Türkische Verhältnisse herrschen in der Basketball-Bundesliga (BBL) noch nicht. Nachdem im Frühjahr 2012 in Istanbul das Final-Turnier der EuroLeague stattfinden wird, befinden sich die Spitzenklubs am Bosporus zur Zeit in einem wahren Transferrausch – die drohende Saisonabsage in der nordamerikanischen Profiliga NBA macht's möglich. Deron Williams, überragender Spielmacher der New Jersey Nets, hat bereits für die kommende Saison sein Ja-Wort bei Besiktas Istanbul für den Fall eines Lock-outs gegeben. Und auch NBA-Superstar Kobe Bryant von den Los Angeles Lakers soll ein unterschriftsreifer Vertrag von Besiktas über zwei Millionen Euro Gehalt vorliegen – pro Monat, versteht sich.
„Die Zuschauerzahlen sind in den letzten fünf Jahren um 40 Prozent gestiegen.“
BBL-Geschäftsführer Jan Pommer
Solch spektakuläre Personalien hat die BBL nicht zu bieten. Und doch steht das deutsche Korbjäger-Oberhaus vor der vielleicht spannendsten Saison seiner Geschichte. Denn noch nie dürfte die Liga mit ihren 18 Klubs sowohl in der Spitzengruppe als auch in der Breite derart ausgeglichen besetzt gewesen sein. Gleich mehrere Teams gelten gut zwei Monate vor dem Saisonauftakt am 3. Oktober als heiße Meisterschafts-Anwärter, mehr als ein halbes Dutzend Klubs darf sich berechtigte Hoffnungen auf die Play-offs machen, und eine Handvoll Vereine wird um den Klassenerhalt zittern müssen. „Die Liga befindet sich im Aufwind. Die Zuschauerzahlen sind in den letzten fünf Jahren um 40 Prozent und die Klub-Etats in den vergangenen sechs Jahren um 80 Prozent gestiegen“, freut sich BBL-Geschäftsführer Jan Pommer über das gestiegene Interesse an der Basketball-Bundesliga.
Als Top-Favoriten werden zwei altbekannte Klubs und ein Aufsteiger gehandelt. Die Baskets Bamberg – Meister sowie Pokalsieger 2010 und 2011 – haben den Großteil ihres erfolgreichen Kaders aus den letzten beiden Spielzeiten zusammenhalten können. Kapitän Casey Jacobsen, der 234-mal in der NBA für Phoenix und Memphis auf Korbjagd ging, verlängert gleich um drei Jahre. Vom Erzrivalen Alba Berlin kam zudem mit Julius Jenkins einer der herausragenden Offensiv-Spieler der letzten Jahre. In der Hauptstadt wiederum soll nach drei Meisterschafts-losen Jahren endlich wieder der nationale Titel her. Dafür wurde Trainer Gordon Herbert, der 2002 seine Deutschland-Karriere in Würzburg startete, aus Frankfurt an die Spree gelotst. Im Schlepptau hat der Kanadier Spielmacher DaShaun Wood, der letzte Spielzeit zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt worden war.
Ganz oben auf dem Meister-Tippschein steht bei vielen aber Emporkömmling FC Bayern, der schon in der zweiten Liga ProA die Schlagzeilen beherrschte und nun auch in der BBL im Fokus des Interesses stehen dürfte. „Der Sport lebt von starken Marken wie dem FC Bayern. Dieser Verein bewegt nun einmal die Leute“, sagt Pommer. Die Münchner um Bundestrainer Dirk Bauermann haben inzwischen die halbe Nationalmannschaft unter Vertrag. Dazu zählt neben dem international erprobten Jan-Henrik Jagla auch Robin Benzing, der letzte Saison in Ulm treffsicherster deutscher Spieler in der BBL war. Auch die Ausländerpositionen wurden exzellent besetzt, unter anderem mit Je'Kel Forster, der 2009 Oldenburg zur überraschenden Meisterschaft führte. Den wachsenden Konkurrenzdruck scheint vor allem der „doppelte Double-Sieger“ aus Bamberg zu spüren. Trotz eines 6,5-Millionen-Euro-Rekordetats warben die hochkarätig besetzten Oberfranken jüngst in einer Pressemiteilung um zusätzliche 150 000 Euro, um die durch die Verletzung von Spielmacher John Goldsberry entstandene Lücke adäquat schließen zu können.
Derartige Ambitionen hegen die s. Oliver Baskets Würzburg in ihrer BBL-Premierensaison nicht. „Unser Ziel im ersten Jahr ist der Klassenerhalt“, betont Baskets-Geschäftsführer Jochen Bähr. Dennoch hat der Aufsteiger für Furore gesorgt und „den vielleicht dicksten Fisch in diesem Sommer an Land gezogen“ (O-Ton BBL-Homepage). Der zweimalige „BBL-Trainer des Jahres“ John Patrick wird die kommenden beiden Spielzeiten in Personalunion als Sportdirektor und Coach das sportliche Sagen bei den Baskets haben – und hat den Aufstiegskader gewaltig umgekrempelt. Drei ehemalige Weggefährten hat der 43-jährige US-Amerikaner von Liga-Konkurrent BG Göttingen mitgenommen. Mit dem Trio John Little, Jason Boone und Ben Jacobson gewann Patrick 2010 sensationell den EuroChallenge-Wettbewerb. „Wir haben solide Spieler verpflichtet“, zeigt sich Patrick zufrieden mit seinem Kader, der nach den aktuellen Vertragsauflösungen mit Tim Burnette und Patrick Flomo (siehe gesonderten Text: „Würzburg Baskets trennen sich von zwei Spielern“) auf zwei Positionen noch Personal sucht.
BBL-Saisonauftakt
Basketball-Bundesliga 2011/2012,
erster Spieltag;
Montag, 3. Oktober, 20 Uhr:
Bamberg – Göttingen
Frankfurt – Oldenburg
Bremerhaven – Berlin
Artland Dragons – Tübingen
Bonn – München
Braunschweig – Hagen
Ludwigsburg – Gießen
Würzburg – Trier
Bayreuth – Ulm