Vor gut vier Wochen erschien die jetzige Situation der Würzburger Kickers in etwa so wahrscheinlich wie die Aussicht, dass die SPD irgendwann einmal in Bayern wird regieren können. Durch den nunmehr fünften Sieg in Serie, dem 4:1 gegen den FC Rot-Weiß Erfurt am Freitagabend, es war der höchste Saisonerfolg und der dritte zu Hause in Folge, ist es nun aber tatsächlich so, dass die Kickers nach der Vorrunde exakt die Punktzahl verbuchen dürfen wie in ihrer ersten Drittligasaison 2015/16. Die war am Ende ja bekanntermaßen mit dem durch zwei Relegationssiege gegen den MSV Duisburg besiegelten Aufstieg in die zweite Liga gekrönt worden.
- Spiel verpasst? Hier finden Sie das Wichtigste im Liveticker!
Ein entscheidender Unterschied tut sich freilich auf im Vergleich zur Situation von vor zwei Jahren: Der Rückstand auf Relegationsrang drei, den damals Aue belegte, betrug zu diesem Zeitpunkt sechs Zähler. Heute sind es bereits elf, und es können 14 Punkte werden, weil der Dritte, Wehen Wiesbaden, erst an diesem Samstag in Aalen antritt.
„Wenn wir auf einem einstelligen Tabellenplatz überwintern würden, das wäre doch schön“, meinte Kickers-Trainer Michael Schiele. Übernachten tun die Rothosen nun zumindest auf Rang zehn, und die Vorrunde beschließen sie im schlechtesten Fall auf Platz elf. „Würzburg hat vorgemacht, wie man da unten rauskommt“, meinte Erfurts Trainer Stefan Emmerling, der an diesem Abend freilich allenfalls rudimentäre Ansätze seiner Mannschaft erkennen konnte, die Hoffnung machen können, weil bei seinen Akteuren der Konflikt zwischen Wollen und Können phasenweise eskalierte.
Schiele hatte seine Startformation lediglich auf einer Position verändert – obwohl die zuletzt gelbgesperrten Sebastian Neumann und Jannis Nikolaou, beide laut dem Trainer „Säulen der Mannschaft“, auch beide wieder hätten mittun können. Schiele aber beorderte nur Kapitän Neumann ins Zentrum der Dreierkette (weshalb Anthony Syhre wieder auf der Bank Platz nehmen musste, neben Nikolaou).
Beim 3:1 in Großaspach zeigte Emanuel Taffertshofer eine bärenstarke Vorstellung – zur Belohnung durfte er auch am Freitagabend von Beginn an ran und bestätigte seine derzeit bestechende Form. Und dass Schiele auf den zweiten defensiven Mittelfeldspieler verzichtete und mit Marco Königs und Orhan Ademi erneut zwei Angreifer auf den Rasen schickte, gab die Marschrichtung an: Vorwärts sollte es gehen.
Und das tat es es auch zu Beginn. Vom Anpfiff weg übernahmen die Hausherren die Hoheit in der Begegnung. Holten in den ersten 100 Sekunden drei Eckbälle heraus und zwangen die Thüringer, die massive Probleme hatten, in die Partie zu kommen, zu mächtig viel Defensivarbeit. Es blieb aber erstmal bei der optischen Überlegenheit der Rothosen, zwingende Chancen vermochten sie sich nicht herauszuspielen. Vor allem über die rechte Seite, auf der Ahlschwede, Göbel und Skarlatidis die Kugel immer wieder mal fein zirkulieren ließen, bauten die Kickers Druck auf. Im Vergleich dazu fiel die linke Seite mit Schuppan und Mast ein wenig ab, was aber auch daran lag, dass der Ball sich eher selten auf ihren Flügel verirrte.
Gerade, als man ein wenig den Eindruck hätte gewinnen können, dass die Erfurter sich genau darauf ein wenig eingestellt hatten, duschten die Kickers sie eiskalt. Nach einer der zahlreichen Balleroberungen von Felix Müller landete das Spielgerät bei Königs, der Ademi klug auf die Reise schickte. Der Schweizer blieb vor Erfurts Kasten in einem den eisigen Temperaturen bestens angemessenem Gemütszustand und erzielte mit seinem sechsten Saisontreffer die überfällige 1:0-Führung der Kickers. „Er hat wieder einen Schritt vorwärts gemacht“, lobte ihn sein Trainer, und der Gelobte selbst glaubt, dass er „von Spiel zu Spiel besser“ in Fahrt kommt. „Wenn dann auch Tore dazukommen, sieht das natürlich auch von außen besser aus.“
Weil die Kickers nach der Führung nicht nachließen und die Erfurter, bei denen der ehemalige Kickers-Stürmer Christopher Bieber in seinen 90 Minuten auf dem Rasen gänzlich unauffällig blieb, eindrucksvoll und nachhaltig unter Beweis stellten, weshalb sie völlig zu Recht auf dem letzten Platz beheimatet sind, war das 2:0 nur eine Frage der Zeit: Nach einer feinen Aktion von Felix Müller über links und dessen Flanke brauchte Patrick Göbel nur noch den Schlappen hinhalten.
Im zweiten Abschnitt sollte sich nicht viel ändern. Zwar versuchten die Erfurter direkt nach Wiederanpfiff, den völlig desolaten Eindruck aus der ersten Hälfte ein wenig zu verwischen, ihr angeblich Gefährlichster, Carsten Kammlott, traf in der 49. Minute auch aus klarer Abseitsposition, weshalb der Treffer nicht zählte. Aber je länger die zweite Hälfte dauerte, in der sich laut Schiele „ein wildes Spiel“ entwickelt haben soll, desto mehr verfielen die Gäste in den Modus der ersten Hälfte und ließen sich ein ums andere Mal foppen wie Thekenbolzer.
Oder ganz einfach ausmanövrieren wie vor dem 3:0, als ein einziger Kopfball von Müller genügte, um die gesamte Erfurter Abwehr aus den Angeln zu heben und Ademi zum zweiten Mal an diesem Abend fast ganz unbehelligt auf den Erfurter Kasten zulaufen konnte und erneut eiskalt blieb. Sein zweiter Doppelpack in Serie.
Im Gefühl des sicheren Sieges erlaubte sich die Kickers-Abwehr kurz darauf eine ihrer wenigen Unachtsamkeiten, die der Erfurter Andre Laurito nach einer Freistoß-Flanke per Kopf zum Ehrentreffer nutzte. „Das Tor darf nicht fallen“, sagte Schiele völlig zu Recht, weil Laurito im Strafraum so allein gelassen worden war, als habe er eine hochgefährliche, ansteckende Krankheit. Der überragende Müller holte kurz vor Ultimo noch einen Elfmeter heraus und verwandelte den gleich auch noch selbst zum hochverdienten 4:1-Endstand. „Ich wollte heute unbedingt noch ein Tor machen, nach dieser Leistung“, sagte der beste Akteur auf dem Platz.
Die Statistik des Spiels Fußball, Dritte Liga Würzburger Kickers – RW Erfurt 4:1 (2:0) Würzburg: Drewes – Ahlschwede, S. Neumann, Schuppan – P. Göbel, Skarlatidis (73. Nikolaou), Taffertshofer, Mast – Fe. Müller (89. K. Wagner) – Ademi (77. Baumann), Königs. Erfurt: Klewin – Menz, Laurito, Möckel, W. Sarr – Razeek (33. Brückner), Biankadi (68. E. Huth), Bergmann (57. Vocaj), Dabanli – Kammlott, Bieber. Schiedsrichter: Jablonski (Bremen). Zuschauer: 5509. Tore: 1:0 Ademi (27.), 2:0 P. Göbel (43.), 3:0 Ademi (71.), 3:1 Laurito (74.), 4:1 Fe. Müller (86./Foulelfmeter). Gelbe Karten: Schuppan (3), Nikolaou (6) / W. Sarr (2), Dabanli (5), Klewin (5).