Vorurteilen sehen sich die Mitglieder des neu aus der Taufe gehobenen Vereins Roter Stern Würzburg häufiger konfrontiert, als ihnen lieb sein dürfte. Also setzt Maria Apel, 23, auf dem Sportplatz in Maidbronn zur Verteidigungsstrategie an. „Mit einer kommunistischen Weltanschauung“, betont die Schriftführerin, „haben wir nun wirklich nichts am Hut.“ Das zu glauben, fällt nicht schwer. Der rote Stern prangt auch auf den Flaggen von Panama, Neuseeland und Kalifornien. Beim jüngsten Würzburger Fußballklub hat er keine politische Bedeutung. Die Vereinsmitglieder trinken nur gerne das Bier, dessen Brauerei einen sechszackigen Stern mit einer Krone im Wappen trägt.
„Mit einer kommunistischen Weltanschauung haben wir nun wirklich nichts am Hut.“
Roter-Stern-Schriftführerin Maria Apel
Die Feiern zur Klubgründung sind vorbei, jetzt hat der Ernst des Vereinslebens begonnen. Das erste Pflichtspiel für den jüngsten Fußballverein in und um Würzburg steht an. Also schießt Apel zwischendurch ein paar Schnappschüsse von der Erstrunden-Partie um den Toto-Pokal gegen den SV Maidbronn und macht sich fleißig Notizen. Dokumentation muss sein. Am 22. April dieses Jahres hat sich der Klub in einem Partykeller in Lengfeld, beim „Öbbel“ wie Apel süffisant sagt, gegründet. Die Studentin der Wirtschaftswissenschaften war selbst eine der sieben Gründungsmitglieder. Eine Frau bei einem B-Klassen-Fußballklub, bei dem die Wortwahl häufig selbst launischen Franken deutlich zu derb ist? Wieder so ein Vorurteil. „Ich bin einfach fußballverrückt“, sagt Apel.
Die Partie ist für Roter Stern Würzburg indes längst verloren. Noch im ersten Durchgang hatte Trainer Jan Müller, 29, seine Spieler mitreißen wollen. 1:0 und 2:1 waren die Würzburger in Führung gegangen, dann schlugen die Maidbronner auf ihrem eigenen Platz mit Mumm zurück und schossen zwei Treffer innerhalb kurzer Zeit. „Das ist unser erstes Spiel. Reißt euch zusammen, vielleicht gelingt uns noch ein Tor“, sagte Müller. Aber die Begegnung stand für den 2010 beim Amtsgericht Würzburg eingetragenen Verein unter keinem guten Stern. Zunächst verletzte sich Torwart Mathias Moor an der Schulter und wurde mit Verdacht auf einen Schlüsselbeinbruch ins Krankenhaus gebracht. Später standen die Würzburger nur noch zu zehnt auf dem Platz, weil ein Spieler Leistenprobleme hatte und das Wechselkontingent erschöpft war. Am Ende ging man bei unerträglichen Temperaturen mit 2:8 gegen einen A-Klassisten unter.
Noch ist kein neuer Stern am Würzburger Fußballhimmel aufgegangen, eher schon ein zweites Sportfreunde Waschküch geboren worden. Die selbst ernannte Freizeitelf, die mittlerweile nicht mehr am Spielbetrieb teilnimmt, hatte in ihrer ersten Saison vor einigen Jahren eine Packung nach der anderen bekommen. „Mit der Waschküch wollen wir uns nicht vergleichen“, sagt Müller, „bei denen konnte ein Trio Fußball spielen. Bei uns können die meisten der 23 aktiven Spieler mit dem Ball umgehen.“ Müller ist Spieler, Trainer, Vorstand und Gründungsvater in Personalunion. Die Idee von einem eigenen Verein hatte er bereits vor fünf Jahren. „Jetzt standen wir vor der Wahl: Entweder den verrückten Einfall umsetzen oder wieder jahrelang Reden schwingen.“ Also trommelte Müller gemeinsam mit seinem Freund Tim Steinruck eine Mannschaft zusammen, die mit Sven Koshofer und Fabian Ziegler sogar Landesliga-erprobte Spieler in ihren Reihen hat. „Diese oder nächste Saison wollen wir aufsteigen, auch wenn man das heute vielleicht noch nicht gesehen hat“, sagt Müller. Ein einziges Mal habe man vor dem ersten Pflichtspiel trainiert. Aber die kommenden vier Wochen bis zum ersten Rundenspiel gegen Theilheim werden intensiv, verspricht der Lengfelder.
Das Platzproblem ist gelöst. Die Würzburger sind in Maidbronn untergekommen. Ganz umsonst ist die Gastfreundschaft freilich nicht. Immerhin lässt der SV Maidbronn fünf gerade sein, wenn gemeinsam trainiert wird. Ein Verlustgeschäft ist der schwierige Start dennoch. Da ist man um jede Einnahmequelle dankbar. Steffen Röder sitzt beim ersten Heimspiel gegen den eigenen Hausherren an der Kasse. Er führt eine Strichliste. Am Ende kommt er auf 34 regulär zahlende und sechs ermäßigt zahlende Zuschauer. Als ein Besucher kurz vor Kassenschluss den doppelten Eintrittspreis bezahlen will, ordnet er den Fünf-Euro-Schein fein säuberlich in die Geldbörse und macht in der Spalte „regulär“ zwei Striche. Zahlungskräftige Gönner sind auch beim Verein mit dem roten Stern gerne gesehene Leute.