Geht es dramatischer? Geht es erbarmungsloser? Geht es schmerzlicher? Wer es am Samstagabend mit Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg hielt, musste all diese Fragen nach ihrem mit 94:95 (44:48, 85:85) nach Verlängerung verlorenem Gastspiel beim Tabellennachbarn ratiopharm Ulm unweigerlich verneinen.
Und wer nach Spielende beim Live-Interview mit dem übertragenden Internet-Sender in das Gesicht von Jordan Hulls schaute, erkannte die ganze Enttäuschung und Niedergeschlagenheit des Augenblicks. „Das ist eine ganz bittere Niederlage“, sprach der 28-jährige US-Guard mit versteinerter Miene ins magenta-farbene Mikrofon, während im Hintergrund die ausgelassene Party der heimischen Fans mit den gastgebenden Korbjägern im vollen Gange war.
Der Liveticker zum Nachlesen
„Die Köpfe hingen in der Kabine ganz tief unten, genauso war die Stimmung. Aber wir haben noch vor Ort versucht, die Mannschaft wieder aufzubauen“, beschrieb Baskets-Cheftrainer Denis Wucherer den Gemütszustand seiner Schützlinge in den Katakomben der mit 6200 Zuschauern ausverkauften ratiopharm-arena.
Auf dem Silbertablett
Gleich zweimal in der Partie hatten die Baskets den Sieg auf dem Silbertablett serviert bekommen und die große Chance, einen „big point“ im Play-off-Rennen zu landen. Doch zweimal schafften sie es nicht, beherzt zuzugreifen – im Gegenteil: Erst rettete Nationalspieler Ismet Akpinar die Hausherren mit einem irren Dreier zum 85:85 aus gut und gerne neun Meter in die Verlängerung, nachdem es die Würzburger zuvor nicht geschafft hatten, bei 2,7 Sekunden Restspielzeit den eigenen Einwurf in der Ulmer Hälfte ins Spiel zu bringen.
In der fünfminütigen Verlängerung war es wieder Akpinar, der 1,3 Sekunden vor Spielende mit zwei umstritten Freiwürfen – dazu unten mehr – den 95:94-Endstand besorgte. Wieder hatten es die Gäste zuvor nicht geschafft, bei nur noch elf Sekunden Spielzeit auf der Uhr und einer 94:93-Führung einen Einwurf an einen Mitspieler zu bringen. „Das ist natürlich hochgradig frustrierend. Es war eine Aneinanderreihung von Ereignissen, die nicht zu begreifen sind, und nur genau in dieser Kombination zu diesem Ergebnis führen“, war Wucherer auch am Tag danach noch hörbar angefasst von den Geschehnissen des Vorabends.
Ein diskussionswürdiger Pfiff
Der 45-Jährige haderte bei allen Unzulänglichkeiten des eigenen Teams in den entscheidenden Momenten auch mit der finalen Freiwurf-Entscheidung für Akpinar, der im Ringen um den Ball mit Baskets-Center Gabriel Olaseni ein höchst diskussionswürdigen Pfiff von Schiedsrichter Robert Lottermoser zugesprochen kam, „der uns die Chance auf den Sieg genommen hat“, wie Wucherer nach nochmaliger Ansicht der bewegten Bilder urteilte: „Ich habe es mir in Zeitlupe angesehen, natürlich war Ismet mit zwei Händen am Ball und Gabe mit einer. Aber es war ein Kampf um den Ball, wie er zigmal im Spiel vorkommt und kein aktives Foul. Lottermoser ist normalerweise besser als dieser Pfiff.“
Die aufwühlenden Schlussakkorde übertünchten letztlich einen abermals höchst formidablen Auftritt der Würzburger, die lange Zeit in einer hochklassigen Partie „vieles richtig gemacht hatten“, wie auch Wucherer konstatierte. Personell hatte er anstelle von US-Spielmacher Skyler Bowlin mit Landsmann und Center Mike Morrison einen weiteren großen Spieler ins Team geholt, um den körperlich robusteren und physisch spielenden Ulmern Paroli bieten zu können. Ein Schachzug, der mit Blick auf das Reboundverhältnis (42:31) ebenso aufging wie das Umstellen auf eine Zonenverteidigung in der zweiten Hälfte, mit der die Baskets die Hausherren vor erhebliche Probleme stellten.
Eine reife Leistung
„Wir hatten im Hinterkopf, dass die Ulmer nicht die Wurf-stabilste Mannschaft ist und wollten ein wenig den Rhythmus verändern. Ich finde, es war unterm Strich wieder eine reife Leistung von uns, und ein Sieg gegen ausgeruhte Ulmer wäre hochverdient gewesen. Aber pro Saison gibt es immer so ein Spiel, wo du dich hinterher fragst, wie das passieren konnte, was passiert ist“, sagte Wucherer, der trotzdem davon überzeugt ist, „dass die Partie keinen Knacks hinterlassen wird. Die Mannschaft ist gefestigt. Wir werden die richtigen Lehren ziehen und die Jungs zurück auf die richtige Spur bringen.“
Viel Zeit, die Enttäuschung auf- und zu verarbeiten, bleibt den Baskets ohnehin nicht. Bereits an diesem Mittwoch (19 Uhr, s.Oliver Arena) haben sie im Halbfinal-Rückspiel des Fiba EuropeCup-Wettbewerbs die historische Chance, ins Finale einzuziehen. Das Hinspiel beim zehnmaligen italienischen Meister Pallacanestro Varese gewannen die Würzburger 89:66, womit sie sich sogar eine Niederlage mit 22 Zählern Differenz leisten könnten, da die Ergebnisse beider Partien addiert werden.