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KÜRNACH: Schnupperkurs zum Ruhm

KÜRNACH

Schnupperkurs zum Ruhm

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    Tanz mit der Kugel in Kürnach: Joshua Heinrichs (links) vom BVB im Duell mit Serge Gnabry vom Stuttgarter VfB.
    Tanz mit der Kugel in Kürnach: Joshua Heinrichs (links) vom BVB im Duell mit Serge Gnabry vom Stuttgarter VfB. Foto: FOTO Uwe Beck

    Jean-Hermann Gnabry ist nicht einfach nur der Mann mit der Handkamera. Der farbige Mann von der Elfenbeinküste filmt nicht nur Sohn Serge, der im U-13-Team das Trikot des VfB Stuttgart trägt. Papa Gnabry will es richtig machen – pädagogisch. Damit Serge (12) mal Fußballprofi wird. „Mein Sohn darf nicht überheblich werden, ich will ihn streng erziehen“. Darum schneidet er daheim alle Fehlpässe und Stockfehler zusammen und spielt sie Serge vor. Als eine Art Pannen-Sammlung. „Ich zeige ihm nur Fehler, er glaubt mir ja nicht, wenn ich es sage. Er muss es sehen,“ so Vater Gnabry.

    Der kleine Serge ist talentiert, ballsicher, aber nicht zu selbstverliebt, abgezockt, und hat Willen. Vor zwei Jahren erntete er im Stuttgarter Sichtungs-Training einen Korb. Egal. Serge spielte für Feuerbach, im württembergischen Hallenturnier traf er dann im Endspiel auf den VfB, machte ein Tor, siegte – plötzlich wollte ihn der Bundesligist doch noch.

    Beim Kürnacher U-13-Turnier war Serge der „Star“ des Finales. Stuttgart gewann 3:1, Serge schoss zwei Tore und legte eines auf. Sein Vater wird ihm nicht viel Videomaterial zeigen können – denn viele Fehler machte der Junge nicht. Doch das Wichtigste beginnt für Serge erst jetzt.

    Sechs Bundesligisten präsentierten ihre U-13-Nachwuchs-Programme in Kürnach. Eine Art Schnupperkurs zum Ruhm – doch von nun an geht deren Entwicklung in die ernste Phase. „Ab diesem Alter beginnt der Sprung“, so Dortmunds Trainer Massimo Mariotti: DFB-Lehrgänge, Pubertät, Gefühlsschwankungen, erste Freundin, neue Hobbys, Wachstum. „Erst ab dem 13. Lebensjahr formen sich Charakter und Mentalität.“ Überflieger stolpern, Talente stagnieren, andere holen auf. „Nach oben zu kommen ist nicht schwer,“ so Leverkusens Co-Trainer Emre Uzun, „aber Talent allein reicht nicht.“

    In der Höllberghalle konnte in die Strukturen des Profi-Nachwuchses geblickt werden. Es ist fast wie eine Parallel-Welt, in der die Kids leben: Internate, fast jeden Tag Training, Reisen durch die Republik oder Europa, Hotels, Gastfamilien, Kinderärzte, Hausaufgaben-Helfer, Trainer nur für Kopfbälle, Vereine schicken Dutzende Scouts auf Jugendplätze oder pflegen Datenbanken aller Talente mit Noten in Tempo, Technik und Dynamik. Die Kleinen müssen sich um nichts kümmern, außer um Fußball. „Einige sind satt, werden vergöttert und bemuttert“, meint Karlsruhes Coach Patrick Westermann, „man muss den Kindern manchmal klarmachen, wo sie sind.“

    Die Stuttgarter gelten als das großes Vorbild. 1,7 Millionen geben die Schwaben jährlich für den Nachwuchs aus. Zehn Eigengewächse stehen im Kader des Meisters. Stolz erzählt Trainer Klaus Hubrich vom „Leuchten in den Augen“ der Kinder. Seit 20 Jahren arbeitet der Sonderschullehrer bei den Schwaben. Hubrich verneint, dass die Kinder zu sehr unter Druck gesetzt werden. Jede Schwächephase kann ja den Austritt aus der Parallel-Welt bedeuten: „Druck gibt es auch im Gymnasium. Was kann ein Kind Schöneres erleben als mit Fußball?“

    Die großen Vereine konkurrieren um die besten Talente. Dann gibt es ein Schreiben, was die Klubs selbst verpflichtet, keine Abwerbungen untereinander zu betreiben, keine Intrigen zu machen. Alle haben unterzeichnet, außer der FC Bayern. Aber die Bayern sind gar nicht das Problem: „Engländer und Spanier scouten ohne Ende“, so Uzun. Und ködern mit vierstelligen Monatsgehältern hoffnungsvoll kickende deutsche Kinder.

    Die Jugendtrainer sind oft nebenberuflich im Verein tätig, manche studieren gar noch. Sie stöhnen über permanente Reisen, lieben den Job. Aber sie hassen Momente, wenn sie gute Jungs rauswerfen müssen. „Ich verpacke es immer weich“, so Dortmunds Mariotti, „oft wird geweint“.

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