Es klang wie ein Versprechen, als Silvia Neid über Lena Lotzen sagte: „Sie wird ihren Weg machen.“ Das war am 31. März 2012, und die Trainerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft lächelte damals wissend wie eine tief Gläubige. Ihr Team hatte zuvor in der EM-Qualifikation in Mannheim 5:0 gegen Spanien gewonnen. Allerdings ohne Lena Lotzen. Die Höchbergerin, die seit 2010 beim FC Bayern München unter Vertrag steht, hatte sich in der Bundesliga zwei Bänder im Fuß gerissen und fürchtete nach ihrem gelungenen Debüt in der A-Nationalelf beim Algarve-Cup in Portugal einen Monat zuvor um eine weitere Chance bei der Bundestrainerin.
Silvia Neid aber wusste wohl, was sie damals sagte über das Nachwuchstalent, das sie anerkennend „eine richtige Straßenfußballerin“ nannte. Eineinviertel Jahre später hat sie Lena Lotzen gestern für ihren 23-köpfigen EM-Kader nominiert. Und so führt der Weg der beidfüßigen und kopfballstarken Offensivspielerin in Kürze nach Schweden, wo die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vom 10. bis 28. Juli ihren Titel verteidigen will. Es ist ihr erstes großes Turnier für die A-Mannschaft. „Das ist der Wahnsinn!“, entfährt es Lena Lotzen nach der offiziellen Bekanntgabe des Aufgebots. „Ich freue mich riesig, dass ich dabei bin. So richtig glauben kann ich es noch gar nicht.“
Natürlich wusste sie, dass die Bundestrainerin nach den verletzungsbedingten Absagen von sechs potenziellen Stammspielerinnen nur noch zwei Kräfte aus ihrem vorläufigen Kader streichen musste. Natürlich hatte es ihr Mut gemacht, dass sich Silvia Neid mit ihren Leistungen im Training „zufrieden“ zeigte. Natürlich hatte sie es als positives Signal gewertet, im Testspiel am Dienstag gegen Kanada (1:0) in Paderborn zur Startelf zu gehören. Aber dann offiziell das Ticket zur Europameisterschaft zu bekommen, das war für die 19-Jährige dann doch „der absolute Höhepunkt“. Und noch besser als der allererste Ruf der Bundestrainerin. Im Februar 2012 hatte sie in einem Klamottenladen in München gesehen, dass sie einen Anruf auf ihrem Handy verpasst hatte. Als sie die Nachricht auf der Mailbox abhörte, traute sie ihren Ohren nicht: „Hallo Lena, hier spricht Silvia Neid“, sagte die Stimme. „Ich würde dich gerne für den Algarve Cup nachnominieren. Bitte ruf mich zurück.“ Dreimal hörte sich die Höchbergerin die Nachricht an, bevor sie wirklich glaubte, wer sie da angerufen hatte. Zwei Tage später saß sie im Flieger nach Portugal, vier Tage später gab sie gegen Island als Jüngste im Kader ihr Debüt in der Frauen-Nationalmannschaft. Seither hat die U-19-Europameisterin neun A-Länderspiele bestritten.
Die Mischung macht's im Kader
Und nun Schweden. „Ich will dort möglichst viel spielen“, formuliert die Angreiferin ihr persönliches EM-Ziel, „und ich will Silvia Neid im Training die Entscheidung so schwer wie möglich machen.“ Die 19-Jährige traut der deutschen Elf „ein tolles Turnier“ zu – „wenn wir als Team auftreten. Wir sind zwar nicht die erfahrensten, aber wir haben eine gute Mischung aus routinierten und hoch motivierten jungen Spielerinnen.“
Nur 23,5 Jahre beträgt das Durchschnittsalter im deutschen Kader. Gestrichen aus dem vorläufigen Aufgebot wurden Isabel Kerschowski von Bayer Leverkusen und Ersatztorhüterin Kathrin Längert vom FC Bayern. Eine kleine Überraschung waren die Nominierungen der beiden Freiburgerinnen Sara Däbritz und Laura Benkarth. Sowohl die Mittelfeldspielerin, mit 18 die Jüngste im Team, als auch die Keeperin haben noch kein A-Länderspiel bestritten. Angeführt wird die DFB-Auswahl von der zweiten Unterfränkin, Doppelweltmeisterin Nadine Angerer aus Hofstetten bei Gemünden, mit 34 Jahren und 117 Länderspielen die „Mutter der Kompanie“, wie „Natze“ sich selbst nennt. Mit Material von dpa