Klick, klock, klick, klock, klick, klock – in seinen Ohren ist das Musik! Und wer ihn spielen sieht, der wohnt einer großen Symphonie bei. Denn an der Platte zaubert er wie sonst kaum einer in Europa: Tischtennis-As Timo Boll. Fast alles, was es zu gewinnen gibt, hat der 36-Jährige schon gewonnen. Am Dienstagabend aber war er – wie rund 200 geladene Gäste – ins Würzburger Vogel Convention Center gekommen, um andere Preisträger zu feiern. Bei einem Gala-Abend würdigte die Mediengruppe Main-Post die Gewinner der jährlichen Fair-ist-mehr-Aktion, die von der Rechtsanwaltskanzlei Bendel & Partner unterstützt wird.
Tischtennis-Superstar und Olympia-Fahnenträger Boll verzichtete an diesem Abend beim verbalen und sportlichen Duell mit Natalie Greß und Kai Dunkel, Main-Post-Redakteure und Moderatoren des Abends, auf die ganz große Symphonie. An der Platte hielt er die – mit Schläger, Topf und Bocksbeutel geschlagenen – Bälle flach, während ihn die Journalisten mit Fragen löcherten. Eine eigene Unterwäsche-Kollektion wie der englische Ex-Fußball-Star David Beckham hat der 36-Jährige, der in China zum bestaussehensten Sportler gewählt worden war, zwar nicht.
Dafür sind sein Fleiß und sein Ehrgeiz längst genauso legendär wie seine Lockerheit und Fairness. Im Achtelfinale der Weltmeisterschaft 2008 hatte der gebürtige Erbacher eine Schiedsrichterentscheidung zu seinen Ungunsten korrigiert – und war am Ende ausgeschieden. Dieses gerechte und anständige Verhalten ist es, das den Ehrengast mit den ausgezeichneten Sportlern aus der Region verbindet.
Handspiel zugegeben
Denn dass für ihn Fairness wichtiger ist als ein Sieg, hatte auch der mit dem ersten Preis ausgezeichnete U-15-Fußballer Luca Nüse von der FG Marktbreit im Mai vergangenen Jahres bewiesen. Im Kreisliga-Spiel gegen die JFG Schwanberg hatte er gegenüber dem Unparteiischen sein Handspiel zugegeben und damit auf den vom Schiedsrichter bereits gegebenen Siegtreffer verzichtet. Das Spiel endete 1:1. „Zu gutem Sport gehört Fairness“, sagte Franziska Liebhardt, die den mit 1500 Euro dotierten Preis übergab. Die 35-Jährige hatte bei den Paralympics in Rio 2016 Gold im Kugelstoßen und Silber im Weitsprung gewonnen. Ein Wunder. Denn rund acht Jahre zuvor war die Wahl-Würzburgerin an einer unheilbaren Autoimmun-Krankheit erkrankt, war fast schon tot.
In letzter Sekunde hatte ihr eine Lungentransplantation das Leben gerettet – und ihr ein neues geschenkt. Ein Grund, warum sie sich bis heute intensiv für den Verein „Sportler für Organspende“ engagiert.
Auf Liebhardts Genesung folgte eine beispiellose Karriere. Die gelernte Physiotherapeutin wandte sich der Leichtathletik zu, genauer dem Weitsprung und dem Kugelstoßen. 2014 gewann sie bei den IPC-Europameisterschaften Silber und Bronze, ließ 2016 Gold und Silber bei den Europameisterschaften folgen. Mittlerweile hat die beeindruckende junge Frau ihre Leistungssport-Laufbahn, die ihr noch Jahre zuvor kein Arzt zugetraut hätte, beendet. Seitdem ist sie eine begehrte Vortragsrednerin. Viele Menschen berührt ihre Geschichte und der Umgang, den sie mit ihrem Schicksal gefunden hat. Sie hat etwas zu erzählen. Und eine wie sie kann definitiv Werte vermitteln.
„Dem Gegner gegenüber unfair zu sein, ist auch Betrug an sich selbst“, sagte Liebhardt in ihrer Laudatio und stieß damit auf offene Ohren. Denn für den 15-jährigen Luca Nüse scheint diese Weisheit – wie er mit seiner Aktion bewiesen hat – bereits eine Selbstverständlichkeit zu sein: „Ich habe nicht überlegt, ich bin einfach direkt zum Schiedsrichter gegangen.“ Seine Mannschaftskollegen brachten seinem Verhalten zunächst wenig Verständnis entgegen. „Letztendlich haben sie es aber kapiert“, sagte der junge Preisträger, der mit einem Augenzwinkern erzählte, dass er noch immer auf den vom Trainer versprochenen Kasten Spezi wartet.
„Eure Aktion zeigt Reife“
Mit dem mit 1000 Euro ausgelobten zweiten Preis wurde bei der Fair-ist-mehr-Gala nicht ein Einzelner, sondern die weibliche Handball-B-Jugend der HSG Volkach ausgezeichnet. Die Handballerinnen hatten in der Partie gegen den TSV Karlstadt eine der ihren vom Feld genommen und die Partie Sechs gegen Sechs bestritten. Der Grund: Eine Spielerin der Gäste hatte sich nach 14 Minuten verletzt und der TSV keinen Ersatz dabei.
„Für mich seid ihr keine Mädels, sondern junge Damen. Eure Aktion zeigt eure Reife“, sagte Laudator Stefan Schmitt, Kapitän der Zweitliga-Handballer der DJK Rimpar Wölfe. Er betonte, dass er aus eigener Erfahrung wisse, dass so eine Geste alles andere als selbstverständlich sei: „Das war eine geile Aktion der Volkacher Mädels.“ Dem konnte HSG-Trainerin Alex Tran-Anh nur zustimmen: „Ich bin ziemlich stolz auf meine Mädels. Man weiß nur, ob man gut ist, wenn man unter gleichen Voraussetzungen antritt.“ Spielführerin Anna Schlachter erklärte: „Es war für die ganze Mannschaft gleich selbstverständlich, so zu handeln. Das haben uns unsere Trainer so vorgelebt.“
Vorbildliche Faustballer
Auf Vorbilder konnten sich auch die Faustballer des TV Oberndorf/Schweinfurt berufen. 1997 hatte der heutige Trainer Joachim Sagstetter den Fair-ist-mehr-Wettbewerb gewonnen, weil er gegenüber dem Schiedsrichter einen Fehler zugegeben und in Kauf genommen hatte, dass sein Team daraufhin ein Spiel verlor. In diesem Jahr nun zeichnete Siegfried Kaidel, Präsident des Deutschen Ruderverbands und Sprecher der Olympischen Sportverbände, Sagstetters Spieler Oliver Bauer mit dem dritten Preis aus.
Der Faustballer aus Oberndorf hatte im Juli vergangenen Jahres beim Turnier um den Champions-Cup – wie einst Sagstetter – den Schiedsrichter korrigiert und auf einen Regelverstoß seinerseits hingewiesen. Mit diesem Verhalten hatte er auf einen bereits gegebenen Punkt verzichtet. „Fairness ist das oberste Prinzip für alle Sportarten“, sagte Kaidel. Bauer konnte den mit 500 Euro dotierten Preis am Dienstagabend allerdings nicht selbst entgegennehmen, sondern wurde durch seinen Mannschaftskameraden Maximilian Lutz vertreten. Der war dann auch mittendrin als es von allen Anwesenden noch ein Geburtstagsständchen für Kaidel gab. Der Grafenrheinfelder hatte es sich nicht nehmen lassen, an seinem Ehrentag als Laudator aufzutreten.
Ebenfalls ins Vogel Convention Center gekommen war der Headcoach von Basketball-Bundesligist s. Oliver Würzburg, Dirk Bauermann. Der wollte zwar nur ungern über seine derzeit nicht gerade erfolgreiche Mannschaft, dafür aber umso lieber über die Aktion von Christoph Rausch reden. Der bekam den mit 500 Euro dotierten Jugendpreis.
Im April vergangenen Jahres hatte der 26-Jährige, damals U-13-Coach beim TSV Gerbrunn, bei der Partie gegen den SC Heuchelhof einen Spieler vom Platz genommen, da die Gäste nur zu acht statt – wie in der U13 üblich – zu neunt hatten antreten können.
„Fairness“, so hatte es Kaidel zuvor in seiner Laudatio formuliert, „ist die Kunst, sich in den Haaren zu liegen, ohne die Frisur zu zerstören. Erfolg ist schön. Aber fair ist mehr!“ Mitarbeit: dUNK