Es war eine klassische deutsch-amerikanische Liebesgeschichte gewesen, als sich die Würzburgerin Angelika Schwarz in einen in der Bundesrepublik stationierten US-Soldaten verliebte und ihn 1989 heiratete. Drei Söhne gingen aus der Ehe hervor, der gemeinsame Weg führte die Familie Kearse in die Nähe von Seattle im Bundesstaat Washington. Ein klein wenig Würzburg steckte daher im 48. Super Bowl, dem Finale um die Meisterschaft im American Football am Sonntag in New Jersey, als der Halb-Deutsche Jermaine, zweitältester Sohn der Familie Kearse, mit den Seattle Seahawks die Vince Lombardi Trophy gewann.
Noch ist der Name Jermaine Kearse nur ausgewiesenen Football-Experten ein Begriff, doch der bullige 23-jährige Wide Receiver der Seahawks (1,89 Meter groß, 95 Kilogramm schwer, 346 Yards 2013) mit der Trikotnummer 15 hat das Zeug, zu einem ganz Großen seiner Sportart aufzusteigen. Dabei hatte er zunächst Glück, wurde nach dem College nicht über den Draft verpflichtet und versuchte es schließlich als Free Agent. „Er hätte auch woanders hingehen können, aber er wollte in Seattle bleiben und hat das Angebot gerne angenommen“, erläutert Mutter Angelika, die selbst etwa eine Stunde entfernt in Tacoma lebt. Als Absolvent der University of Washington hat Jermaine zudem als eine Art Lokalpatriot das Zeug zum Publikumsliebling.
„Es ist ein brutaler Sport, und ich habe immer Angst, dass Jermaine etwas passieren könnte, aber ich liebe Football einfach.“
Angelika Kearse, Jermaines Mutter und gebürtige Würzburgerin
„Für Jermaine gab es immer nur Football. Wenn er sich etwas in den Kopf setzt, dann erreicht er es auch. Er hat sehr hart gearbeitet“, beschreibt Angelika Kearse die Qualitäten ihres Sohnes. Besonders groß war der Sprung zum Profigeschäft derweil nicht, wird an den amerikanischen Colleges doch bereits unter professionellen Bedingungen Leistungssport betrieben. „Ich bin quer durchs Land geflogen, um mir alle seine Spiele anzusehen. Umso schwerer war es jetzt, beim Finale nicht vor Ort zu sein“, seufzt die 1962 geborene Kearse, die aus gesundheitlichen Gründen bereits verrentet ist und nicht zum Finale reisen konnte – als Einzige aus der Familie.
„Das Gefühl, das ich empfinde, wenn er auf dem Platz steht, ist schwer zu erklären. Selbst wenn ich Jermaine in den Nachrichten sehe, betrachte ich ihn als meinen Sohn und nicht als Football-Profi. Auf jeden Fall bin ich wahnsinnig stolz auf ihn“, so Kearse. Ganz ohne Sorgen kann die Würzburgerin, die ihren Sohn nach wie vor täglich sieht, die Spiele jedoch nicht verfolgen: „Es ist ein brutaler Sport, und ich habe immer Angst, dass Jermaine etwas passieren könnte, aber ich liebe Football einfach.“
Beim Super Bowl kamen schließlich der kleine Bruder und der Stiefvater von Kearse in den Genuss der begehrten Freikarten, während Jermaines früh verstorbener leiblicher Vater den Erfolg nicht miterleben konnte. Auch er wäre jetzt sicherlich stolz auf seinen Sohn, der als einer der jüngsten Spieler in seiner zweiten Saison in der nordamerikanischen Football Liga (NFL) mit zwei Touchdowns in den Play-offs, darunter einem im dritten Viertel des Finales gegen die Denver Broncos, auf sich aufmerksam machte.
Große Freude herrscht natürlich auch im Hause von Jermaines Großmutter Helga Heberlein, die nach wie vor in Würzburg wohnt und sich zusammen mit Ehemann Werner den großen sportlichen Erfolg des Enkels im Fernseher anguckte. Vielleicht wird Jermaine in der Sommerpause die Zeit finden, um Deutschland, wo er ein paar Jahre seiner Kindheit verbrachte und wo sowohl sein kleiner als auch sein großer Bruder geboren wurden, wieder einmal zu besuchen.
Seiner beim Finale abwesenden Mutter konnte Jermaine indes ein besonders schönes Geschenk machen: Der Gewinn des Super Bowls fiel auf ihren 52. Geburtstag. „Er hat mich direkt nach dem Spiel angerufen und konnte gar nicht glauben, dass seine Mannschaft gerade das wichtigste Spiel des Jahres gewonnen hatte.“