- Ein möglicher Millionenbetrug, verschwundene Gelder und ein Aufsichtsrat, der davon nichts bemerkt haben will: „Die Handwerkskammer für Oberfranken ist wohl in der größten Krise ihrer Existenz“, räumte Matthias Graßmann, HWK-Vizepräsident in Oberfranken, jüngst bei einer Pressekonferenz ein.
Die Handwerkskammer wolle nun alle Vorgänge lückenlos aufklären, auch wenn die rechtliche Bewertung der Staatsanwaltschaft noch ausstünde. Der Skandal dreht sich vor allem um das Tochterunternehmen Gewerbetreuhand Oberfranken Steuerberatungsgesellschaft (GTO): Ein ehemaliger GTO-Geschäftsführer soll Gelder veruntreut und Steuern hinterzogen haben. Von 2,1 Millionen Euro ist die Rede. „In einem Nebensatz“ habe der Vorstand davon im Sommer 2019 erstmals erfahren, beteuerte Graßmann. Erst nach und nach sei das Ausmaß klar geworden.
HWK-Vizepräsident Graßmann: Zweifel gibt es seit Sommer 2019
Schon damals habe es Zweifel gegeben, ob der GTO-Aufsichtsrat seiner Kontrollfunktion nachgekommen sei. Spätestens nach Bekanntwerden eines nicht genehmigten Darlehens von 730 000 Euro „hätten die Alarmglocken für alle Beteiligten der GTO und in der Spitze der Kammer läuten müssen“, meinte Graßmann.
Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende in Oberfranken, Horst Eggers, musste sein Mandat niederlegen. Als geschäftsführender Aufsichtsrat soll er 30 000 Euro jährlich bekommen haben – für nur eine Sitzung pro Jahr. Der Vorstand sei schockiert über „die völlig überhöhe
Vergütung“, sagte der HWK-Vizepräsident für Oberfranken. Obwohl Eggers schon vor Jahren sein Amt als Hauptgeschäftsführer aufhörte, soll er teilweise bis 2019 bezahlt worden sein.
Auch der HWK-Hauptgeschäftsführer in Oberfranken, Thomas Koller, und der HWK-Präsident für Oberfranken, Thomas Zimmer, arbeiten inzwischen nicht mehr für die Kammer. Beide waren Mitglieder im Aufsichtsrat.
Sie sollen sich nach derzeitigen Erkenntnissen zwar nicht persönlich bereichert haben, betonte Graßmann. Der Vorstand wirft ihnen aber vor, viel zu spät reagiert zu haben. Die Gelder des Darlehens seien größtenteils wieder zurückgezahlt worden. Ein „großes Fragezeichen“ bleibe aber nach wie vor der Verbleib von rund 790 000 Euro, erklärte Bernd Sauer, HWK-Geschäftsführer in Oberfranken. Die angeblichen Repräsentations- und KfZ-Kosten sollen von 2002 bis 2014 an die GTO geflossen sein.
Ein Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt, Wahlen sind geplant
Eine Kanzlei überprüfe nun alle Zahlungen, außerdem sei ein GTO-Untersuchungsausschuss eingesetzt. Auch die Handwerkskammer selbst will sich nun neu organisieren: Ende November soll in Oberfranken ein neuer Präsident gewählt werden.
In einem Auswahlverfahren soll außerdem ein neuer Hauptgeschäftsführer bestimmt werden. (dpa/lby)