Fünf Jahre ist es her, dass Reporter des Mitteldeutschen Rundfunks ein Experiment starteten. Sie riefen bei den Fan-Shops verschiedener Fußballvereine an und fragten, ob es dort möglich sei, ihre Trikots mit der Nummer 88 zu beflocken.
Das Ergebnis: Sieben der neun angesprochenen Klubs waren bereit, ihnen den Wunsch zu erfüllen. Nur der FC Bayern und Borussia Dortmund spielten nicht mit. Selbst der offizielle Fan-Shop des DFB lieferte ein Trikot mit der Nummer 88 aus. Als sich die Journalisten später zu erkennen gaben und darauf verwiesen, dass es sich bei der 88 um den Neonazi-Code für „Heil Hitler“ handle, schoben Vereine und DFB die Schuld auf externe Dienstleister. Man wolle sich der Sache aber annehmen.
Initiative vom BFV-Präsidium
Dies ist nun geschehen. Einige Landesverbände, unter ihnen der Bayerische Fußballverband (BFV), haben reagiert und die in Verruf geratene Ziffer auf Trikots verboten. „Die Zahlenkombination 88 wird von der rechten Szene als ,bekannteste‘ versteckte Botschaft auf T-Shirts, Fahnen und Emblemen genutzt und hat, so die Auffassung des BFV, demnach nichts auf einem Fußballplatz verloren“, teilt BFV-Pressesprecher Fabian Frühwirth auf die Anfrage dieser Redaktion mit. Laut Frühwirth ging die Initiative vom BFV-Präsidium aus. Es stellte seine Bewertung auf dem diesjährigen Verbandstag zur Abstimmung, und die Dele-gierten schlossen sich ihr einstimmig an. Ein entsprechender Passus („Die Rückennummer 88 darf nicht vergeben werden“) findet sich seither in Paragraf 26 der BFV-Verbandsspielordnung.
Unmutsbekundungen von Zuschauern
Nach Frühwirths Worten geht es „mit dem jetzt verankerten Verbot auch darum, jedwede Missverständnisse erst gar nicht aufkommen zu lassen und ein Zeichen gegen jedwede Form von Rassismus oder Diskriminierung zu setzen“. Die Zahlenkombination 88 steht stellvertretend für den achten Buchstaben im Alphabet – zweimal acht gilt in der rechten Szene als Botschaft für den verbotenen Gruß „Heil Hitler“. Der Code wird – genau wie die 18, die als Chiffre für Adolf Hitler steht – in der Neonazi-Szene verstanden und genutzt, allerdings eher auf nationaler und internationaler Ebene. Auch Pressesprecher Frühwirth räumt ein, dass – im Verantwortungsbereich des BFV – kein einziger Fall sportgerichtlich verfolgt worden sei, bei dem ein Spieler die 88 genutzt hätte, um eine politische Botschaft zu senden.
„Ganz vereinzelt“ habe es „Unmutsbekundungen von Zuschauern oder gegnerischen Vereinen“ gegeben, wie im Fall des TSV Nürnberg-Buch, über den im Februar 2017 das gemeinsame Internet-Portal von „Nürnberger Nachrichten“ und „Nürnberger Zeitung“ berichtete. Dort lief ein Spieler mit der 88 auf dem Rücken auf – ein Spaß, um den Nachbarverein TS St. Johannis 1988 ein bisschen aufzuziehen, wie er später angab. Die heikle Symbolik sei ihm nicht klar gewesen. Doch nicht alle verstanden den Spaß. Der Fall erweckte auch deshalb Aufsehen, weil der TSV Nürnberg-Buch 1933 von den Nationalsozialisten verboten worden war. Die Reaktion des Klubs folgte prompt: Er zog das belastete Trikot aus dem Verkehr.
Keine politische Botschaft
Die vom BFV kontaktierten Fußballspieler hätten alle versichert, dass sie mit der Zahlenkombination 88 „keine politische Botschaft“ verbreiten wollten, sagt Pressesprecher Frühwirth. Für sie gehe es um ihr Geburtsjahr oder um eine Glückszahl. „Betroffene haben die Trikotnummer nach der entsprechenden Aufklärung getauscht und damit ein klares Zeichen gesetzt.“ Die Schiedsrichter seien vom Verband dazu angehalten, das Verbot gegenüber den Vereinen durchzusetzen. Aber was passiert, wenn ein Spieler doch mit dem Trikot aufläuft? „Dann“, so teilt der Würzburger Kreisschiedsrichterobmann Helmut Wittiger mit, „muss der Schiedsrichter eine Meldung schreiben.“ Wird ein Spiel unter diesen Umständen gar nicht erst angepfiffen? Wittiger zaudert und sagt: „Diese Anweisung besteht derzeit nicht.“
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Ernst Gehling, der langjährige Trainer und heutige Abteilungsleiter der FT Schweinfurt, verweist zwar darauf, dass man mit einer Zahl wie der Doppel-Acht auf dem Leibchen eines Spielers „erst mal nichts Böses in Verbindung bringt“. Aber die Argumentation des BFV hält er durchaus für schlüssig. „Man geht jeglicher Diskussion aus dem Weg und gibt rechtem Gedankengut keine Nahrung. Die 88 gibt es nicht – davon trägt niemand einen Schaden davon.“ Beim FC Eibelstadt, so stellt Trainer Fabian Gärtner fest, habe seiner Erinnerung nach „noch nie jemand mit der 88 auflaufen wollen“. Hinter der Absicht des BFV erkennt Gärtner zwar ehrenwerte Motive, er fragt sich aber, ob das Thema nicht erst dadurch an Bedeutung und Brisanz gewinne, dass man es öffentlich mache.
Schlafende Hunde wecken?
Auch für Markus Stöcker, Sportleiter beim SV Willanzheim, steht fest: „Man weckt dadurch schlafende Hunde. Eine kurze Info des Verbands an seine Vereinsvorsitzenden, dass die 88 nicht mehr gewünscht wird, hätte genügt.“ Komme ein Spieler mit dem Wunsch, die 88 zu tragen, stelle man sich als Vereinsverantwortlicher natürlich immer die Frage: Was steckt dahinter? Selten seien es wirklich rechtsextreme Überlegungen – und in den unteren Spielklassen sei das sowieso eher die Ausnahme.
DFL reagiert schon 2011
Die Deutsche Fußball-Liga hat bereits vor Jahren reagiert: Seit 2011 sind Rückennummern über 40 hinaus nicht mehr erlaubt. Andere Sportverbände sind da liberaler, wie Recherchen dieser Redaktion ergaben. Für den Bayerischen Handball-Verband erklärt der für Rechtsfragen zuständige Vizepräsident Markus Sikora per E-Mail, es habe in den letzten Jahren in Verbindung mit der Ziffer 88 „keine Vorkommnisse“ gegeben, „die der Beachtung und Ahndung bedurft hätten“. In der Spielordnung finde sich zwar ein Passus zur Spielkleidung, „aber nicht mit der Kombination 88“, wie Sikora mitteilt. Ein Verbot ist nicht geplant.
Auch beim Bayerischen Volleyball-Verband sieht man in dieser Sache keinen Handlungsbedarf. „Ich habe bislang nichts von einem Verbot der Nummer 88 im Volleyball-Spielbetrieb gehört“, schreibt der gerade zum Vizepräsident Kommunikation gewählte André Dehler. Eine Änderung müsse ohnedies der Deutsche Volleyball-Verband anstoßen. „Persönlich“ sei er der Meinung, ein solches Verbot erziele „keinerlei Wirkung auf irgendwelche rechtsextremen Strömungen der Gesellschaft“. Der Volleyballsport – weltoffen und integrativ, wie er sei – habe „solche Symbolpolitik“ nicht nötig.
Ähnlich fällt die Auskunft von Robert Daumann aus. Der Höchberger ist Präsident des Bayerischen Basketball-Verbandes (BBV) und stellt fest, es reiche nicht, die Zahl 88 zu verbieten, da auch andere Zahlenkombinationen mit Neonazis verbunden werden könnten. Von der Initiative des Fußball-Verbandes hört er durch unsere Anfrage „erstmals“. Thematisieren werde man das innerhalb des BBV nicht weiter. „Ich sehe bei uns derzeit keine Veranlassung.“