Seit Montag bestreitet die Fußball-Nationalmannschaft Mosambiks in der Sportschule Oberhaching ein zehntägiges Trainingslager. Nationalcoach Gerd Engels (55), früherer Profi von Borussia Mönchengladbach, und seine „Mambas“ haben einen großen Traum: Sie wollen sich für die WM 2014 in Brasilien qualifizieren. An diesem Samstag steht in Würzburg das letzte Test-Länderspiel gegen Namibia auf dem Programm (14 Uhr, DJK-Sportzentrum an der Frankfurter Straße), ehe in der WM-Qualifikation am 1. Juni Ägypten wartet. Im Interview spricht Engels über seine Arbeit als Nationaltrainer, das Länderspiel in Würzburg und den Traum von der ersten WM-Teilnahme in der Geschichte Mosambiks.
Frage: Sie haben schon reichlich Auslandserfahrung als Trainer gesammelt, waren mehr als 20 Jahre in Japan tätig, haben bei den Urawa Red Diamonds als Co-Trainer von Guido Buchwald die japanische Meisterschaft und den Pokal gewonnen. Seit Oktober 2011 sind Sie Nationaltrainer von Mosambik, welche Erfahrungen haben Sie dort bisher gemacht?
Gerd Engels: Das war für mich totales Neuland. Ich habe zwar lange in Japan und Korea gearbeitet, aber vor meinem Amtsantritt in Mosambik war ich noch nicht einmal in Afrika. Außerdem hatte ich bis dato nur Vereinsmannschaften und noch keine Nationalmannschaft trainiert. Das ist natürlich ein Unterschied. Beim Verein stehst du jeden Tag auf dem Platz. In Afrika ist das alleine von der Organisation her ganz anders als zum Beispiel in Japan. Da musst du dich möglichst selbst um alles kümmern, die Organisation, Verwaltung und Struktur verbessern. Von alleine läuft da wenig. Daran musste ich mich gewöhnen.
Der große Traum ist die Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Mosambik war noch nie bei einer WM dabei. In der Gruppenphase der Qualifikation trifft Ihre Mannschaft auf das afrikanische Fußball-Schwergewicht Ägypten sowie Simbabwe und Guinea. Nur der Gruppenerste qualifiziert sich für die letzte Runde und hat in zwei Entscheidungsspielen dann die Chance auf einen der fünf afrikanischen Startplätze. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Engels: Das wird logischerweise sehr schwer. Man muss Gruppensieger werden, und das ist schon einmal die größte Hürde. Ägypten ist eine ganz heiße Nummer. Die Spiele gegen Simbabwe und Guinea werden ebenfalls nicht leicht, beide stehen in der Weltrangliste auch vor uns. Erschwerend kommt noch hinzu, dass ich gerade erst angefangen habe, mit den Spielern zu arbeiten. Wenn wir nach Ägypten fliegen, hatte ich gerade einmal drei Pflichtspiele und zwei Vorbereitungsspiele mit der Mannschaft. Auf der anderen Seite sind die Ägypter bedingt durch die Umstände im Land jetzt schon sehr lange zusammen im Trainingslager. Vielleicht ist da ja so ein kleiner Lagerkoller entstanden. Das könnte unsere Chance sein. Dennoch: Es wird sehr schwer, als Nummer eins aus dieser Gruppe rauszukommen. Aber es ist natürlich ein Traum, zu dieser WM zu fahren. Und im Fußball ist bekanntlich alles möglich. In erster Linie wollen wir aber eine junge Mannschaft aufbauen.
Aktuell bereiten Sie sich mit Ihrer Mannschaft auf das Spiel gegen Ägypten vor. Warum haben Sie für das Trainingslager die Sportschule Oberhaching ausgewählt?
Engels: Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) hat schon lange ein sehr gutes Verhältnis zu Mosambik. Die Kooperation besteht seit 2005. Unsere Nachwuchsmannschaften waren mehrfach zum Jugendaustausch in Bayern, und erst im Februar war die bayerische U-16-Auswahl in Mosambik. So gibt es natürlich auch enge Kontakte zur Nationalmannschaft. Die Bedingungen in der Sportschule des BFV sind optimal, das hat mir unser Technischer Direktor Torsten Spittler bestätigt, der ja lange Verbandstrainer beim BFV war. Etwas heißer könnte es sein. Der Flug von München nach Kairo ist auch viel kürzer als von Maputo über Johannesburg nach Ägypten. Die Strapazen halten sich in Grenzen. Von hier aus ist das eine normale Auswärtsbelastung.
Höhepunkt des Trainingslagers ist das Testspiel gegen Namibia am Samstag in Würzburg. Ist der Gegner – verglichen mit Ägypten – ein würdiger Maßstab, um wichtige Erkenntnisse aus diesem Spiel ziehen zu können?
Engels: Wir haben unter denkbar schlechten Bedingungen gegen Namibia vor drei Monaten 0:3 verloren. Allerdings fehlten mir da aus verschiedenen Gründen einige meiner Stammspieler. Außerdem sind wir erst 20 Minuten vor Anpfiff im Stadion angekommen. Das war alles andere als ideal. Aber das ist Afrika. Wenn beide Mannschaften in Topbesetzung antreten, sehe ich uns etwa auf dem gleichen Niveau. Vielleicht haben wir sogar kleine Vorteile. Allerdings ist Ägypten natürlich eine andere Hausnummer. Aber wir nehmen Namibia als letzten Test gerne wahr und auch sehr ernst, obwohl wir noch nicht ganz komplett sind. Ich warte noch auf vier Stammspieler.
Sie und Ihr Trainerstab entdecken immer wieder das ein oder andere Juwel. Eines dieser Talente ist der 17-jährige Clésio Bauque, der gleich in seinem ersten A-Länderspiel gegen die Komoren einen Treffer erzielt hat. Wie werden Sie auf solche Spieler aufmerksam?
Engels: Es ist natürlich ein Vorteil für mich, dass Torsten Spittler schon seit fast drei Jahren in Mosambik arbeitet und im Bereich Talentförderung und Junioren-Nationalteams viel gemacht hat. Durch seine Hände ist Clésio Bauque schon gelaufen. Er konnte mir auch Informationen zu vielen anderen jungen Spielern geben. Ich habe mir inzwischen selbst eine ganze Menge Spiele angesehen. Dann fallen einem schon die Jungs mit Potenzial auf. Manchmal hat man eine Eintagsfliege dabei und das andere Mal hat man das richtige Auge gehabt. In Ländern wie Mosambik ist die Chance sehr groß, als neuer Trainer neue und junge Spieler zu integrieren. In Deutschland wäre das wahrscheinlich nicht so einfach. Natürlich kann da ein neuer Trainer auch den ein oder anderen neuen Spieler mitnehmen, aber der Kader wird sich nicht groß verändern. In Afrika gibt es, bis auf wenige Ausnahmen, keine Stars. Da kann sich einiges ändern, so wie in unserem Fall. Ich habe zwar noch einige alte Kräfte, aber wir haben jetzt eine sehr junge Mannschaft. Um auf das Niveau zu kommen, wo wir hin wollen, muss man den Spielern noch etwas Zeit geben.
Der BFV hat im Zuge seines Sozialprojekts außerdem in einem Armenviertel der Hauptstadt Maputo einen Fußballplatz gebaut, und er unterstützt auch mehrere Grundschulen. Was halten Sie von diesem Engagement?
Engels: Bildung ist ganz wichtig, wenn man sieht, wie viele Kinder in Mosambik arbeiten, auf der Straße Sachen verkaufen oder Autos waschen. Beim Fußball muss man auch aufpassen, dass die Bildung nicht vernachlässigt wird, besonders wenn ein Fußballer erfolgreich ist. Auch die Fußballakademie des mosambikanischen Verbandes, die vom BFV unterstützt wird, ist eine tolle Sache. Da kommen die Kinder am Vormittag in die Schule und am Nachmittag trainieren sie. Für das weitere Leben ist diese duale Ausbildung ganz entscheidend, gerade für alle Jugendlichen, die später nicht den Sprung in den Profifußball schaffen. Das gibt ihnen ein ganz anderes Erscheinungsbild, wenn sie sich für eine Arbeitsstelle bewerben. Da sieht der Arbeitgeber: Der kann beißen, der macht was, der will sich weiterentwickeln. Die Hilfe aus Deutschland ist für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in Mosambik immens wichtig.
Rund um das Länderspiel
Der Eintrittspreis für das Länderspiel zwischen Mosambik und Gambia am Samstag (14 Uhr, DJK-Sportzentrum an der Frankfurter Straße) beträgt sechs Euro (ermäßigt drei Euro). Von allen verkauften Eintrittskarten geht jeweils ein Euro an die BFV-Sozialstiftung. Mit diesem Beitrag unterstützen die Fußballfans das Afrika-Engagement des BFV. Bis jetzt konnten in Mosambik bereits ein Brunnen und ein Fußballplatz gebaut sowie mehrere Grundschulen mit Sportausrüstung und Schulmöbeln ausgestattet werden.
Auch beim Africa Festival auf den Mainwiesen ist der Bayerische Fußball-Verband (BFV) am Pfingstwochenende mit einem Infostand zu seinem Sozialprojekt Mosambik vertreten. Zudem können alle Besucher an der BFV-Torschussmessanlage ihre Schusskraft unter Beweis stellen.