Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: Bahn sucht Alternativen zur Mottgers-Spange

WÜRZBURG

Bahn sucht Alternativen zur Mottgers-Spange

    • |
    • |
    _
    _

    Es ist ein Generationen-Projekt, das die Deutsche Bahn entlang der Strecke Frankfurt/Hanau – Fulda/Würzburg plant: Bis die ersten ICEs über die geplante Ausbaustrecke rauschen, wird es bis weit in die 2030er Jahre dauern. Dabei datieren die ersten Überlegungen, den Zugverkehr auf dieser Trasse, die zu den am stärksten befahrenen Deutschlands gehört, zu beschleunigen und die Schienen-Kapazitäten zu erhöhen, von 1991, unmittelbar nach der Wiedervereinigung. Pläne wurden damals einige erarbeitet, doch sie verschwanden zwischenzeitlich wieder in der Schublade. Um die Jahrtausendwende setzte die Politik andere Prioritäten. Das bedeutete das vorläufige Aus für den Ausbau.

    Neuer Anlauf

    Ende 2012 dann kamen die Deutsche Bahn, der Bund und das Land Hessen überein, einen neuen Anlauf zu starten, um dieses Nadelöhr im europäischen Schienennetz langfristig zu verbreitern. Und, anders als bei vielen Großprojekten in der Vergangenheit, wollte man nicht den Fehler machen, hinter verschlossenen Türen zu planen. Also entschied man sich, die Bürger, Kommunen und Naturschutzverbände bei der Trassensuche in einem groß angelegten „Dialogprozess“ von Beginn an zu beteiligen.

    Dass die Strecke Frankfurt – Fulda überlastet ist und ausgebaut werden muss, daran besteht heute kein Zweifel mehr. Der neue Bundesverkehrswegeplan listet das Großprojekt im „vordringlichen Bedarf“. 60 Minuten dauert die Fahrt zwischen der Mainmetropole und der osthessischen Bischofsstadt offiziell, häufig aber haben die Züge Verspätung. Immerhin 114 sind jeden Tag im Fernverkehr in beide Richtungen unterwegs. Daneben nutzen Regional- und Güterverkehr die rund 100 Kilometer lange Strecke. Staus sind da vorprogrammiert. Für mehr Züge reichen die Kapazitäten nicht. Dabei gehen Fachleute davon aus, dass die Nachfrage auf dieser Strecke bis 2025 im Fernverkehr um 25 Prozent steigt, im Güterverkehr gar um 53 Prozent.

    Klarheit zwischen Hanau und Gelnhausen

    Vergleichsweise einfach wird der Ausbau auf den 23 Kilometern zwischen Hanau und Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis). Dort plant die Bahn, die bestehende Trasse auf durchgehend vier Gleise zu erweitern. Die Flächen sind vorhanden, im Jahr 2022 rechnet Domke mit dem Baubeginn. Bereits zuvor soll die Stellwerk- und Signaltechnik entlang der Schienen modernisiert werden.

    Problematisch wird es nordöstlich von Gelnhausen. Im Kinzigtal lässt sich die Bestandstrasse nicht erweitern, zu dicht führt sie an Siedlungsgebieten vorbei. Auf der Suche nach Alternativen war früher allein die sogenannte Mottgers-Spange im Gespräch. Dabei sollten die Züge ab Gelnhausen den nördlichen Spessart queren und dann bei Mottgers (Main-Kinzig-Kreis) unweit der hessisch-bayerischen Landesgrenze auf die ICE-Trasse Fulda – Würzburg geführt werden, in je einem Ast Richtung Süden und Norden. Daher kommt das Bild von der Spange.

    Längst aber werden Alternativen zur Spessartquerung diskutiert – aus Umweltgründen, aber auch aus wirtschaftlichen Überlegungen. Für den 2014 gestarteten (Vor-)Planungsprozess hat die Bahn deshalb einen „Suchraum“ definiert der westlich der bestehenden Hanau-Fulda-Verbindung beginnt und im Osten bis zur ICE-Strecke Würzburg-Fulda reicht. Im Norden ist die Grenze Fulda, im Süden der Spessart. Innerhalb dieses Suchraums sollen Landschaftsplaner eine geeignete Trasse finden.

    „Lärmschutz ist Menschenschutz“

    In einem ersten Schritt haben sie vier Grobkorridore definiert. Dabei berücksichtigen sie diverse „Raumwiderstände“. Dazu gehören zuallererst Städte und Dörfer. Die Züge sollen sie großräumig umfahren. Domke: „Lärmschutz ist Menschenschutz.“ Dazu gehört auch, Wasser- auch Heilquellenschutzgebiete, allen voran rund um die Kurstädte Bad Orb und Bad Soden, zu umplanen. Wichtige Schutzgüter sind zudem Naturschutz- und Vogelschutzgebiete, Naturwälder und Flächen, die unter die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie fallen, wie beispielsweise die Feuchtwiesen im Sinngrund bei Obersinn (Lkr. Main-Spessart), mit ihrem einzigartigen Schachblumen-Vorkommen. Und dann ist da noch der knapp elf Kilometer lange Landrückentunnel. Dort, wo Deutschlands längster Eisenbahntunnel verläuft, kann keine neue Trasse an die ICE-Strecke Fulda –Würzburg angebunden werden.

    Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen erarbeiteten die Planer vier Grobkorridore, in denen die Trasse liegen könnte. Auf dieser Basis hat man schließlich sieben Varianten entwickelt, alle mit bis zu 50 Prozent Tunnelanteil. Sie werden derzeit genauer untersucht und in ihren Auswirkungen bewertet. Im Sommer dann will die Bahn entscheiden, mit welcher Variante sie in das Raumordnungsverfahren geht, eine wesentliche Grundlage für das Baurechtserverfahren.

    Die Lehren aus „Stuttgart 21“

    Reinhard Domke macht sich keine Illusionen. „Alle wollen den Ausbau, aber möglichst weit weg von der eigenen Haustür.“ Da könne man es nicht jedem recht machen. In einem „Abwägungsprozess“ gehe es allein darum, „die Trasse mit den geringsten Beeinträchtigungen“ zu ermitteln. Dabei sei das Dialogforum eine „große Hilfe“. Jede Idee werde bei den Treffen mit allen Vor- und Nachteilen „öffentlich und transparent“ mit den Planern diskutiert. Keine Frage bleibe unbeantwortet, alle Unterlagen seien einsehbar. Domke: „Wir reden miteinander, nicht übereinander.“ Bahn und Politik haben, so scheint es, aus dem Kommunikationsdesaster bei „Stuttgart 21“ gelernt.

    Eine Einschätzung, die Lioba Zieres teilt. Die Bürgermeisterin von Obersinn (Lkr. Main-Spessart) ist stellvertretende Vorsitzende der „Initiative Pro Spessart“. Seit vielen Jahren engagiert sie sich gegen die Mottgers-Spange. Auch Zieres weiß, dass es am Ende Verlierer gibt. „Aber die Planer arbeiten transparent und ergebnisoffen. Das gefällt mir.“ Deshalb wehrt sie sich auch gegen Aussagen wie „Die Mottgers-Spange ist vom Tisch“, wie sie einige Politiker zur Beruhigung der Menschen am Untermain, die Nachteile für die ICE-Anbindung von Aschaffenburg fürchten, getätigt haben. „Vom Tisch ist gar nichts.“

    Einzigartige Flora und Fana im Spessart

    Gleichwohl hat Zieres beobachtet, dass Varianten, die nahe der bestehenden Schienenverbindung entlanglaufen, mittlerweile durchaus Befürworter finden. Zum einen wirke das Argument, im Spessart drohe durch massive Eingriffe einzigartige Flora und Fauna zerstört zu werden. Zum anderen spielten pragmatische Überlegungen eine Rolle. Eine Trasse nahe dem Kinzigtal sei kürzer, auch böten sich so mehr Verknüpfungspunkte zwischen der Bestands- und der Neubaustrecke. Das könnte hilfreich bei der Lenkung des Güterverkehrs sein, so Zieres.

    Hinzu komme, dass der Zeitvorteil der Spessartquerung für die ICE-Verbindung Frankfurt – Würzburg, der früher mal errechnet wurde, hinfällig sei, seit die Züge nicht mehr auf Tempo 300 ausgelegt werden. Zudem werde diese Verbindung bereits durch die Umfahrung des Schwarzkopftunnels (siehe nebenstehenden Bericht) beschleunigt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden