Panik verfallen. Auch der Sport wird sich fangen.
Zuletzt gab es auch Diskussionen um die Zukunft von Coach Marcel Schröder. Wäre überhaupt Geld für einen neuen Trainer da?
Fraas: Es steht mir nicht zu, hierüber eine Diskussion zu führen. Seien Sie sicher, die Verantwortlichen werden die nach ihrer Auffassung richtigen Entscheidungen treffen, um den Spielbetrieb vernünftig und erfolgreich zu gestalten. Mit kühlem Kopf und ohne Panik.
Erwarten Sie heute eine positive Reaktion der Spieler im Kellerduell gegen Bremerhaven?
Fraas: Am Einsatzwillen der Spieler fehlt es doch nicht. Sie haben immer versucht, ihr Bestes zu geben. Für uns ist entscheidend, dass Sponsoren, Spieler, Trainer, Fans, Geschäftsführer und Gesellschafter sich wieder als Einheit präsentieren und auch so auftreten. Wir haben gemeinsam Erfolge gefeiert, jetzt müssen wir gemeinsam auch mal ein Tal durchschreiten. Das ist so im Sport. Mit dieser Offenheit hier wollen wir erreichen, dass die Menschen verstehen, was wir machen und warum wir es machen. Wir brauchen...
...die Treue der Sponsoren und die Treue der Fans. Die Baskets sind keine One-Man-Show, sondern werden auch getragen von vielen fleißigen und ehrenamtlichen Helfern. Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Dann geht es auch wieder in ruhigeres Fahrwasser. Gehen wir es an, am Horizont ist Land in Sicht.
Ist das Land die neue Halle?
Fraas: Basketball auf Topniveau in Würzburg wird ohne eine Multifunktionsarena keine Zukunft haben. Wenn die Halle nicht kommt, würde alles irgendwann einschlafen. Herr Bader als der maßgebliche Projektführer und wir arbeiten an einem Exposé und werden die Halle ab Mitte November den möglichen Investoren präsentieren und einen Namenssponsor suchen. Unser Ziel ist es, das bis Jahresende bewerkstelligt zu haben. Baurechtlich sind die erforderlichen Vorarbeiten soweit abgeschlossen. Wenn uns die Sicherstellung der Finanzierung bis Jahresende gelingt, könnte bereits im März/April Baubeginn sein.
Zum Schluss: Würden Sie sagen, die Finanzprobleme sind ein rechtzeitiger Schuss vor den Bug?
Fraas: Das könnte man so sagen, ja. Die Situation ist für alle neu. Auch für die Sponsoren. Ich hoffe, dass sie sehen, dass das Projekt jetzt auf wirtschaftlich gesunde Füße gestellt wird und dass es eine Zukunft hat. Es wird zudem eine Wechselwirkung durch die Halle entstehen. Die Halle führt dazu, dass Basketball einen ganz anderen Stellenwert bekommen wird. Die Baskets können dadurch neue und mehr Einnahmen generieren. Wir wollen Basketball in Würzburg auf ein noch höheres Niveau hieven, und dazu ist ein größerer Etat nötig als die aktuell 3,5 Millionen Euro. Diese Vision haben wir. Aber es braucht Zeit, und es wird auch Ausschläge nach unten geben. Da muss man durch. Rückschläge machen auch stärker: Die Geschäftsführer werden gelernt haben, dass es so nicht geht, und die Gesellschafter haben gelernt, dass es ohne Kontrolle nicht geht. Wenn man die Fehler bereinigt, dann sieht die Zukunft richtig gut aus.