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WÜRZBURG: „Bauern drohen neue Tiefstpreise“

WÜRZBURG

„Bauern drohen neue Tiefstpreise“

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    Lieferboykott, Milchstreik – diese Zeiten sind vorbei, sagt Romuald Schaber. Dennoch fürchtet der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), dass sich die Milchkrise mit dem Quotenwegfall verschärft. Dabei hätte der Allgäuer eine Idee, wie sich das ändern ließe.

    Frage: Herr Schaber, über 30 Jahre hat die Milchquote geregelt, wie viel Milch ein Landwirt produzieren darf. Seit gut einer Woche ist die Quote Geschichte. Wann werden wir die ersten Effekte auf dem Markt sehen?

    Romuald Schaber: Der Markt verändert sich nicht von heute auf morgen. Das dauert Monate. Klar ist aber: In der EU dürfte künftig deutlich mehr Milch produziert werden – wir rechnen mit einem Plus von zwei bis fünf Prozent. Viele Landwirte haben sich auf dieses Datum eingestellt. Die Folgen sind absehbar: Die Abhängigkeit vom Weltmarkt, die schon heute groß ist, wird weiter steigen. Dadurch werden die Preisschwankungen noch größer – und die Krisen noch stärker ausfallen als bisher. Den Bauern drohen neue Tiefstpreise. Was wir daher brauchen, ist ein zusätzliches Kriseninstrument.

    Wie soll dieses System aussehen?

    Schaber: Wir fordern seit geraumer Zeit ein effizientes Sicherheitsnetz für den Milchmarkt. In Krisensituationen sollte einerseits die Milchmenge gedeckelt werden. Das heißt: Wenn der Preis zu niedrig ist, um die Kosten zu decken, müssen die Bauern, welche dennoch mehr produzieren, mit einer Marktverantwortungsabgabe rechnen. Zusätzlich soll ein Anreizsystem geschaffen werden: Landwirte sollten einen Bonus erhalten, wenn sie in Zeiten von Milchüberschüssen freiwillig weniger produzieren.

    Wann besteht aus Sicht des BDM eine Krise?

    Schaber: Eine Hausnummer zu nennen, ist schwierig. Wir schlagen vor, dass ein Index aus Preisen für börsennotierte Milchprodukte, Milcherzeugungskosten und Milchpreisen gebildet wird, um die Marktentwicklung abzubilden. Liegt der Milchpreis deutlich unter den Produktionskosten, dann sind wir in der Krise.

    Nehmen wir die derzeitige Kostensituation. Wo liegt der Krisenpreis?

    Schaber: Bei etwa 35 Cent.

    Dann sind wir bereits in der Krise?

    Schaber: Absolut. Wir sind in der Krise. Die bayerischen Milcherzeuger erhalten derzeit im Schnitt 31 Cent pro Kilo Milch, bundesweit sind es 29,5 Cent. Dabei zeigen die Zahlen, die ein wissenschaftliches Institut vierteljährlich im Auftrag des Deutschen Milch Boards erhebt, dass die Produktionskosten deutlich höher liegen – in Deutschland zwischen 38 und 51 Cent. Vor allem die höheren Futterkosten, aber auch Energie- und Tierarztkosten schlagen hier zu Buche.

    Gab es Zeiten, in denen die Landwirte kostendeckend gearbeitet haben?

    Schaber: Gerade so. Einige Monate lang hatten wir 2014 Auszahlungspreise von 40 bis 42 Cent. Das wäre eine Situation, mit der man längerfristig hätte arbeiten können. Doch die Freude währte nur kurz.

    40 Cent pro Liter haben Sie während der Milchkrise als notwendigen Preis ausgerufen. Jetzt fordern Sie 50 Cent. Der bayerische Bauernpräsident Heidl kritisiert, die Krise sei längst das Geschäftsmodell des BDM. . .

    Schaber: Ich nehme die Aussagen gar nicht ernst. Der Mann ist Schweinebauer. Er hat keine Ahnung. Ich spreche ihm ab, dass er bei diesem Thema mitreden kann.

    Hat der Bauernverband folglich auch keine Kompetenz, die Milchbauern zu vertreten?

    Schaber: Eine sehr beschränkte Kompetenz. Es ist ja nicht so, dass wir von der Dauerkrise reden – das sind Fakten, die wir vorliegen haben. Es hilft nichts, die Situation schönzureden, wie der Bauernverband das tut. Nur ein Beispiel: 2012 hat der Bauernverband eine „leichte Delle“ auf dem Milchmarkt propagiert. Viele Bauern haben uns dagegen berichtet, dass dieses Jahr für sie schlimmer war als das Krisenjahr 2009. Es ist fahrlässig, eine Krise so zu bagatellisieren. Auch andere Gruppen wie die Schweinebauern fühlen sich vom Bauernverband nicht mehr vertreten, weil er nichts macht. Wir haben schon den Anspruch, etwas zu verändern. Deswegen haben wir auch ein Konzept in Diskussion gebracht, das nach dem Ende der Quote greift.

    Die EU greift auch in Zukunft in Krisenzeiten ein. Fällt der Preis unter das Niveau von 21,5 Cent, kauft sie Milch auf.

    Schaber: Wir sehen in diesem Instrumentarium kein praktikables Mittel – vor allem, weil die Schwelle zu niedrig angesetzt ist. Vernünftiger ist es, dass man in einer schwierigen Marktphase die Milchmenge begrenzt. Das geht auch ohne Quote. Das Fatale ist ja, die Bauern verlieren massiv Geld – und bei den Verbrauchern kommen die niedrigeren Preise kaum an.

    Wie viel müsste der Verbraucher aus Ihrer Sicht für den Liter Milch bezahlen?

    Schaber: Der Verbraucher zahlt, was man verlangt. Wir sehen überhaupt keine Schuld beim Verbraucher – und auch nicht beim Lebensmitteleinzelhandel. Die Schuld liegt vielmehr bei denen, die am Markt vorbeiproduzieren und bei den Organisationen, die gegen wirksame Steuerungsinstrumente, selbst in Krisensituationen, sind.

    Wird es irgendwann wieder so weit kommen, dass die Landwirte ihre Milch wegkippen – so wie 2008?

    Schaber: Wir werden die Milch nicht mehr wegschütten, um den Markt zu bereinigen. Damals hat das funktioniert. An einen Lieferstopp ist derzeit nicht gedacht. Was ich nicht ausschließe, sind Aktionen – in welcher Form auch immer.

    „Es hilft nichts, die Situation schönzureden, wie der Bauernverband das tut.“

    Romuald Schaber

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