Am Ende dieses verrückten Fußball-Abend, an dem die Emotionen im Tribünen-Viereck am Würzburger Dallenberg schier übergeschwappt waren, war Fabio Kaufmann dann plötzlich ganz gelassen. Dabei ist der Sohn eines schwäbischen Vaters und einer italienischen Mutter nicht eben für seinen Gleichmut bekannt. Auch im Spiel gegen die TSG Hoffenheim hat er Gelb gesehen, weil er sich zu sehr über eine fragwürdige Schiedsrichter-Entscheidung ereifert hatte.
- Kommentar: Ein begeisternder Verlierer
Nach dem 7:8 nach Elfmeterschießen seiner Würzburger Kickers gegen den Erstligisten aus dem Kraichgau, wollte Kaufmann sich noch nicht einmal richtig ärgern. Es war ein Spiel, bei dem Kaufmann ein tragischer Held war, weil er überragend spielte, ein Tor schoss, einen Strafstoß herausholte, in der finalen Elfmeter-Lotterie aber am Gäste-Keeper Oliver Baumann scheiterte. "Ich dachte, ich wäre mehr enttäuscht darüber, dass ich den Elfmeter nicht rein gemacht habe", sagte er. Am Ende aber war die Wucht des Erlebten offenbar größer, als der Frust über den Ausgang. "Eine 120-minütige Liebesgeschichte, für alle, die den Fußball lieben" sei das gewesen, sagte er mit leuchtenden Augen. Es war ein Spiel, das Eindruck hinterließ bei allen Zuschauern und Beteiligten. Viele Partien werden leichtfertig als denkwürdig beschrieben, an dieses Spiel werden sich die, die es gesehen haben, tatsächlich länger als bis zum nächsten Spieltag erinnern.
Sechs Tore, ein verrücktes Hin und Her sowie ein Außenseiter, der, als er bereits bezwungen schien, zweimal aufstand, sich zurückkämpfte und am Ende auch den Sieg verdient gehabt hätte. So kann man das Faszinosum dieses Abends kurz und knapp beschreiben. Es war ein Spiel, das eben all das bot, was diesen DFB-Pokal-Wettbewerb so interessant machen kann – die Entscheidung im Elfmeterschießen inklusive. Geschichten gibt es genug zu erzählen. Nicht nur die vom verhinderten Helden Kaufmann oder vom Debütanten Albion Vrenezi, nach dessen Einwechslung die Partie einen völlig neuen Charakter bekam und der an allen drei Kickers-Toren beteiligt war.
Besonders beeindruckend war die Kulisse. "Ich habe den Dallenberg so noch nicht erlebt. Es hat sich angefühlt, als ob 300000 Zuschauer da gewesen wären", sagte Kaufmann und lieferte – einmal in Fahrt – den Spruch des Tages: "Vielleicht verstehe ich jetzt auch, warum sich ein paar Nachbarn im Wohngebiet beschweren, weil es so laut ist." Spätestens als Luca Pfeiffer in der Verlängerung nach unermüdlichem Anrennen und zwei Lattentreffern tatsächlich noch der 3:3-Ausgleich gelang, bebte der Dallenberg.
Dass dieses Erlebnis nicht noch vom Ergebnis gekrönt wurde, dass am Ende dann doch der Erstligist siegte, entschied sich letztlich im Elfmeterschießen. Zwar hatte Eric Verstappen, bei einer nicht ganz repräsentativen Internetwahl zum Spieler des Spiels gewählt und offiziell ausgezeichnet, immerhin den Versuch von Hoffenheims Lukas Rupp abgewehrt und so den Fehlversuch von Kaufmann erstmal vergessen gemacht. Den zwölften Schuss im Elfmertschießen gab Hendrik Hansen ab. Ob's die Nervosität oder die Erschöpfung war? Auf jeden Fall war der weder sonderlich platziert noch hart getretene Ball eine sichere Beute von TSG-Torwart Baumann - die Entscheidung. Vorwürfe gab es keine. Als einer der ersten tröstete Kickers-Chef Daniel Sauer Hansen auf dem Rasen. Er habe, erzählte Kickers-Trainer Michael Schiele, keine Rangfolge der Schützen festgelegt. Schießen sollte, wer sich gut fühlt. "Als es um die ersten fünf Schützen ging, gingen gleich viele Hände hoch. Das spricht auch für die Mannschaft", so der Coach.
Eben diese Mannschaft hatte zuletzt in der Liga aber drei Mal in Folge verloren. "Wir waren nicht so schlecht, wie es die Ergebnisse sagen", betonte Kaufmann. Der Auftritt gegen Hoffenheim mache Mut: "Wir müssen daran festhalten, was wir können. Wir können und wollen keine langen Bälle ins Nirwana schlagen. Wir wollen Fußball spielen." Und wenn das gegen eine etablierten Erstligisten wie Hoffenheim klappt, dann werde das auch in der Dritten Liga funktionieren, ist der Rechtsaußen der Kickers überzeugt: "In den letzten beiden Jahren sind wir in der Tabelle am Anfang auch so schlecht dagestanden und sind am Ende Fünfter geworden." Dieses Kickers-Selbstverständnis bekräftigte auch Schiele: "Wir greifen wieder an und holen den Sieg eben nächste Woche in der Liga." Dann heißt der Gegner am Dallenberg Preußen Münster.
Und eben nicht TSG Hoffenheim, jene Erstliga-Kicker, die eine ganz starke erste Halbzeit auf den von Gäste-Coach Alfred Scheuder ausdrücklich gelobten Würzburger Rasen hinlegten. 489 Pässe spielten die Hoffenheimer bis zur Pause. So viele wie noch nie ein Team in diesem Wettbewerb seit Start der detaillierten Datenerfassung. Das twitterte der Fußball-Datendienst "opta". Die bisherige Bestmarke hielt der FC Bayern beim 5:1 gegen den Hamburger SV in der Saison 2014/15 (484 Pässe). Die Hoffenheimer ließen eine ganze Weile Ball und Gegner laufen, am Ende freilich war diese Geschichte der Partie schnell vergessen. Was in Erinnerung bleibt, sind die Emotionen der Würzburger.