Um Anhängern der Partei etwas Munition zu nehmen, sei aber gleich zu Beginn festgehalten: Ja, es ist nicht alles gut in diesem Land. Die Terrorgefahr ist hoch wie nie, der Euro krankt, der Flüchtlingsstrom stellt uns vor eine historische Herausforderung und die Politik wirkt allzu oft planlos. Und nein, wenn die AfD eine andere politische Meinung als man selbst vertritt – egal wie schief, populistisch oder radikal diese sein mag –, darf sie nicht zum Freiwild werden. Wenn mutmaßliche Linksextremisten AfD-Büros verwüsten oder Parteifunktionäre bedrohen, ist das genauso zu verurteilen wie rechtsextreme Gewalt. Der AfD muss argumentativ begegnet werden. Eine Demaskierung tut not.
Denn die AfD manipuliert. Dabei nutzt sie vor allem das Internet. Der bayerische Landeschef Petr Bystron etwa hat einen Blog bei der Online-Zeitung „Huffington Post“. Dort schreibt er vor allem über und pro AfD. Seine Parteimitgliedschaft zu erwähnen, hielt er lange für unnötig. So stand unter seinem Namen lediglich die Bezeichnung „Politologe und Kommunikationsberater“. Erst auf Drängen der Redaktion ergänzte er den Hinweis auf seine AfD-Funktion.
Nicht so genau nimmt es die AfD auch mit Zahlen. Die Teilnehmer ihrer letzten „Großdemo“ in Berlin bezifferte der NRW-Landesvorsitzende Marcus Pretzell bei Twitter mit 7000, Parteichefin Frauke Petry mit „10tsde“ – womit wohl mindestens 10 000 gemeint war. Der „Tagesspiegel“ vermeldete unter Berufung auf die Polizei 5000 Teilnehmer. Aber AfD-Funktionäre betonen ja gebetsmühlenartig, dass den „Systemmedien“ ohnehin niemand mehr glaube.
Widersprüchlicherweise spricht die AfD der „Pinocchio-Presse“ – Zitat Petry – dennoch so viel Macht zu, dass sie sich als deren Opfer fühlen kann. Man beschwert sich, dass die Partei „niedergeschrieben“ wird. Oder „medial ausgeblendet“. Dass AfD-Vertreter zu Talkshows nicht eingeladen werden. Oder dass sie eingeladen werden. Und dann auf breiten Widerspruch stoßen. Die Rache des kleinen AfD-Mannes: Der unterfränkische Bezirkschef Gottfried Walter zum Beispiel hat zehn Verlage wegen kostenloser Probe-Abos kontaktiert, wie er kürzlich auf Facebook prahlte. Kurz vor Abo-Ablauf will er dann „geharnischte Briefe“ schreiben und die „Lügenpresse“ abbestellen. „Unter anderem Namen wiederholte ich das Spiel schon öfter“, so Walter weiter. Ein albernes Verständnis der selbst propagierten Meinungsvielfalt . . .
Die Medien sind aber manchmal auch ganz nützlich: Immer wieder postet die AfD auf ihren Facebook-Seiten Artikel, die scheinbar bestätigen, dass die Partei Recht hat. Ansonsten gilt das Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht. So teilte die AfD Bayern im November ein Zitat von Angela Merkel, die 2011 sagte: „Wir müssen akzeptieren, dass die Zahl der Straftaten bei jugendlichen Immigranten besonders hoch ist.“
Öl ins Feuer
Allerdings war der Satz völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Merkel meinte in der entsprechenden Videobotschaft, in der es um innere Sicherheit und Integration ging, dass man die Fallzahlen nicht schönreden könne. Die AfD interpretiert die Aussage dagegen als Kapitulation der Kanzlerin fehl. Da schwingt das von der Partei herbeigeredete „Staatsversagen“ mit.
Die AfD gießt Öl ins Feuer. Nicht nur im Netz, auch auf der Straße. Längst ist sie auf den Pegida-Zug aufgesprungen, organisiert eigene Kundgebungen.
Parteivize Alexander Gauland vergleicht dort Flüchtlinge mit „Barbaren“, die den Limes überrannten, und der Thüringische Landeschef Björn Höcke erklärt, dass in Deutschland nur 62 Millionen Deutsche leben – nämlich die Menschen ohne Migrationshintergrund. Der bayerische AfD-Chef Bystron kam übrigens einst als Flüchtling aus der Tschechoslowakei nach Deutschland.
Doch es geht weniger um das Gesagte, das in der Regel zwar zugespitzt, aber nicht justiziabel ist, als um die Wirkung dessen. Wenn Pretzell sagt, „Die Verteidigung der deutschen Grenze mit Waffengewalt als Ultima Ratio ist eine Selbstverständlichkeit“, spricht er eigentlich nur aus, was laut Gesetz erlaubt ist. Aber in der hitzigen Debatte Schüsse auf Flüchtlinge auch nur ins Gespräch zu bringen, ist hässlich, fahrlässig und lässt Hemmungen fallen. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung befreit Politiker nicht von der Verantwortung, vorher darüber nachzudenken, wie ihre Worte wirken.
Bei solch einer Rhetorik ist es nicht verwunderlich, dass sich Rechtsextreme bei AfD-Veranstaltungen heimisch fühlen. Offiziell will man solche Leute nicht haben. In der Realität werden sie aber mindestens geduldet. Es gibt Hinweise, dass Neonazis als Ordner bei AfD-Demos auftraten. Und der AfD-Kreisverband Kitzingen-Schweinfurt veröffentlichte Fotos von einer Demo in Nürnberg, die NPD-Politiker und Neonazis als Teilnehmer zeigen. Zugegeben: Von AfD-Leuten zu verlangen, jeden Rechtsextremen zu erkennen, wäre unfair. Aber sie sollten sich fragen, warum sie solche Leute anziehen. Die AfD steht dem Rechtsextremismus näher, als sie es wahrhaben will. Auch viele Sympathisanten blenden das aus, getrieben vom naiven Glauben, die AfD könne es besser machen als die „Altparteien“.
Aber wie? Sich als außerparlamentarische Opposition zu inszenieren und „denen da oben“ zu sagen, wie es besser geht, ist kein politisches Kunststück. Aufmerksamkeit zu bekommen, indem man emotionalisierende Themen – früher den Euro, heute eben die Flüchtlinge – aufgreift, auch nicht. Zudem herrscht in zentralen Fragen – etwa ob Deutschland den Euro verlassen soll – in der Partei keine Einigkeit.
Die AfD wird sich wohl abermals spalten. Erste Risse zeichnen sich ab. So distanzierte sich Petry von ihrem Rechtsaußen Höcke, der in der Öffentlichkeit gerne den harten Nationalisten gibt. Der Bundesvorstand sehe sich „vom derzeitigen Stil“ Höckes „nicht vertreten“, schrieb sie. Höcke verteidigte seinen Kurs, gleichzeitig betonte Petry: „Inhaltlich gibt es keine Differenzen zwischen uns.“ Mit diesem Schlingerkurs wird es ihr nicht gelingen, selbst die Gemäßigte zu mimen und gleichzeitig den Höcke-Flügel unter Kontrolle zu halten. Und so droht Frauke Petry ein ähnliches Ende wie Parteigründer Bernd Lucke, der im Sommer vom Hof gejagt wurde. Ein Ende der AfD würde das nicht bedeuten. Umfragen sehen sie bundesweit bei bis zu zehn Prozent.