Wird in Bayern über Schulen diskutiert, geht es um das Gymnasium oder die Hauptschulen, die zu Mittelschulen werden sollen, es geht um Lehrermangel und die Qualität von Abschlüssen. Ein Schattendasein führen in der öffentlichen Wahrnehmung die Berufsschulen und weiterführenden beruflichen Schulen.
„Ein Balanceakt“
Zu Unrecht: Gerade hat der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) eine beeindruckende Zahl verkündet: 42 Prozent der Studienberechtigten in Bayern haben ihren Abschluss außerhalb der Gymnasien erworben – was sich die Staatsregierung als Erfolg in der Bildungspolitik anrechnet. Seit Jahren gehört es zu einem der obersten Prinzipien im Schulwesen, dass junge Menschen in eine weiterführende Ausbildung über Fach- oder Berufsoberschule (FOS/BOS) wieder einsteigen können – sei es als Lehrling, als Realschulabsolvent mit mittlerer Reife oder als Handwerksmeister.
Sehr unterschiedlichen Leuten verschiedenen Alters mit einem sehr unterschiedlichen Werdegang soll der Weg an Fachhochschule oder Universität geebnet werden, das ist der Plan. Und mittlerweile macht diese Gruppe eben fast die Hälfte derer aus, die studieren können, wenn sie wollen. Unter den Gleichaltrigen eines Jahrgangs machen 26 Prozent ihr „Abi“ über das Gymnasium und schon 16 Prozent über die beruflichen Schulen, Tendenz steigend.
Das ist ein „Balanceakt“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der beruflichen Schulen in Bayern, Wolfgang Lambl aus dem Rimparer Ortsteil Gramschatz (Lkr. Würzburg). Ganz besonders gilt das für Spaenles Anweisung, künftig auch Schulabsolventen mit einem Notendurchschnitt von 3,0 und einem Vierer in Englisch die mittlere Reife im Zeugnis zu bestätigen. Die mittlere Reife ist Voraussetzung für die Zulassung an FOS oder BOS. Mehr Schulabsolventen per Ministerialanordnung zum Abschluss zu verhelfen, erinnert an Spaenles Vorgehen beim ersten G8-Abiturjahrgang, wo die Hürden für das Abi auch erst kurz vor der Prüfung noch einmal deutlich abgesenkt wurden.
Das freut die Schüler, die unversehens „bestanden“ haben, aber nicht Schulen und Lehrer. Weil die Verordnung rückwirkend zum 1. August 2010 gilt, müssen etwa zehn Prozent der Zeugnisse umgeschrieben werden. „Noten sind zwar nicht das einzige Kriterium, ob ein Schüler weiterkommen kann. Aber die jetzt Durchgeschleusten können sich auch schwertun oder gar scheitern“, gibt Lambl zu bedenken.
Bislang glänzten die weiterführenden beruflichen Schulen durch niedrige Abbrecherzahlen. Die Gründe liegen auf der Hand. So begaben sich nur gute und motivierte Schüler auf diesen Weg. Denn die oft berufsbegleitende Schulausbildung verlangt den Absolventen besonderes Engagement ab. „Den Lehrern übrigens auch“, so Lambl. Aufgefangen werden sollen eventuelle Defizite bei Absolventen von Wirtschafts- oder Mittelschulen mit Vorklassen für die FOS. In Kitzingen wird zum neuen Schuljahr eine solche eingerichtet. Das bedeutet, dass die Schüler ein Schuljahr lang Intensivunterricht bekommen, um mithalten zu können.
Fehlende Lehrerstellen
Ein löbliches Unterfangen, so Lambl – mit Haken. „Unsere Schulen führen ein Schattendasein, wenn es um Lehrerstellen geht.“ Mehrere Hundert fehlen schon. Spaenle hat zwar Besserung gelobt, aber er will auch fünf neue Berufsoberschulen in Bayern zulassen. Ob 128 zusätzliche Planstellen – wie angekündigt – reichen werden, ist fraglich. 18 Lehrkräfte bleiben vom Gymnasium abgeordnet und werden an Berufsoberschulen eingesetzt. Zusammen mit anderen Maßnahmen, um die FOS/BOS-Ausbildung aufzuwerten, könnten Lehrer rasch wieder Mangelware werden. Lambl: „Man lernt in diesem Beruf, geduldig zu sein. Versprechungen hören wir viele. Wir sehen, was passiert.“
FOS- und BOS-Angebote
In Nordbayern – Ober-, Unter- und Mittelfranken – gibt es 34 Fach- oder Berufsoberschulen. In Unterfranken sind die Schulen in Bad Neustadt, Schweinfurt mit Haßfurt, Kitzingen, Marktheidenfeld, Aschaffenburg und Obernburg staatlich, in Würzburg im Städtischen Berufsbildungszentrum kommunal, in Zell gibt es die private Montessori-FOS. Text: caro