„Sebastian Kraus ist der beste Kumpel, den man sich wünschen kann.“ Sagen die einen. „Der Kraus ist ein Stinkstiefel“, das sagen die anderen. Je nach Blickwinkel oder Vereinszugehörigkeit mögen alle Recht haben, wenn sie den Regionalliga-Handballer der SG DJK Rimpar beschreiben. Einer, der es auf jeden Fall wissen muss, sagt: „Sebastian ist ein ungemein talentierter und freundlicher Handballspieler, der bisweilen seine Emotionen nicht zügeln kann. Er schwebt oft zwischen Genie und Wahnsinn.“ Das sagt Dr. Matthias Obinger, der neue Trainer des HSC Bad Neustadt – und Samstags-Gegner der SG DJK Rimpar. Pikant: Matthias Obinger ist der Halbbruder von Sebastian Kraus.
Und deshalb wird es zweifelsfrei kein normales Handballspiel werden für die beiden, auch wenn sie unisono behaupten, nichts Außergewöhnliches daran zu finden, wenn es in einem Handballspiel mal gegeneinander geht.
Wie können sie das wissen? Bis jetzt hatten sie diese Situation ja noch nie: Die beiden wuchsen zusammen in Rimpar auf, Sebastian „Basti“ Kraus lernte von seinem großen Bruder die Feinheiten des Spiels mit dem harzigen Ball: In der Jugend war Obinger Übungsleiter des ehrgeizigen Rimparers, der schon mit sechs Jahren bei den Minis der DJK aufs Feld lief. Aber auch beim Fußball (bis zur Bayernliga) und beim Tennis fiel der sportbegeisterte Knabe auf – sein Talent war ebenso ersichtlich wie sein Ehrgeiz. Nun, Basti Kraus blieb nicht nur wegen seines vier Jahre älteren Halbbruders beim Handball, er wählte letztlich diesen Sport, „weil dort die meisten meiner Freunde waren“ und er wurde schon in ganz jungen Jahren zum Führungsspieler. Nicht allein wegen seiner vielen Tore, die er für seinen Klub warf. Vielmehr war – und ist – es die Spielweise des Hörgeräteakustikbauers, die für fast jeden Trainer Traum oder Albtraum ist – je nach Sichtweise. „Basti kann ein Spiel jederzeit drehen“, sagt Obinger, der lange auch Co-Trainer der ersten Mannschaft in Rimpar war und nach Meinungsverschiedenheiten mit Spielertrainer Heiko Karrer zu Beginn der Saison den Klub verließ. „Denn Basti fühlt und spürt ein Handballspiel und die entscheidenden Phasen“.
Obinger meint damit jene Szenen eines Spiels, die Kraus beliebt und unbeliebt machen. Szenen wie zuletzt gegen Heilbronn, als er nach einem harten Wurf knapp über den Kopf des Keepers und nach dessen Protest gestenreich provozierte. Das Resultat: Hektik im Spiel kam auf, Heilbronn verlor den Spielfluss. Für Rimpar gut, für Heilbronn schlecht. Beinahe in jedem Spiel hat Kraus derartige Auftritte, die den Gegner bisweilen zur Weißglut bringen.
Der einzigartige Zusammenhalt
„Manchmal überziehe ich auch, aber nie bewusst. Ich brauche im Spiel Emotionen, ich brauche das Adrenalin, ich brauche auch die Härte – aber ich spiele nie bewusst unfair.“ Genau das hat man ihn vorgeworfen in der hektischen Schlussphase im Punktspiel gegen Friedberg, als er seinen Kontrahenten ziemlich brutal niederstreckte und so Tumulte auf dem Platz hervorrief. „Ich bin damals wirklich nur nach dem Ball gegangen. Als ich aber danach im Video die Szene nochmals gesehen habe, bin ich selbst ganz erschrocken.“
Eigentlich mag der 25-Jährige über solche Szenen gar nicht sprechen. „Ich mach das lieber mit mir selber aus, nach verlorenen Spielen mag ich mit niemandem darüber reden, das nagt an mir und ich muss nicht noch mehr davon haben.“
Siege mag er – und vor allem nach den Siegen das Feiern mit seinen Freunden. Von denen hat er genügend: „Eigentlich gibt es wenige Leute, mit denen ich mich nicht verstehe. Ich bin ja auch privat völlig anders als im Spiel. Außerdem habe ich in Rimpar ohnehin sehr viele Freunde. Wir sind alle eine große Sportfamilie. Das macht überhaupt den großen Reiz in Rimpar aus. Der Zusammenhalt hier ist einzigartig.“
Ja, und deshalb will er am Samstagabend nach Rimpar zurückkehren, um mit allen Freunden zu feiern. Und das macht er nur, wenn er gewinnt. Gegen Bad Neustadt. Gegen seinen Halbbruder. Der darf ihn auch dann ein paar Stunden „Stinkstiefel nennen.“
HSC Bad Neustadt – SG DJK Rimpar (Samstag, 19.30 Uhr, Bürgermeister-Goebels-Halle)
Die DJK Rimpar steht derzeit auf Platz 15 (10:24 Punkte) und kann erstmals auf Neuzugang Kristoffer Evjen (Norwegen) hoffen, der sein Debüt bei der Karrer-Sieben gibt. Der HSC Bad Neustadt ist mit 15:15 Punkten Zehnter – also exakt auf dem Platz, der den Klassenerhalt sichert. Die Mannschaft von Matthias Obinger absolviert das erste Verbandsspiel in diesem Jahr. Am Mittwoch besiegte Rimpars Konkurrent, der als Titelfavorit gehandelt worden war, in einem Testspiel den rumänischen Zweitligisten CSM Bukarest 37:26. Dabei griff erstmals der 18-jährige Neuzugang Maximilian Schmitt (HBLZ Großwallstadt) für die Rot-Weißen zum Ball. Das Hinspiel gewann Bad Neustadt 31:30. Damals noch mit den Tschechen Jiri Piroch (Vertrag aufgelöst) und Michal Tonar, der sich in der vergangenen Woche Landesligist TSV Rödelsee angeschlossen hat.