Dieses Geständnis überraschte dann doch das Publikum im Internationalen Congress Center München: „Ich habe als Feind des Fernsehens angefangen“, sagte Entertainer Thomas Gottschalk am Mittwoch zum Auftakt der Medientage München. Er habe zu Beginn seiner Karriere eigentlich „Radio machen“ wollen.
Die Diskussion, die sich dem anschloss und die Gottschalk moderierte, brachte dagegen viel Erwartbares – zumindest für das Fachpublikum. Von ZDF-Programmchef Norbert Himmler bis zu Wolfgang Link von „ProSiebenSat.1 TV“ waren sich die Teilnehmer dieses „TV Gipfels“ einig: Um die Zukunft des Fernsehens ist es alles andere als schlecht bestellt. Und das, obwohl den etablierten Sendern die jungen Zuschauer regelrecht wegbrechen, weil sie lieber im Internet surfen als fernzusehen. Und das, obwohl das „klassische Fernsehen“ bereits für tot erklärt wird.
Wer nun meint, dies seien Fach-Diskussionen, der irrt. Denn es geht auch darum, wie wir künftig Fernsehen schauen: Was wir sehen, wie viel, wo, wann und wie. Das Fernsehen befindet sich in einer Umbruchphase – für Mediennutzer seien das rosige Zeiten, meinten die „Medienmacher“. Schließlich sei das Angebot so groß wie nie.
„Kreativ und schnell sein“
Das wiederum stelle eine Riesen-Chance für die Branche dar. TV- und Filmproduzent Fred Kogel von Constantin Medien („Fack ju Göhte 2“, „Er ist wieder da“) schwärmte gar von einem „hervorragenden Ausblick“. Man müsse nur möglichst gute und kreative Programminhalte auf allen Kanälen anbieten und „maximal schnell sein“.
Alles ist gut? Das Fernsehen ist tot, lang lebe das Fernsehen? Das wollte Thomas Gottschalk nicht so recht glauben. Kein Wunder: Fast 21 Millionen Menschen sahen ihn 1990 im ZDF, als er „Wetten, dass . . ?“ präsentierte. Später musste er Niedergang und Einstellung der Show unter Moderator Markus Lanz miterleiden. Eines der letzten TV-Lagerfeuer war erloschen. Nur noch bei Fußballspielen oder dem „Tatort“ versammeln sich Millionen vor den TV-Geräten.
Der Optimismus auf dem Podium wollte auch nicht zu dem passen, worüber Siegfried Schneider, der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, oder die bayerische Wirtschafts- und Medienministerin Ilse Aigner (CSU) in ihren Reden sprachen – von „radikalen Veränderungen“ (Schneider) nämlich und „einem historischen Umbruch“, bei dem „kein Stein auf dem anderen“ bleibe (Aigner). „Wer zu lange zögert, wird von der Entwicklung überrollt“, sagte Aigner. Aus ihrer Sicht müsse die Branche neue Marktchancen flexibler nutzen als bisher, die Politik die Vielfalt der Medien stärken.
Der Optimismus auf dem Podium wollte auch nicht zum sperrigen Motto der Medientage München passen: „Digitale Disruption“. Damit ist gemeint, dass eine innovative Technologie wie das Internet oder eine App bestehende Technologien oder Angebote vollständig ablösen könnte. Bislang zeigte die Geschichte, dass Bestehendes blieb: Die CD etwa verdrängte zwar die Schallplatte, ersetzte sie aber nicht komplett. Auch die Tageszeitung starb mit der Einführung des Fernsehens nicht aus.
Ist das Glas also halb voll oder halb leer? Miriam Meckel, Chefredakteurin der „WirtschaftsWoche“, wies darauf hin, dass der digitale Wandel die Branche vor gewaltige Probleme stelle, ihr aber auch unvorhergesehene Chancen biete – wenn sie Risiken nicht scheue und Mediennutzern bessere Angebote mache: bessere Inhalte und eine bessere Werbung. Mediennutzer müssten eben unaufdringlicher und passgenauer angesprochen werden.
Münchner Medientage
Kongress: Die Medientage München sind nach Veranstalterangaben der größte Medienkongress Europas: Experten aus allen Bereichen der Branche diskutieren in insgesamt 90 Einzelveranstaltungen drei Tage lang über aktuelle Entwicklungen. Das Motto der inzwischen 29. Medientage in München: „Digitale Disruption – Medienzukunft erfolgreich gestalten“. Messe: Neben dem Kongress präsentieren sich auf einer auch für Besucher zugänglichen Messe Medienunternehmen, private wie öffentlich-rechtliche Sender oder Medienfachverbände. Schwerpunktthemen sind unter anderem: Apps, Digital Radio & Audio sowie Video on Demand. Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.medientage.de. AZ