Seit dem Spätsommer 2015 haben sie einen großen Teil ihrer frei verfügbaren Zeit für den Fußball investiert: A-Lizenz-Inhaber Marc Reitmaier (33) ist seither Trainer beim Bayernligisten Würzburger FV und nebenher im Scouting-Bereich des Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim aktiv. Auch Sportdirektor Martin Lang (45) scheint für diese Position genau der richtige Mann zur richtigen Zeit beim WFV gewesen zu sein und strotzt weiterhin vor Tatendrang. Gemeinsam hat das Duo den WFV vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit bewahrt – und dabei auch in der laufenden Saison ein glückliches Händchen bei der Personalauswahl bewiesen. Im Doppelinterview blicken Lang und Reitmaier zurück sowie nach vorne.
Frage: Herr Lang, Herr Reitmaier, Sie haben den Würzburger FV sportlich in den letzten eineinhalb Jahren wieder auf Vordermann gebracht. Wie ist Ihnen das gelungen?
Martin Lang: Das Wichtigste war zunächst mal, dass wir eine Trainerentscheidung getroffen haben, die sich als goldrichtig herausstellen sollte, und dass uns der Vorstand alle Freiheiten gelassen hat, um den sportlichen Bereich zu restrukturieren. Es war zu diesem Zeitpunkt sehr viel Arbeit mit der Mannschaft, aber auch im Umfeld notwendig.
Marc hat zum Teil vier Trainingseinheiten in der Woche angesetzt. Man hat von Anfang an erkennen können, dass sich etwas grundlegend ändert. Die körperliche Fitness kam zurück, und eine stabile Defensive war zunehmend erkennbar.
Was waren Ihre konkreten Ansatzpunkte, Herr Reitmaier?
Marc Reitmaier: Die Mannschaft hat seinerzeit mit einem echten Negativlauf zu kämpfen gehabt. Da musste bei den Jungs erst wieder der Glaube an sich selbst geweckt werden. Deshalb waren viele Einzelgespräche nötig. Zudem haben wir über Wochen fleißig und hart an der Kondition gearbeitet, natürlich auch gepaart mit vielen Spielformen. Ein wichtiges Element war zudem die Videoanalyse, um Fehlerquellen aufzuspüren. Entscheidend war auch, dass sich die Stimmung wieder aufhellt. Wir haben uns etwa gegenseitig Applaus bei gelungenen Aktionen im Training gegeben. Es war klar, dass das alles irgendwann zum Erfolg führen muss.
Seit Ihrem Amtsantritt im Spätsommer 2015 sind rund 15 Spieler an die Mainaustraße gewechselt. Wie konnten Sie die sportlichen Verstärkungen trotz der finanziell angespannten Situation zum WFV holen?
Lang: Da war viel Überzeugungsarbeit nötig. Bei Spielern, die schon mal hier waren, wie Christian Steinmetz oder Wojtek Droszcz ist zudem noch Herzblut für den Verein vorhanden. Außerdem haben wir in dieser Zeit etwa genauso viele Akteure abgegeben, und dieses Geld eben in neue Leute reinvestiert.
Die neuen Spieler haben definitiv eine höhere Qualität als die alten. Ging dieses Wechselspiel in puncto Gehälter tatsächlich eins zu eins auf?
Lang: Ja, mehr oder weniger. Es waren keine verrückten Sachen dabei, so dass wir auch nicht ins volle Risiko gegangen sind. Die Personalkosten wurden auf der Jahresversammlung transparent gemacht. Der finanzielle Spielraum war und ist nach wie vor sehr eng. Wenn von den Neuzugängen nur einer dabei gewesen wäre, der nicht so eingeschlagen hätte, wäre es schon problematisch geworden. Es hat sich dann alles irgendwie gefügt. Vielleicht sind wir für unseren Fleiß und Mut einfach belohnt worden.
Reitmaier: Wir haben nur Leute geholt, die menschlich zu uns passen. Daher waren im Vorfeld viele persönliche Gespräche vonnöten. Viele Schüsse hatten wir nicht frei, wir mussten also treffen. Wir haben hungrige Spieler gesucht und gefunden, die sich mit dem Verein identifizieren und natürlich sportliche Qualitäten mitbringen. Auch die Lust an einem intensiven und harten Training war eine wichtige Anforderung.
Beim WFV wird stets das Motto betont: „Denn wir wissen, wo wir herkommen.“ Das soll nicht zuletzt auch auf die sportlich prekäre Lage vor eineinhalb Jahren abzielen. Allerdings war es vor noch nicht allzu langer Zeit der Anspruch des WFV, in der eingleisigen Bayernliga eine gute Rolle zu spielen. Dient der Slogan daher nur dazu, die Erwartungen im Umfeld zu dämpfen?
Lang: Sagen wir es mal so: Wir mussten bescheidener werden. Der Etat für die erste Mannschaft wurde über Jahre hinweg kontinuierlich zurückgefahren. Man kann ja keinen Etat wie ein Landesligist, aber Ansprüche wie ein Regionalligist haben. Da mussten viele erst mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.
Hat der Würzburger FV seine neue Rolle als Nummer zwei der Stadt mittlerweile gefunden?
Lang: Zunächst einmal ist es ein absolut legitimes Ziel, einen ambitionierten Amateurverein hinter den Kickers als Profiklub in der Stadt zu etablieren. Es geht auch darum, gerade den talentierten Spielern aus der Region eine Plattform auf vergleichsweise hohem Niveau zu bieten – und das in einem Verein, der in nicht-finanzieller Hinsicht viel zu bieten hat.
Reitmaier: Man muss da differenzieren. Die Kickers und auch der FC Schweinfurt 05 haben mittlerweile einen ganz anderen Spielermarkt als der WFV. Das sehe ich prinzipiell positiv für unsere Transferpolitik. Wir können gute Spieler aus der Region zu uns holen, ohne uns finanziell verrenken zu müssen. Wir scheinen hier unsere Position gefunden zu haben.
Was muss passieren, damit sich der WFV wieder die Regionalliga als Ziel stecken kann?
Lang: Ich lasse mich nicht aufs Glatteis führen. Wir werden ganz sicher nicht von der Regionalliga philosophieren, nachdem wir erst vor einem guten Dreivierteljahr den Landesliga-Abstieg abgewendet haben. Wir wollen uns im Umfeld, bei der Infrastruktur und in sportlicher Hinsicht kontinuierlich verbessern. Wenn uns das auch weiterhin so gut gelingt, können wir zu gegebener Zeit über alles andere sprechen.
Die Regionalliga kann den Verein aber schneller einholen, als es ihm vielleicht lieb ist. Aktuell steht das Team mit 35 Punkten auf dem sechsten Platz, die Bayernliga-Tabellenspitze ist noch in Sichtweite . . .
Lang: . . . und damit gilt es sachlich und seriös umzugehen. Wir haben die Regionalliga-Unterlagen angefordert. Bis Mitte April müssen wir uns entscheiden, ob wir sie auch tatsächlich beim Verband einreichen. Wenn die Vorgaben bis dahin umsetzbar erscheinen und es dann noch sportlich realistisch ist, werden wir dies auch tun. Alles andere wäre ein Nackenschlag für die Mannschaft. So oder so kann es ja nicht schaden, den Gesamtaufwand mal zu erfassen und bei den ohnehin anstehenden Umbaumaßnahmen auf unserem Gelände die Anforderungen so gut es geht zu berücksichtigen. Es werden aber keine Kopfstände gemacht.
Ist es vermessen, wenn die Mannschaft und die Fans schon in dieser Saison nach ganz oben schielen?
Reitmaier: Zuallererst ist es mal wichtig, dass wir gut in die Rest-Rückrunde starten. Die Tabelle liest sich aktuell gut, allerdings haben wir auch viele Konkurrenten im Genick. Einer davon ist unser erster Gegner, der FC Sand. Der nächste Schritt sollte also sein, dieses Heimspiel erfolgreich zu gestalten. Das wird schwer genug.
Wie wäre es mit einem neuen Saisonziel, nämlich bester Klub aus der Region in der Bayernliga Nord zu werden?
Lang: Das ist auf jeden Fall realistischer, weil die Spitzenklubs Eichstätt und Aschaffenburg nochmals auf einer anderen Ebene spielen. Aber aus der Region gibt es neben Sand ja noch Aubstadt und Großbardorf, die derzeit beide vor uns stehen. Das zu ändern, wird alles andere als leicht. In jedem Fall üben wir von Vereinsseite keinerlei Druck auf die Spieler aus.
Die Mannschaft steht hinten sehr kompakt und hat mit die wenigsten Gegentreffer in der Liga zugelassen. Im Spiel nach vorne hapert es allerdings oftmals noch. Woran liegt das?
Reitmaier: Dass wir defensiv kompakt stehen, ist sicherlich ausschlaggebend für unseren sportlichen Erfolg. Im Offensivspiel müssen wir noch variationsreicher werden und schneller zum Abschluss kommen. Das Umschaltspiel klappt gerade bei den Auswärtspartien dagegen schon ganz gut. Auch sind wir nicht so leicht ausrechenbar, weil viele Spieler ihre Tore erzielen können. Unsere Trefferquote muss aber definitiv besser werden, daran arbeiten wir auch sehr hart.
Obgleich die Spieler konditionell voll auf der Höhe sind, fehlt bislang in dieser Saison noch ein Last-Minute-Sieg. Geht dem Team die Fähigkeit zum Lucky Punch ab?
Reitmaier: Das glaube ich nicht, auch wenn es Fakt ist, dass wir noch kein spätes Siegtor erzielt haben. Wir haben aber schon mehrmals gezeigt, dass wir bei knappen Spielständen in der Schlussphase noch ein echtes Powerplay aufziehen und uns Torchancen erspielen können. Damit so ein Ding dann halt auch mal reingeht, braucht es natürlich auch das nötige Quäntchen Glück. Wenn wir weiterhin gegen Ende so auftreten, werden wir zwangläufig irgendwann unseren ersten Lucky Punch setzen.