Das kleine Örtchen Bechhofen ein paar Kilometer südlich von Ansbach ist seit mehr als 200 Jahren das Zentrum der deutschen Pinselmacher. Im dortigen Deutschen Pinsel- und Bürstenmuseum dreht sich alles um Borsten und Haare. Ob fürs Klo oder fürs Aquarell.
Hans Zahn ist sich seiner Sache ziemlich sicher. „Jeder hat mindestens 15 verschiedene Produkte aus unserer Branche zu Hause“, sagt der 65 Jahre alte Pinselmachermeister im Ruhestand. Er steht im Eingang des Deutschen Pinsel- und Bürstenmuseums Bechhofen. „Glauben Sie jetzt nicht, gell?“ Und dann fängt er an aufzuzählen: Schuhbürste, Klobürste, Zahnbürste, Mascara-Pinsel, Spülbürste, Aquarellpinsel, Flötenputzer, Rückenbürste, Wurzelbürste, Kehrbesen, Stahlbürste, Flaschenbürste, Rouge-Pinsel, Rasierpinsel, Heizungspinsel. Hans Zahn könnte ewig so weitermachen.
Die 3500 Einwohner große Marktgemeinde Bechhofen ist typisch für Mittelfranken. Die Böden sind karg, Landwirtschaft war hier immer ein besonders mühsames und wenig rentables Geschäft. Vor ungefähr 250 Jahren, erzählt man sich bis heute im Ort, soll sich ein Schreinermeister aus Nördlingen in Bechhofen niedergelassen haben, der auf der Walz in Frankreich das Pinselmachen gelernt hatte. „Das war eine arme Gegend – die Leute haben sich auf jede Möglichkeit gestürzt, mit der man etwas Geld verdienen konnte“, sagt Hans Zahn. Die Investitionen, um Pinsel in Heimarbeit zu fertigen, sind gering. Immer mehr versuchten sich daran.
Schnell entwickelte sich Bechhofen zum Zentrum des Pinselhandwerks in Deutschland. „Ein Pinsel ist, vereinfacht gesagt, alles mit einer einzigen Quaste“, sagt Pinselmachermeister Zahn, „Bürsten bestehen dagegen aus mehreren Bündeln“. Beide Gewerke sind unabhängig voneinander entstanden – und doch sind sie ähnlich, weil sie ähnliche Materialien in ihren Produkten verarbeiten.
In Bechhofen steht deshalb nicht nur ein Museum für Pinsel, sondern eines für Pinsel und Bürsten. Auch wenn die deutschen Hochburgen des Bürstenmacherhandwerks im Erzgebirge und im Schwarzwald zu finden sind: „Für Bürsten braucht man viel Holz.“
Das vor 26 Jahren gegründete Museum entstand eigentlich aus der Not heraus. „Damals mussten immer mehr kleine Pinselfabriken bei uns im Ort schließen“, erläutert Zahn, der seinen Familienbetrieb inzwischen an die beiden Söhne abgegeben hat: „Dann wären viele historische Maschinen und Werkzeuge unwiederbringbar weggeworfen worden.“ Die sind zum Teil noch aus der Zeit, in der sich das Handwerk in Bechhofen etabliert hat. Viel älter ist das Gewerk der Pinselmacher in Deutschland ohnehin nicht. „Bis vor gut 250 Jahren haben die Maler oder Bäcker ihre Pinsel selbst gebaut“, sagt Zahn. Das Handwerk entstand erst dank der Arbeitsteilung.
Im Museum selbst wird der ganz große Bogen gespannt. Von den vielen Tausend Jahre alten Höhlen-Malereien im spanischen Altamira über die stolzen Zünfte und Handwerksgruppen bis hin zur völlig automatisierten Herstellung kleiner Kosmetikbürstchen. Zwischendrin finden sich kleine Abstecher zu asiatischen Schreibpinseln oder den Harzer Hexenbesen, und es bietet viel anschauliche Materialkunde. Es werden die Vorzüge und Nachteile verschiedener Tierhaare und Naturfasern erläutert – und wer sich von Hans Zahn oder einem seiner ehrenamtlichen Mitstreiter durchs Museum führen lässt, bekommt einige Anekdoten erzählt.
Zum Beispiel die von den Schweineborsten. Früher sei das für Metzger ein einträgliches Zusatzgeschäft gewesen, die Borsten an Pinselmacher zu verkaufen. „Heute werden ja nur noch nackerte Schweine gezüchtet und gemästet“, sagt Hans Zahn. Die Borsten müssten also aus Fernost importiert werden, wo noch behaarte Hausschweine üblich seien. „Das lohnt sich kaum noch“, sagt er. Lackierpinsel und günstige Borstenpinsel für den Malunterricht in der Schule würden daher inzwischen fast nur noch in China & Co. hergestellt. Sonst aber sei Asien keine Konkurrenz für die Bechhofener Firmen. Und das habe gleich mehrere Gründe.
„Bei hochwertigen Aquarellpinseln, bei Spezialpinseln für Kosmetik und Industrie und auch bei Spül- und Klobürsten sind einheimische Hersteller noch immer erste Wahl“, erläutert Pinsel-Experte Zahn. Denn: Entweder die Qualität etwa bei den teuren Künstlerpinseln sei bei Fernost-Ware nicht in Ordnung, oder aber die Produktion sei so automatisiert, dass die höheren Lohnkosten in Mittelfranken immer noch günstiger seien als die Verschiffung um die halbe Welt. In Bechhofen arbeiten noch heute rund 2000 Menschen in der Pinselproduktion. „Ich bin mir sicher, dass das in den kommenden Jahren auch so bleibt“, sagt Hans Zahn.