Wo anfangen beim Rückblick auf dieses Spiel, in dem in der Schlussphase die Emotionen kübelweise vergossen wurden. Vielleicht am besten beim Trainer des siegreichen VfL Bochum. 2:1 (0:1) hatte Gertjan Verbeeks Team den FC Würzburger Kickers besiegt. Dabei hatte es lange Zeit für den Ruhrpott-Klub nach einem trüben Nachmittag ausgeschaut. Die Kickers führten durch ein vom gebürtigen Bochumer Rico Benatelli zumindest erzwungenes Eigentor (Tim Hoogland, 26.) mit 1:0, bis die eingewechselten Tom Weilandt (84.) und Dominik Wydra (87.) die Partie noch drehten. Die Erleichterung über diesen ersten Dreier des Jahres war beim Pott-Verein allüberall zu spüren: Die Fans tanzten auf den Rängen, VfL-Akteur Selim Gündüz schrie im Gang zur Kabine seine Freude lauthals heraus und trommelte dabei mehrmals gegen die Wand.
Die Noten der Roten: Die Kickers in Bochum in der Einzelkritk
Verbeek hatte den Sieg eingewechselt. Nun saß der Niederländer also auf dem Podium der Pressekonferenz und sagte: „Ich muss Entscheidungen treffen, um der Mannschaft zu helfen. Dafür werde ich sehr gut bezahlt. Ich bin aber kein besserer oder schlechterer Trainer, weil wir jetzt gewonnen haben.
“ Verbeek stand in dieser Saison in Bochum schon oft in der Kritik. Der Ex-Erstligist hinkt den Ansprüchen von Anhang und Umfeld hinterher. Nach so einem Sieg aber redet es sich leichter.
Kickers-TV: Die PK nach dem 1:2 in Bochum
Ein paar Meter weiter saß Bernd Hollerbach auf dem Podium. Der Vater des Würzburger Fußballmärchens, der die Kickers hinaufgeführt hat in die zweite Liga. Dort haben die Würzburger bislang – das darf man noch immer so sagen – alle Erwartungen übertroffen. In der Tabelle stehen sie trotz der Niederlage vor Bochum. Der Kickers-Trainer wird jetzt trotzdem ganz andere Sachen als der Siegertrainer Verbeek gefragt. Nämlich nach dieser komischen Serie von späten Gegentoren. In den ersten vier Zweitliga-Partien des Jahres 2017 kassierten die Kickers sechs Treffer. Alle fielen ab der 80. Spielminute. Insgesamt gaben die Kickers durch diese Tore noch sieben Punkte aus den Händen. Vier Spiele und nur ein Punkt. Droht jetzt der Absturz?
„Vielleich haben wir im Winter ja zu wenig trainiert“, flüchtete sich Hollerbach am Samstag erst einmal in Ironie. Hollerbach und zu wenig trainiert? Wer wollte das schon unterstellen, bei diesem Coach, der den Ruf besitzt, ganz besonders viel Wert auf die Fitness zu legen. Eine rechte Erklärung hat er für die späten Gegentore auch nicht. „Zu oberflächlich“ findet er es, von einer Serie zu sprechen. Die Ursachen für die späten Tore seien schließlich bei jedem der vier Partien wieder andere gewesen.
Den Abend nach der Partie verbrachte der Kickers-Trainer vor dem Fernseher. Er habe sich daheim das Spiel noch einmal angeschaut, berichtete er am Sonntagmittag. Und an der grundsätzlichen Einschätzung hatte sich auch mit etwas Abstand nichts geändert: „Ich habe viel Positives gesehen.“ Anders als bei der 0:2-Heimniederlage gegen Heidenheim eine Woche zuvor. Das sei eines der schlechteren Spiele gewesen. „Davon haben wir in dieser Saison zwei gemacht: Daheim gegen Karlsruhe und eben Heidenheim“, so Hollerbach. Eines aber gibt auch er zu: „Wir haben derzeit ein Ergebnisproblem.“
Und so muss sich der Würzburger Trainer ungewohnter Kritik stellen. Nach der Partie stellten sich vier Fragen:
Warum hat Hollerbach erst so spät gewechselt?
Erst als Bochum mit 2:1 in Führung ging, kamen mit Valdet Rama und Elia Soriano frische Akteure ins Spiel. Auf eine dritte Auswechslung verzichtete der Kickers-Coach. Dabei sorgten gerade bei den Hausherren die Spieler von der Bank für frischen Wind. „Die Probleme hatten wir nicht im Spiel nach vorne“, fand Hollerbach. Deshalb habe er sich mit den Einwechslungen Zeit gelassen. Für einen defensiven Wechsel hätten ihm die Alternativen gefehlt. Mit Franko Uzelac und Dennis Schmitt saßen am Samstag nur zwei Defensivakteure auf der Bank, die in dieser Saison zusammen eine Minute in der zweiten Liga zum Einsatz kamen. Auf diesen Positionen fehlten schlicht die Alternativen, um zum Beispiel Neuzugang Lukas Fröde, dem sichtlich die Spielpraxis fehlt, zu ersetzen.
War es ein Fehler, Richard Weil und Sascha Traut abzugeben?
Gemeinsam mit Eintracht Braunschweig haben die Würzburger mit 21 Feldspielern den kleinsten Kader der Liga. Richard Weil (1. FC Magdeburg), Sascha Traut (VfR Aalen), Dominik Nothnagel (SV Wehen-Wiesbaden) und Dennis Russ (FSV Frankfurt) gingen in der Winterpause. Während Russ und Nothnagel längst zur zweiten Mannschaft versetzt waren, trainierten Traut und Weil mit dem Zweitliga-Team. Beide verfügen über reichlich Erfahrung, spielten aber offenbar in den Planungen von Hollerbach überhaupt keine Rolle mehr. Sie hatten ihn bei ihren Einsätzen in der Vorrunde nicht überzeugen können. Vor allem Weils Auftritt beim 1:3 in Hannover, als der Verteidiger in der Schlussphase auch einen Elfmeter verschoss, hatte Hollerbach enttäuscht. „Ich setze auf junge Spieler, die noch besser werden“, sagt Hollerbach, der davor warnt, Leistungen in dritter und zweiter Liga zu vergleichen: „Dazwischen liegen Welten.“
Fehlt es dem Team an Kondition?
Hollerbach verweist bei dieser Frage gerne auf die im Spiel in Bochum gelaufenen 118,19 Kilometer. Dies ist tatsächlich ein sehr guter Wert. Die Bochumer liefen fast fünf Kilometer weniger. Die Trainingsbedingungen machen die Arbeit an Defiziten in anderen Bereichen freilich nicht allzu einfach. In den vergangenen Wochen konnten die Kickers nur sehr selten auf den Rasenplätzen in Randersacker trainieren. Viele Einheiten fanden auf dem Kunstrasen am Dallenberg statt. Ungewöhnlich in der zweiten Liga
Sind die Erwartungen in Würzburg zu groß?
Der 3:0-Sieg gegen Stuttgart habe, „einigen Sand in die Augen gestreut“, glaubt Hollerbach: „Da wurde vieles übertrieben. So gut waren wir da auch nicht.“ Trotzdem seien die 28 Punkte, die sein Team bislang gesammelt hat, eher ein Kredit als eine Bürde für die restliche Saison. „Am Anfang war für alle Experten der 18. Platz schon an uns vergeben. Wenn wir in dieser Saison den Klassenerhalt schaffen, ist das ein Riesenschritt nach vorne – schon alleine, wenn ich an das Fernsehgeld denke.“
Die Statistik des Spiels VfL Bochum – Würzburger Kickers 2:1 (0:1) Bochum: Riemann – Gyamerah (46. Dawidowicz), Hoogland, Bastians, Rieble (46. Weilandt) – Losilla, Stiepermann (61. Wydra) – Gündüz, Wurtz, Quaschner – Mlapa. Würzburg: Wulnikowski – Schoppenhauer, T. Schröck, Pisot – Taffertshofer, Fröde (88. Rama) – Müller, Benatelli, Kurzweg – Ernst, Königs (88. Soriano). Schiedsrichter: Kempter (Sauldorf). Zuschauer: 11 123. Tore: 0:1 Hoogland (26./Eigentor), 1:1 Weilandt (84.), 2:1 Wydra (87.). Gelb: Wurtz (9), Stiepermann (5), Weilandt (5) – Kurzweg (6), Schoppenhauer (5), Fe. Müller (2).