Gerade einmal 18 Monate sind verstrichen, seit der enge "Trainingskeller" des Box-Clubs Zellerau in der Benzstraße seine Pforten wieder öffnete. Vor vier Wochen gab es dann erste Überraschungserfolge bei den bayerischen Meisterschaften in Straubing (wir berichteten). Nun vertraten die beiden Brüder Romano und Patrick Stark ihren Club bei den süddeutschen Meisterschaften in Leonberg; beide qualifizierten sich für die Kämpfe um die nationalen Titel in ihrer Gewichtsklasse.
"Ich will zwei deutsche Meister sehen": Coach Manfred Winterstein junior mag keine halben Sachen, das bekommen seine Schützlinge im Training zu spüren. Das Pensum wird nochmal auf sechs Einheiten pro Woche gesteigert, bevor die beiden Brüder auf den einwöchigen Lehrgang des Bayerischen Amateurbox-Verbandes (BABV) dürfen, der als Vorbereitung auf die deutsche Meisterschaft dienen soll.
Der 16-jährige Patrick Stark, der in einem Jahr rund fünf Kilogramm Fett gegen Muskeln eingetauscht hat, wird dabei als amtierender süddeutscher Kadettenmeister im Superschwergewicht antreten. In Leonberg gewann er gegen Dennis Salzmann von der TSG Öhringen durch technischen K.o. in Runde zwei und später im Finale gegen den favorisierten Mario Müller aus Oelsnitz nach Punkten. Bei der deutschen Kadettenmeisterschaft vom 15. bis 17. Mai in Wismar zählt für den Maler-Lehrling nur der Titel: "Ich will mich für die Europameisterschaften im Sommer in Griechenland qualifizieren."
Sein jüngerer Bruder Romano hatte bei den Junioren Glück im Unglück: Der Linksausleger zog sich wenige Stunden vor dem Kampf im Papiergewicht gegen Sven Hackenberg vom ABV Sachsen im Sparring eine Nervenquetschung des rechten Armes zu - war aber nicht davon abzubringen, trotzdem in den Ring zu steigen. Romano verlor mit 2:3-Punktrichterstimmen, doch der Jugendwart des BABV, Manfred Degner, war so vom Kämpferherz des 13-jährigen Hauptschülers angetan, dass er ihm einen Startplatz für die deutschen Meisterschaften der B-Jugend in Lindow bei Berlin besorgte (lesen Sie dazu das nebenstehende Interview). "Dort werde ich mich bei Hackenberg revanchieren. In Leonberg war mein Arm fast taub, jetzt geht es wieder", so Romano. Seine "Rechte" ist erst vom 30. Mai bis 1. Juni wieder gefragt, das Training hat der motivierte junge Boxer wieder aufgenommen.
Die Brüder Stark haben weniger Kampf-Erfahrung als die meisten ihrer Gegner, aber das versuchen die Beiden mit unbedingtem Willen und hartem Training auszugleichen - ganz im Sinne ihres Coaches Winterstein. Degner kann kaum glauben, wie schnell in der Zellerau Fortschritte gemacht werden: "Die Jungs aus Würzburg haben viel weniger Kampferfahrung als ihre Kontrahenten. Sie haben mich in Leonberg überrascht und ich traue ihnen auch bei den nationalen Titelkämpfen die ein oder andere Überraschung zu."
Nach zehnjähriger Boxsport-Abstinenz ist der BC auf dem Wege, an seine Erfolge aus den achtziger Jahren anzuknüpfen. Selbstzweifel sind bei den Zellerauern verpönt - aber die sind in einer Sportart wie Boxen, bei der die Psyche eine bedeutende Rolle spielt, ohnehin nicht angebracht.