Mit hochgezogenen Schultern, das Gesicht hinter einer blauen Aktenmappe versteckt, betritt der 24-Jährige den Gerichtssaal. Der Fußball-Fan soll einen Feuerlöscher auf eine entgegenkommende U-Bahn geworfen haben - dessen Fahrerin erlitt dabei durch die zersplitternde Frontscheibe schwere Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten deshalb versuchten Mord vor. Blass und zusammengesunken sitzt der junge Mann am Dienstag zwischen seinen Rechtsanwälten im Saal 600 des Landgerichts Nürnberg-Fürth, in dem einst Nazi-Kriegsverbrechern der Prozess gemacht wurde. Fragen zu seiner Person beantwortet der 24-Jährige brav. Zu den Vorwürfen sagt er nichts.
Dafür spricht sein Verteidiger Iñigo Schmitt-Reinholtz. «Das war keine glorreiche Aktion.» Was passiert ist, sei dem jungen Mann sehr peinlich, er würde es gern ungeschehen machen. Für den Anwalt steht fest: Der Angeklagte habe den Feuerlöscher nicht gezielt auf die entgegenkommende U-Bahn geworfen. Von versuchtem Mord könne deshalb keine Rede sein. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Zwischen dem Angeklagten und der U-Bahn-Fahrerin habe Blickkontakt bestanden. Der 24-Jährige sei sich bewusst gewesen, dass der Feuerlöscher die Frontscheibe durchschlagen und die Fahrerin tödlich verletzen könne. «Er hat das billigend in Kauf genommen», sagt der Staatsanwalt.
Über die Vorgänge bis zum Zeitpunkt des Wurfes sind sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung noch weitgehend einig. Anhänger des 1. FC Nürnberg waren im vergangenen August mit der U-Bahn auf dem Weg zum Derby gegen die SpVgg Greuther Fürth. Der Zug war proppenvoll, die Luft heiß und stickig. Fans begannen zu randalieren, klebten Überwachungskameras ab, zertrümmerten Fensterscheiben. Auch der Angeklagte beteiligte sich. Als er einen Feuerlöscher in die Hand bekam, sprühte er das Pulver durch das zertrümmerte Fenster der U-Bahn-Tür.
Zum anschließenden Wurf des Löschers sagt Schmitt-Reinholtz: «Er stand mit dem Rücken zur Fahrtrichtung und hat den Feuerlöscher einfach weggeworfen.» Selbst wenn der 24-Jährige nach vorne geblickt hätte, sei Blickkontakt mit der Fahrerin wegen der hohen Geschwindigkeiten der Züge unmöglich gewesen. Schmitt-Reinholtz fordert deshalb einen neuen Sachverständigen. Der Psychologe Rudolf Sponsel solle überprüfen, ob die Aussage der U-Bahn-Fahrerin glaubwürdig sei.
Irritiert vom Verlauf des Prozessbeginns zeigt sich Rechtsanwalt Tobias Rudolph, der die U-Bahn-Fahrerin als Nebenklägerin vertritt. «Wir haben damit gerechnet, dass es in erster Linie um die Identität des Werfers geht - jetzt müssen wir uns auf einen völlig anderen Prozess einstellen.» Zunächst sind bis Ende August zehn weitere Verhandlungstage angesetzt.