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TENNIS: Eine Veitshöchheimerin träumt vom Wimbledonfinale

TENNIS

Eine Veitshöchheimerin träumt vom Wimbledonfinale

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    Zu den Aufgaben von Miriam Bley gehört es auch, aufgebrachte Spielerinnen zu beschwichtigen. Unser Bild zeigt sie bei den Australian Open 2020 in einem Zweitrundenmatch mit der Französin Alize Cornet.
    Zu den Aufgaben von Miriam Bley gehört es auch, aufgebrachte Spielerinnen zu beschwichtigen. Unser Bild zeigt sie bei den Australian Open 2020 in einem Zweitrundenmatch mit der Französin Alize Cornet. Foto: Foto: Hannah Peters, Getty Images

    Miriam Bleys gute Laune und auch der Stolz halten schon einige Wochen an und werden wohl so schnell auch nicht verschwinden. Das hat gute Gründe: Miriam Bley darf sich zur Weltspitze zählen und ist obendrein Deutschlands Beste. Die Veitshöchheimerin erhielt am 18. Dezember 2019 von der International Tennis Federation (ITF) eine E-Mail mit den Glückwünschen zur Verleihung des „ITF Gold Badge Chair Umpire“, der höchsten Auszeichnung für eine internationale Tennis-Schiedsrichterin. „Die E-Mail habe ich geöffnet, wieder geschlossen und nicht kapiert, was eigentlich los ist“, erinnert sich Bley und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.

    Dieser Vorgang wiederholte sich rund zehn Mal, erzählt Bley, bis ihr die Bedeutung des Inhalts bewusst wurde. Mit dieser Verleihung stieg sie in die Elite auf und ist nun eine von insgesamt 27 Tennis-Schiedsrichtern weltweit mit Goldstatus, darunter elf Frauen. In Deutschland ist sie die erste Frau, die diese Auszeichnung erhielt. Aktuell gehört nur noch Nico Hellwert dieser Schiedsrichter-Kategorie an.

    Wie es ist, die Einzige zu sein, weiß sie seit der Verleihung des „Silver Badge“ im Jahr 2014. Damals war sie die erste Frau in Deutschland mit diesem Status, der ihr ebenfalls wie jüngst das „Gold Badge“ aufgrund guter Leistungen verliehen wurde. Das war im Dezember beim jährlichen Recertification Meeting in London. Vertreter der ATP (Association of Tennis Professionals), WTA (Women Tennis Association), ITF und der Grand Slams (die vier bedeutendsten Turniere der Welt) treffen sich dort, um anhand der über das Jahr von allen ITF-lizenzierten Offiziellen erfolgten Beurteilungen zu bündeln und bei überzeugenden Leistungen in ausgewählten Fällen eine Promotion, sprich Beförderung wie bei Miriam Bley auszusprechen.

    Beförderung nach Beobachtung

    Stuhlschiedsrichter werden, wie etwa auch Fußball-Referees, ab und zu während ihrer Partien beobachtet. Beurteilt werden dann der Gesamteindruck und die Präsenz auf dem Stuhl. Die Abläufe während eines Matches kennt Bley wie im Schlaf. Würde man die Lehrerin für Sport und Englisch – nach ihrer Ausbildung entschied sie sich für die Laufbahn als Profi-Schiedsrichterin – nachts wecken und ihr die Grundtechniken abverlangen, kein Problem. Auf einen abgeschlossenen Ballwechsel folgen beim Referee: Anschauen des Punktverlierers, des Spielverlierers, das Beobachten des Spielverlierers auf dem Weg zur Bank beim Seitenwechsel und des Rückschlägers kurz bevor der Gegner aufschlägt, um sicherzustellen, dass er bereit war.

    Nach einem gespielten Punkt wird dann zuerst der Punkt ins Tablet eingegeben. Dann folgt die Ansage des Spielstands, während gleichzeitig der Punktverlierer angeschaut wird. Sobald der Spielstand angesagt ist, muss seit neuestem die sogenannte „Shot clock“ gestartet werden, die jene 25 Sekunden anzeigt, die den Spielern nach einem beendeten Punkt für den nächsten Aufschlag bleiben. Bei einer elektronischen Ballüberwachung – bekannt ist hier das Hawk-Eye – wird erst die Ansage dafür gemacht und das Ergebnis ins Tablet eingegeben.

    Mit dem Ritterschlag für Tennis-Schiedsrichter ist Bley ganz oben angekommen. Als Mitglied des WTA- (Women Tennis Association) Teams, dem sie seit 2019 angehört, hat sie als Trägerin des „Gold Badge“ die lang herbeigesehnte Möglichkeit, einmal ein Finale bei einem der vier Grand Slam Turniere vom „besten Platz auf dem Platz“ aus zu schiedsen, wie sie es gerne bezeichnet. Einem solchen Match fiebert die Veitshöchheimerin regelrecht entgegen, würde sich damit für sie doch ein lang gehegter großer Traum erfüllen.

    Davor hat Bley noch ein Etappenziel vor Augen: einmal für eine Parte auf dem Centercourt von Wimbledon – ihrem Lieblingsturnier – eingeteilt zu werden. „Da würde ich sogar als Ballkind hingehen“, schwärmt sie mit verklärtem Blick: „Diesem Turnier kann nichts den Rang ablaufen“. Die Wettbewerbe in Australien laufen da wesentlich lockerer ab. Erst jüngst kehrte Bley von der sechswöchigen Down-Under-Tour zurück, die sie von den Turnieren in Adelaide und Brisbane nach Melbourne, zu den Australien Open, und dann einem Abstecher nach Thailand führte.

    Der Jahresverlauf hält für die 35-Jährige noch viel Abwechslung bereit: Davis-Cup, Turniere in Amerika, die Sandplatzwettbewebe mit einer Woche French Open und die Rasensaison in Europa mit Wimbledon, bevor als Krönung die Olympischen Spiele in Tokio an der Reihe sind. In der verbleibenden Zeit kümmert sich Bley gerne auch um den Nachwuchs. Denn der fehlt. Bley ist bei der WTA Ansprechpartnerin für die „White Badges“, die weltweites Schiedsen ermöglichen.

    160 000 Flugkilometer im Jahr

    Im Jahr kommen leicht rund 160 000 Flugkilometer zusammen. Im Augenblick begleitet die Veitshöchheimerin auf ihren Tennisreisen ein wenig Unsicherheit aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus. Aber Bley sieht das relativ entspannt, hält sich an die Hygiene-Tipps und wartet ab, ob es zu weiteren Absagen wie beispielsweise der Turniere in China bis April kommt. Die vielen Reisen bedeuten viele Wochen im Jahr ein Leben aus dem Koffer, das ihr jedes Jahr Ende November auch immer wieder auf die Nerven geht. Wie gut, dass ihr australischer Ehemann Tom Sweeney, den sie auf einem Lehrgang kennenlernte und im Oktober 2017 heiratete, den gleichen Beruf – aktuell das „Silver Badge“ – hat und ebenfalls dem WTA-Team angehört. Mit einem Zuhause in Melbourne und einem in Würzburg sind sie im Jahr gemeinsam mindestens 20 Wochen rund um den Globus unterwegs. So verbinden sich die beiden größten Leidenschaften des Paares: Tennis und Reisen. Zwar nicht 194 Länder, wie sie Mark Forster in seinem Lied besingt, aber immerhin rund 57 haben sie bereits kennengelernt.

    Mittlerweile hat Bley auch bei den Tennisprofis einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. „Sie sehen nicht mehr nur den blonden Pferdeschwanz“, erzählt sie. Platz für Freundschaften ist allerdings nicht, denn „man muss Distanz wahren“, erklärt sie. Über ein „Hallo, wie geht?s“ geht es meist nicht hinaus. Dabei hat die passionierte Tennisspielerin so gut wie alle Spielerinnen der Top 100 schon live erlebt und ihnen die Hand geschüttelt. Sollte sie irgendwann einmal keinen Spaß mehr am Schiedsrichter-Beruf und Tennissport haben, ist bereits ein Plan in ihrem Hinterkopf gereift: „Dann eröffnen wir ein kleines Café an einem der schönsten Plätze dieser Welt.“ Den dürfte sie bis dahin auf jeden Fall gefunden haben.

    Der Weg zum internationalen Tennis-Schiedsrichter Die Karriere eines Stuhlschiedsrichters beginnt immer auf nationaler Ebene. In Deutschland besteht zum einen die Möglichkeit, sich in den Landesverbänden über Seminare und Praxistests eine Lizenz als C-Schiedsrichter zu erwerben. Ein weiterer Weg ist der über den DTSV über die sogenannten „JuniorGroup“. Wer sich aus einer dieser beiden Gruppen empfiehlt, wird zum B-Schiedsrichter ausgewählt. Mit einer B-Lizenz kann man neben nationalen auch internationale Matches des ITF Pro Circuit betreuen. Nach der B-Lizenz kann man die A-Lizenz als höchste deutsche Schiedsrichter-Berechtigung erwerben. Für die A-Lizenz werden in der Regel zwei Jahre veranschlagt. Auf Empfehlung des jeweiligen Verbandes geht es international in den Schulen der ITF weiter. Dort kann man als nächstes das „ITF Green Badge“ (optional), das „White Badge“ und anschließend das „Bronze Badge“ erwerben. Damit ist der Weg zur weltweiten Schiedsrichtertätigkeit geebnet. Auf das „Bronze Badge“ folgen als höchste Lizenzen das „Silver Badge“ und final das „Gold Badge“. Diese beiden höchsten Lizenzen werden nur über einmal am Ende jeden Jahres stattfindenden Recertification Meetings verliehen und können nicht durch Schulungen erworben werden, sondern nur aufgrund guter Leistungen. Um diesen Status zu halten, muss eine Mindestanzahl an Matches – 75 pro Jahr – geschiedst werden. Für die Grand Slam Turniere ist eine Bewerbung ein halbes Jahr vorher notwendig. (kim)

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