Mario Stabel hatte eine nervöse Nacht hinter sich. „Ich konnte nicht schlafen“, erzählt der 28-jährige Thüngersheimer. Er ist glühender Anhänger des FC Bayern München, hat sich im Laufe der Zeit mit allerlei Fanartikeln eingedeckt und liegt in Bettwäsche seines Lieblingsvereins. Morgens um acht war Stabel in zwei Kleinbussen mit seinen Jungs vom Bayern-Fanklub der Lebenshilfe Würzburg nach Rieden gefahren, um eines seiner Idole zu treffen, das er bisher nur aus dem Fernsehen oder von den Sitzschalen des Olympiastadions kannte.
Giovane Elber, der einstige Bundesliga-Stürmer, Champions-League-Gewinner, Nationalspieler Brasiliens und mit vielen weiteren Erfolgen dekorierte 37-Jährige, hatte sich – wie schon vor zwei Jahren – mit behinderten Menschen zu einer Trainingseinheit verabredet. Die Kicker der Lebenshilfe, des St.-Josefs-Stifts Eisingen, des Würzburger Erthal-Sozialwerks und des Zentrums für Körperbehinderte standen diesmal einen Vormittag mit dem Star auf dem Platz. Der Riedener Bruno Rath hatte das Treffen eingefädelt. „Wir fiebern seit zwei Monaten auf diesen Tag hin“, sagte Matthias Schneider, der Trainer der Spielgemeinschaft des St.-Josefs-Stifts und des Erthal-Sozialwerks.
Mario Stabel ist für neun Uhr Morgen ziemlich aufgeweckt – anders als das verschlafene 740-Einwohner-Dorf im nördlichen Landkreis. Als Elber, der während seiner drei Tage in Deutschland auch Geld für seine Stiftung zugunsten brasilianischer Straßenkinder sammelte, die Stufen zum Sportplatz hinuntertrippelt, stehen die 20 Spieler ehrfürchtig Spalier. Doch die Distanz ist rasch überwunden. Der einstige Angreifer, der nach der aktiven Karriere eine Rinderfarm in seiner Heimat führt und für den FC Bayern in Südamerika Spieler sichtet, versteht sich sofort mit den Trainingskollegen. Die meisten haben Bayern-Klamotten an, Pulli, Trikot oder Hose – Mario Stabel selbstverständlich auch. „Bei einer solchen Sache können sich die Jungs vollkommen entfalten“, sagt Günter Czeguhn von der Lebenshilfe. „Mario ganz besonders, er hat im Fußball großes Hintergrundwissen.“
Und Stabel, der bei den Mainfränkischen Werkstätten in der Metallverarbeitung beschäftigt ist, ist auch kein schlechter Spieler. Er kann beim Dribbling mit dem Ball umgehen und hat einen kräftigen Schuss. Bis zur B-Jugend kickte er beim FV Thüngersheim. Im Trainingsspiel, bei dem Elber eine Halbzeit lang in jedem Team mitmischt und das 2:2 endet, trifft Stabel zweimal. „Mario, Fußballgott!“, ruft ein Mitspieler euphorisch. Und wie ein Profi jubelt er auch schon: Nach jedem Tor hält er im Stile Luca Tonis seine Hand ans rechte Ohr. Nicht nur in solchen Momenten zeigt Stabel Gefühle und ist wie alle anderen mit viel Einsatz bei der Sache. Als ein Teamkamerad ihm freistehend das Zuspiel verweigert, steigt der Ärger in ihm hoch. Wild schwenkt Stabel die Arme und plärrt seinen Kumpel an. „Ich kann mich aber auch beherrschen“, sagt er später. „Es geht ja vor allem um den Spaß.“
Den hatte in Rieden auch Giovane Elber, der sich mit jedem fotografieren ließ und drei Kartons voller Autogrammkarten unterschrieb. „Ich komme gerne hierher“, sagte Elber. „Manchen kenne ich schon von vor zwei Jahren.“ Beim ausgelassenen Treiben auf dem Rasen gab er unfreiwillig auch eine unglückliche Figur ab: Statt in Stollenschuhen war er in profillosen Tretern aufgelaufen. Beim Versuch, den Ball zu stoppen, rutschte er über den feuchten Boden und legte sich unsanft auf den Rücken. Und dann ließ sich Elber auch noch sein Trikot abschwatzen. Zur Belohnung hatte er Mario Stabel für die beiden Treffer sein Brasilien-Shirt versprochen. „Giovane Elber ist ein toller Mensch und sehr sympathisch“, sagte Stabel begeistert und mit seinem Souvenir in der Hand. „Es sollte noch mehr Prominente geben, die sich für behinderte Menschen engagieren.“ Nicht nur für Mario Stabel war es ein schöner Tag.