Das war also sein großer Tag. Bernd Hollerbach ist am Ziel, zurück im Volksparkstadion. Dort, wo er sich am 22. Mai 2004 bei einem 2:1 gegen Eintracht Frankfurt vom Hamburger SV und damit vom Erstliga-Fußball verabschiedet hatte. HSV-Trainer war damals Klaus Toppmöller. Ja, auch der gehört zur langen Reihe jener Übungsleiter, die sich an den Hanseaten schon abgearbeitet haben. Seit exakt diesem Tag ging es für Bernd Hollerbach darum, hierher zurückzukehren. Als Trainer dort aktiv zu sein, wo er als Spieler seine größten Erfolge feierte – beim einst so großen und – gemessen am medialen Interesse jedenfalls – noch immer bedeutenden Hamburger Sportverein in der ersten Fußball-Bundesliga.
Ein gutes Stück Genugtuung
Wer den 48-Jährigen ein bisschen näher kennt, weiß, wie verbissen er an einem solchen Ziel arbeitet. Und der weiß auch, dass Hollerbach bei aller Arbeit und Aufregung, die nun vor ihm liegt, auch ein gutes Stück Genugtuung verspürt.
Seine innere Freude drang, als Hollerbach bei seiner offiziellen Vorstellung im Presseraum der Hamburger Arena im blauen Trainingsjersey zwischen Vorstandsboss Heribert Bruchhagen zur Rechten und Sportdirektor Jens Todt zur Linken saß, nur für einen kleinen Moment nach außen: „Ich habe hart dafür gearbeitet und bin stolz, zurück zu sein“, sagte er. Stolz auf die geleistete Arbeit. Da war wieder jenes Motiv, das der 48-jährige Metzgerssohn gerne als Ursache für seinen Erfolgshunger nennt. Dass seine Arbeit bei den Würzburger Kickers nicht gekrönt wurde, dass am Ende bei seinem anderen Herzensverein ein Abstieg stand – geschenkt!
Kickers-Aufkleber auf dem Auto
Hollerbach war am Mittag im schwarzen Porsche Cayenne mit Würzburger Kennzeichen am Volkspark vorgefahren. Auf dem Heck des Fahrzeugs klebt ein Kickers-Aufkleber. Die Verbundenheit und der Stolz bleiben. „Wir haben in Würzburg gemeinsam Außergewöhnliches erreicht“, sagte Hollerbach in Hamburg und: „Der Kranewitter kann das doch am besten beurteilen.

“ Es gibt Journalisten, die äußerst ungern über sich schreiben, doch diesmal muss das sein, weil dieser Spruch eben sehr gut passt zu Hollerbach, der auch in Hamburg gleich nach vertrauten Gesichtern suchte. Dass die Zeitung aus seiner Geburtsstadt ihn auch hier in seiner zweiten Heimat an seinem großen Tag beobachtete, das gefiel ihm dann schon sehr gut.
Das Volk glaubt ihm
„Ich hätte mir in Würzburg zu Zweitliga-Zeiten auch einen Gönner wie einen Kühne gewünscht“, sagte er mit Blick auf den Hamburger Hauptgeldgeber. Ein Satz, der am Würzburger Dallenberg angesichts des Engagements von Thorsten Fischer und seiner Firma Flyeralarm gewiss für Verwunderung und Staunen sorgt. Aber in Hamburg sind die Summen eben ganz andere. Es ist eine neue Dimension, in die Hollerbach aufgestiegen ist, weil dem HSV der Absturz droht. Die Fallhöhe ist hoch. Welche Trainer will schon der erste sein, der mit den Hamburgern in die zweite Liga plumpst?
Wenn die Fans einem das verzeihen könnten, dann womöglich Hollerbach. Der bezeichnet sich als „HSVer“. Und das Volk am Trainingsplatz glaubt ihm das. Als Spieler sei Hollerbach „kein überragender Techniker gewesen. Immer rustikal“, sagt einer. Aber solche Typen mögen die Fans eben. Ein paar Meter weiter ist Hollerbachs Fußabdruck im XXL-Format verewigt. Wenn er auch noch als Trainer Erfolg hat, setzen sie womöglich auch noch den restlichen Holler obendrauf.
„Ich habe hart dafür gearbeitet und bin stolz, zurück zu sein.“
Bernd Hollerbach, HSV-Trainer
„Der Holler packt das“
Es sind ein paar Hundert, die zu seiner ersten Übungseinheit am Montagnachmittag gekommen sind. Viele werden befragt. Einer redet sich im schönsten Hamburger Idiom in Rage: „Es ist egal, was er hier macht. Er kann auch nackig an der Stange tanzen. Wir brachen Punkte, nichts anders.“ Den Satz „Der Holler packt das“ hörte man nicht nur einmal an diesem Nachmittag. Es ist ein gesundes Urvertrauen in den ehrlichen Arbeiter, der bei seiner offiziellen Vorstellung jedoch etwas zu flunkern schien. Erst nach Hamburgs 0:2-Niederlage gegen Köln am Samstag habe er daheim in Würzburg einen Anruf erhalten, in dem es um die Trainerstelle im Volkspark ging, behauptete er.
Dabei hatte HSV-Boss Bruchhagen schon am Sonntag erklärt, man habe bereits länger einen „Plan B“ in der Tasche gehabt und dass sich der neue Trainer bereits seit einiger Zeit auf den Job vorbereitet habe.
Vertrag bis 2019
Unter anderem bei Lucien Favre in Nizza hat Hollerbach nach seinem Schlussstrich bei den Kickers im vergangenen Mai, wo er einen Tag nach dem Abstieg aus der zweiten Bundesliga seinen Rücktritt vom Trainerposten erklärt hatte, hospitiert. Nun also war die Zeit reif, die Chance zu ergreifen und seinen Traum vom Trainerposten in seiner Lieblingsstadt wahr zu machen. „Ich habe 20 Jahre hier gewohnt. Jetzt ging alles sehr schnell. Noch wohne ich im Hotel. Aber ich will schnell wieder eine Wohnung finden.“ Würzburg ist für Hollerbach erst mal wieder Vergangenheit. Er hat einen Vertrag bis 2019 unterschrieben, der auch für die zweite Liga gültig ist.
Schon am Montagmorgen war Hollerbach DAS Thema zwischen Alster und Hafen. „Der HSV holt die Axt raus“, titelte die „Morgenpost“ und widmete dem Trainerwechsel ganze acht Seiten. Die „Bild“ benutzte indes ein in Würzburg längst bekanntes Wortspiel: „Der HSV hofft auf das Wunder von Bernd“. Auch Felix Magath, HSV-Legende und Hollerbachs früher Förderer wird zitiert: „Die Mannschaft darf damit rechnen, dass sie besser trainiert wird und geführt wird. Und zwar so, dass sie nicht nur gegen direkte Konkurrenten gewinnen kann, sondern auch gegen Mannschaften, die eigentlich stärker besetzt sind.“
„Ich glaube an die Chance, nicht ans Scheitern“
Hollerbach ist der neue Hoffnungsträger. Der Rimparer muss den ganzen Fußballstolz der Hanseaten retten. Dafür durfte Hollerbach einen Co-Trainer mitbringen. Der aber hat in Würzburg noch nicht mit ihm zusammengearbeitet. Als unter den Journalisten der Name die Runde macht, gibt es erst einmal Schulterzucken. Steffen Rau war zuletzt Trainer der Frauenmannschaft von Werder Bremen. Hollerbach überrascht in Personalfragen immer wieder gerne. So war's schon bei den Kickers.

An seinem ersten Trainertag im Volkspark war es nasskalt. Als Hollerbach aus der Kabine kam, gab es Applaus. Ein Fan rief: „Du musst die Uhr weiterlaufen lassen.“ Gemeint war jene Anzeige in der Arena, die die ununterbrochene Erstliga-Zugehörigkeit der Hanseaten dokumentiert. Wie Hollerbach es schaffen will, den HSV aus den Abstiegsrängen zu hieven? Mit Disziplin natürlich. In Zukunft ist um 8.30 Uhr für die Spieler Arbeitsbeginn. Dann gibt es ein gemeinsames Frühstück anschließend wird zusammen trainiert. Das Hamburger Programm der nächsten Wochen hat es in sich. Es geht gegen Leipzig, Hannover, Dortmund und Leverkusen.
„Wir wollen agieren, nicht reagieren“, sagt Hollerbach und: „Ich glaube an die Chance und nicht ans Scheitern.“ Das hat er auch in Würzburg immer wieder gesagt, bis zuletzt.
Bernd Hollerbach Vereine als Spieler: ASV Rimpar (Junioren/ 1976 – 1988), Würzburger Kickers (1988 – 1990), FC St. Pauli (1991 – 1995), 1. FC Kaiserslautern (1995/96), Hamburger SV (1996 – 2004). Vereine als Trainer: VfL 93 Hamburg (2005 – 2006), VfB Lübeck (2006 – 2007), VfL Wolfs- burg (Co-Trainer, 2007 – 2009), FC Schalke 04 (Co-Trainer, 2009 – 2011), VfL Wolfsburg (Co-Trainer, 2011/12), Würzburger Kickers (2014 – 2017), Hamburger SV (seit 22. 1. 2018) Der Linksverteidiger, der am 8. Dezember 1969 in Würzburg geboren wurde, erzielte in 222 Bundesliga-Spielen sechs Tore und kassierte 95 Gelbe Karten. Als Assistent von Felix Magath wurde er 2009 mit dem VfL Wolfsburg deutscher Meister. Nach dem Zweitliga-Abstieg mit den Würzburger Kickers trat Hollerbach im Mai 2017 als Trainer zurück.