Betriebsbesichtigung bei Kreutz & Mock in Neuendorf (Lkr. Main-Spessart), Besuch auf der Lohrer Festwoche: In den Main-Spessart-Kreis kommt Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger besonders gern in diesen Wahlkampftagen, schließlich ist die Region eine Hochburg der Partei. Aber auch die landesweiten Umfragewerte – neun Prozent waren es zuletzt im BR-Bayerntrend – stimmen den 47-jährigen Niederbayer zuversichtlich. Nach zehn Jahren im Maximilianeum möchte Aiwanger die Freien Wähler in eine Regierung mit der CSU führen – und selbst Minister werden.
Frage: Herr Aiwanger, wie oft haben Sie schon geträumt, ab Herbst Minister in Bayern zu sein?
Hubert Aiwanger: Ich schlafe meist tief und fest – und träume nicht von der Politik. Also auch nicht vom Ministeramt.
Aber gefallen würde es Ihnen schon.
Aiwanger: Ich muss nicht Minister sein, das ist nicht mein unbedingter Lebenstraum. Aber wenn wir regieren, dann wird es wohl darauf hinaus laufen. Wichtig für Bayern ist, dass wir Freie Wähler unseren Input einbringen.
Würde eine Regierungsbeteiligung nicht die Aussichten bei der nächsten Kommunalwahl beeinträchtigen? In vielen Städten und Gemeinden verstehen sich die Freien Wähler als Gegenspieler zur CSU.
Aiwanger: Ich glaube, das würden wir auch in einer Koalition weiterhin sein. Wir wollen Impulsgeber für eine bessere Politik sein, nicht nur Mehrheitsbeschaffer wie damals die FDP. Es gibt viele Punkte in der Politik, wo wir den CSU-Kurs korrigieren würden und werden. Das kommt uns dann auch bei den nächsten Wahlen zugute.
Es könnte aber auch knapp werden. Ist denn auch eine Dreier-Koalition mit CSU und FDP denkbar?
Aiwanger: Ich bin ziemlich sicher, dass es für CSU und Freie Wähler deutlich reichen wird. Wir werden die FDP nicht brauchen, falls sie überhaupt ins Parlament kommt.
Was sagen Sie Protestwählern, die mit der CSU unzufrieden sind, aber lieber gleich AfD wählen?
Aiwanger: Denen sage ich: Wer AfD wählt, bekommt die Grünen in der Regierung. Wenn die AfD so viele Stimmen bekäme, dass es für CSU und Freie Wähler nicht reicht, dann wird Bayern künftig von Schwarz-Grün regiert. Jeder potenzielle AfD-Wähler muss sich fragen, ob er das will. Man sieht in vielen anderen Bundesländern: Je stärker die AfD ist, desto mehr linke Parteien regieren. Wer das nicht möchte, den kann ich nur bitten, uns zu wählen, damit wir eine vernünftige wertkonservative Politik machen können – auch im Bereich Asyl. Da sind wir Freie Wähler ja auch nicht linksaußen.
Im Gegenteil. Da sieht es manchmal so aus, als wollten Sie die CSU rechts überholen. Neue Grenzpolizei, ein Landesamt für Asyl, jetzt Ankerzentren. Reicht das nicht, um Sicherheit zu gewährleisten.
Aiwanger: Nein, die CSU muss konkret die Probleme angehen und nicht ständig neue Behörden gründen. Ich glaube sogar, dass mit diesen Neugründungen das Chaos und das Wirrwarr um Zuständigkeiten nur größer werden. Wir sagen seit Jahren, wir müssen mehr Asyl-Richter einstellen, die Schleierfahndung verstärken und die Zuwanderer endlich ordentlich identifizieren. Wir haben immer noch Leute in Bayern, die nicht per Fingerabdruck erfasst sind. Da brauche ich keine neuen Behörden, da müssen wir geltendes Recht anwenden. Das tut die CSU noch zu wenig.
Bisher haben die Freien Wähler aus der Opposition heraus Erfolg gehabt. Das neunjährige Gymnasium ist wieder zurück, zuletzt hat die Staatsregierung aus lauter Angst vor Ihnen die Straßenausbaubeiträge gekippt. Ist es leichter, aus der Opposition heraus Politik zu machen?
Aiwanger: Nein, es ist mit Sicherheit schwieriger. Weil man für jede gute Idee ein Volksbegehren starten muss. Alle anderen Dinge wurden uns immer abgelehnt. Wenn wir jetzt zum Beispiel bei den Straßenausbauträgen nachbessern wollen, dann schaffen wir das nur in der Regierung. Wir wollen den Gemeinden eine sichere Ersatz-Finanzierung geben. Und den Bürgern, die schon gezahlt haben, die Beiträge für ein paar Jahre rückwirkend erstatten.
Ist es wirklich gerechter, wenn alle Steuerzahler zahlen müssen und nicht vor allem die, die vom Straßenausbau profitieren.
Aiwanger: Es ist mit Sicherheit gerechter, weil die Straßen allen gehören, nicht nur den Anliegern. Denen gehören sie häufig am allerwenigstens, die haben nach einem Ausbau oft noch mehr Verkehr vor der Haustür. Autobahnen, Bundes-, Staats- und Kreisstraßen zahlt ja auch die öffentliche Hand.
Jetzt wollen sie den Bürgern auch noch die Kita-Gebühren erlassen. Warum sollen gut verdienende Politiker- oder Journalisten-Eltern nicht dafür zahlen, dass ihre Kinder betreut werden?
Aiwanger: Weil Kinderbetreuung Bildung ist. Gutverdiener zahlen ja auch in der Schule nichts. Da könnte man ja auch sagen, wer gut verdient, muss für sein Kind Schulgeld zahlen. Das ist aus gutem Grund nicht so, egal ob die Eltern Sozialhilfeempfänger oder Millionäre sind. Was in der Schule gilt, muss auch in der Krippe und im Kindergarten gelten. Hinzu kommt, dass viel Bürokratie anfällt, weil schon jetzt rund ein Drittel der Eltern in Bayern von Kita-Gebühren befreit ist. Wir sagen: Wir gönnen den Eltern diese paar hundert Euro, nehmen ihnen diese Last ab. Andere Bundesländer machen es uns vor. Bayern sollte hier nicht Berlin hinterherdackeln.
Kritiker sagen, man sollte das Geld lieber in den Ausbau des Angebots und in die Qualifizierung des Personals stecken?
Aiwanger: Wir sollten das eine tun, ohne das andere zu lassen. In der Schule ist es auch nicht so, dass man sagt, entweder Du zahlst für den Lehrer oder es fällt der Putz von den Wänden. Die Lehrer müssen bezahlt und das Schulhaus in ordentlichem Zustand erhalten werden. Dafür zahlen wir alle Steuern.
Apropos Steuern. Sie kommen selbst aus der Landwirtschaft. Ist es richtig, wenn die Bauern jetzt wegen Ernteeinbußen Millionen aus Steuermitteln fordern? In guten Jahren geben sie ja auch nichts von den Gewinnen ab.
Aiwanger: Wenn die Bauern in so großem Ausmaß wie heuer von einer Dürre betroffen sind, ist es legitim. Auf lange Sicht sage ich aber, im Durchschnitt der Jahre richtet die Bürokratie mehr Schaden in der Landwirtschaft an als Wetterkatastrophen. Sinnvoller als Sonderzahlungen wäre es, den Bauern mehr steuerliche Rückstellungsmöglichkeiten zu erlauben. Heute müssen sie in guten Jahren massiv Steuern zahlen, in schlechten Jahren haben sie dann nichts mehr. Außerdem braucht es einen Abbau von Bürokratie, wir kontrollieren die Bauern zu Tode. Wir fordern mehr konkrete Beratung und einen individuellen Zukunftsplan für jeden der knapp 100 000 Bauernhöfe in Bayern.