Wie verkraften Pferde, die Kutschen mit Touristen zum Schloss Neuschwanstein ziehen, Temperaturen wie zuletzt über 30 Grad Celsius? Diese Frage treibt die Ortsgruppe Halblech des Bund Naturschutz um. Dessen Vorsitzender Hans Hack fordert nun in einer Pressemitteilung, „Kutschen mit entsprechend starken Elektromotoren auszustatten und die Steuerungs-Technologie der E-Bikes zu übernehmen, sodass die Pferde maximal nur noch 50 bis 60 Prozent der Last ziehen müssten“. Hack fügt hinzu: Eine Kutschfahrt zum Schloss sei für viele Besucher ein Erlebnis, „das wir unbedingt erhalten möchten. Aber bitte nicht zum Leid der Pferde“.
Auf Nachfrage erklärt Heinrich Vogtmann vom gleichnamigen Kutschbetrieb aus Schwangau gegenüber dieser Redaktion, dass diese Technik bereits getestet werde. Prinzipiell findet er die Idee der E-Motoren gut, sagt Vogtmann: Warum solle eine Technik, die E-Bikern das Strampeln erleichtert, nicht auch Pferden zugutekommen? Deshalb werde bei einer seiner Kutschen diese Neuerung heuer ausprobiert – bislang allerdings mit mäßigem Erfolg. „Die Technik ist im Detail noch nicht ausgereift“, sagt er. Außerdem weist er auf den finanziellen Aufwand hin. Pro Kutsche lägen die Kosten durch die Aufrüstung bei 100 000 Euro. Er setzt derzeit sechs Kutschen ein. Hinzu kommen bis zu drei Ersatzfahrzeuge, falls eine Kutsche in die Reparatur muss. Käme bei allen der E-Motor zum Einsatz, sei das angesichts der Gesamtsumme „rein theoretisch nicht zu finanzieren“. Vogtmann gibt sich aber optimistisch, dass in den nächsten Jahren auch preisgünstigere Lösungen gefunden werden, damit sich diese Technik bei Kutschen durchsetzen kann. Alles andere als optimistisch stimmt ihn allerdings das vehemente Engagement von Einzelpersonen: So hat am Mittwoch eine Frau nach Informationen dieser Redaktion in Hohenschwangau elf Stunden lang gegen „Tierquälerei“ protestiert, wie auf ihrem Schild zu lesen war, und dafür geworben, dass Touristen lieber ein Busticket lösen sollten. „Schlimm“ findet Vogtmann solche Aktionen. Denn als Kutschbetrieb liege ihm das Wohl der Pferde am Herzen.
Behauptungen von der Frau, dass die Tiere nicht immer zu trinken bekämen, seien schlicht falsch: „Wir haben viele Kübel voll Wasser. Es gibt genügend zu trinken.“ Außerdem werden die Pferde nach drei bis vier Runden gewechselt.
Vogtmann verweist auch auf eine Doktorarbeit, die gezeigt habe: Es gibt keine Überbelastung der Tiere. „Ich mache den Job seit 40 Jahren“, sagt er und betont: „Wir wollen mit den Pferden nicht nur Geld verdienen, sondern geben auch auf sie Obacht.“
Auch das Ostallgäuer Veterinäramt hatte in der Vergangenheit bei regelmäßigen Kontrollen der Kutschbetriebe, die Touristen zum weltberühmten Schloss bringen, keine Verstöße festgestellt.
So ist der Kutschverkehr geregelt Am Schloss Neuschwanstein unterliegt der Kutschverkehr der Bayerischen Schlösserverwaltung. Die Kutschbetriebe, die auf der Privatstraße zum Schloss fahren, sind eigenständige Unternehmen. Für die Unternehmen gelten die Bestimmungen im Gestattungsvertrag mit der Schlösserverwaltung und alle gesetzlichen Auflagen – zum Beispiel Tierschutz. Im Gestattungsvertrag heißt es unter anderem, dass das Kutschunternehmen die Fahrtauglichkeit seiner Kutscher kontrollieren muss, jede Kutsche eine Zulassung für zwölf Personen – einschließlich Kutscher – und zwei Kleinkinder hat, und der Kutscher verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass die Pferde durch Arbeitsgeräte wie Schneepflüge und Straßenkehrmaschinen nicht scheuen und durchgehen. Für den Einsatz ihrer Pferde sind die Unternehmer laut Schlösserverwaltung selbst verantwortlich. Über die Belastbarkeit der Pferde gibt es eine veterinärmedizinische Dissertation, eingereicht 2012 an der Uni München. Laut deren Verfasserin wurde keine Überlastung der Tiere festgestellt. Sie beschreibt den Zustand der Pferde als gesund und im guten Futter- und Pflegezustand sowie den Umgang der Kutscher mit ihren Tieren als durchweg kompetent, ruhig und freundlich. AZ