Ein Leipziger Kinderzimmer war „Firmenzentrale“ des zeitweise größten Internet-Drogenhandels in Deutschland: Von hier aus soll Maximilian S. (20) über das Darknet, einen schwer zugänglichen Teil des Internets, fast eine Tonne Drogen verkauft haben – auch an Kunden in Würzburg und Karlstadt.
Der Prozess gegen den Gründer des Shops „Shiny Flakes“ (glänzende Flocken) findet ab Dienstag in Leipzig ein großes Medienecho – weil das Darknet immer interessanter für Kriminelle wird, aber auch, weil Maximilian S. unter skrupellosen Computerfreaks längst als nachahmenswerte Legende gilt.
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Bezahlt wurde mit der virtuellen Währung Bitcoins. In Maximilians Internet-Kaufhaus war außer Heroin fast alles im Angebot: Kokain, Ecstasy, LSD und Marihuana. Bestellt wurde im Netz, gezahlt per Vorauskasse, geliefert mit der Post über Tarn-Adressen. „Das war wie ein Amazon-Laden, nur eben für Drogen“, sagte Pedric Kleine, Chef der Kripo in Leipzig.
Nach fast einjähriger Suche observierte die Polizei eine Wohnung im Norden Leipzigs. Als ein Kurier neue Ware brachte, schlugen die Drogenfahnder zu. Statt dem Boss einer Bande, der sich im Milieu vom Kleindealer an die Spitze hochgearbeitet hat, fand sie eine neue Sorte von Kriminellen: Einen 20-Jährigen, der noch bei Mama wohnt, aber im Alleingang fast eine Tonne Rauschgift für vier Millionen Euro vertickt hat., mit Gewinnmargen bis zu 50 Prozent.
Allein im Kinderzimmer lagern 320 Kilogramm Drogen aller Art, wohlsortiert in Regalen. „Wir gehen von mehreren Tausend Kunden aus“, sagt Kripo-Chef Kleine. Einer war ein Kleindealer aus Karlstadt (Lkr. Main-Spessart). Der orderte bei einem halben Dutzend Geschäften in Leipzig Amphetamin im Kilobereich, aber auch ein paar Gramm Koks – und ist inzwischen zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. „Wir haben ein gutes Dutzend Verfahren in Bearbeitung,“ weiß Boris Raufeisen, Sprecher der Würzburger Staatsanwaltschaft.
Maximilian S. ging den Ermittlern zufolge „äußerst konspirativ und hoch professionell“ vor. Er nutzte 2013 zunächst das Darknet für seine Geschäfte. Hier lassen sich Nachrichten dank der Verschlüsselungstechnik so gut wie gar nicht mitlesen oder zurückverfolgen. Im Jahr darauf verkaufte er die Drogen über das offen zugängliche Internet – über die auf Tonga registrierte Internetplattform shiny-flakes.to.
Die in Briefen oder Paketen verpackten Drogen wurden per Einschreiben oder an Packstationen geliefert – und genau das wurde Shiny Flakes zum Verhängnis: Einige Pakete waren zu geizig frankiert. Da sollten sie an den Absender zurückgeschickt werden. Aber um nicht zurückverfolgt werden zu können, gab „Shiny Flakes“ nicht existierende Absende-Adressen an. Die Folge: Pakete warteten vergeblich auf Abholung durch den Versender und wurden geöffnet. Solche Pakete gab es auffallend häufig in Leipzig.
Der Rest war Fleißarbeit der Kripo. Bisher hat sich der Angeklagte nicht zu dem Fall geäußert. Bei einer Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht droht Maximilian S. eine Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren. Bei Anwendung des Jugendstrafrechts muss er mit bis zu zehn Jahren rechnen. Ein Urteil wird frühestens Anfang Oktober erwartet.
Das Szene-Magazin „Vice“ berichtet aus dem Darknet: „Das Ende von Shiny Flakes hat ein Vakuum im Online-Drogenhandel geschaffen“, das Nachahmer wie „Candy-Club“ zu füllen versuchten. Auch eine Internet-Plattform, auf deren Diskussionsforum zuvor nur Shiny Flakes exklusiv Kunden für seinen „Stoff“ gewinnen durfte, gab schon kurz nach der Verhaftung den Markt frei für die Konkurrenz: „Ab sofort ist es wieder erlaubt“ Drogensorten aller Arten anzubieten, hieß es da: „Viel Erfolg!“