Brandanschläge auf künftige Flüchtlingsunterkünfte – jetzt in Sachsen-Anhalt, vor Monaten im mittelfränkischen Vorra und im oberbayerischen Germering. Dazu ist am Mittwoch internationaler Tag der Sinti und Roma. Genug Gründe, auf die aktuelle Mitte-Studie der Leipziger Universität zu schauen, die sich mit rechtsextremen Haltungen in der Gesellschaft befasst. Sie wird zweijährlich veröffentlicht und bescheinigt Sachsen-Anhalt und Bayern die höchsten Werte der Republik bei rechtsextremen Einstellungen im Alltag.
Die Kriterien, mit denen die Forscher solche Einstellungen identifizieren, nennt Professor Elmar Brähler, Mitautor der Studie: Dazu gehörten übertriebenes Nationalbewusstsein, Ausländerfeindlichkeit und die Idee, es gebe wertes und unwertes Leben. Die Werte für Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus in Bayern liegen bei 33 und 13 Prozent (Sachsen-Anhalt 42 und acht Prozent) – weit über dem Durchschnitt von etwas mehr als 24 und acht Prozent. Die östlichen Bundesländer liegen über dem Durchschnitt, die meisten westlichen darunter.
Standpunkt von Chefredakteur Michael Reinhard
Eine Sonderrolle nehmen Vorbehalte gegen Sinti und Roma in Deutschland ein, sagt Brähler. Nicht nur rechtsextrem Eingestufte lehnen sie heftig ab. 55 Prozent der Deutschen aller Parteien möchten keine Sinti- oder Romafamilien in ihrer Nähe haben. „Am liberalsten sind noch die Anhänger der Grünen, aber auch da sind es 37 Prozent“, so der Psychologe, der die Studien mit Professor Oliver Decker veröffentlicht. Rasant steige zudem die Islamfeindlichkeit.
Warum so viele Bayern rechtsextrem denken, kann Brähler nicht eindeutig erklären. Ebenso eigenartig sei, dass nur in Bayern die Kontakthypothese nicht zutrifft. Nach dieser ist die Ablehnung gegenüber Flüchtlingen niedriger, wo viele Migranten wohnen, Einheimische also leicht die Menschen kennenlernen können.
Jedenfalls spiele es für das Studienergebnis eine Rolle, welche Haltung gerade hoffähig sei, sagt Brähler. So habe sich etwa 2006 eine Aussage des damaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein, der Begriff „Überfremdung“ sei kein Ausdruck der Ausländerfeindlichkeit, sondern Realität, in den Äußerungen der Studienteilnehmer niedergeschlagen.
Jetzt werfen SPD und Grüne der CSU vor, Vorbehalte gegen Fremde aufzugreifen und Ängste zu schüren. Sätze wie „Wer betrügt, der fliegt“ seien Wasser auf die Mühlen Fremdenfeindlicher, so der Rechtsextremismus-Experte der Landtags-SPD, Florian Ritter. Seine Grünen-Kollegin Katharina Schulze fordert die Förderung von Demokratiebildung und zivilgesellschaftlicher Initiativen.
Die Leipziger Forscher sehen hinter der Fremdenfeindlichkeit die Angst, Wohlstand zu verlieren. Eine starke Ökonomie ersetze verlorene nationale Größe und sei generell Trost für fehlende Bindungen an eine Religion. Rückläufige religiöse Bindungen seien in Bayern aber kein Grund für starke rechtsextreme Haltungen, sagt Brähler. Doch der gebürtige Fuldaer kann sich vorstellen, dass das ausgeprägte bayerische Identitätsgefühl und die Lust an deutlichen Worten diese Einstellungen eher zum Vorschein bringen als anderswo.
Im mittelfränkischen Vorra jedenfalls werden im Sommer Asylbewerber in den Gasthof ziehen, der im Dezember gebrannt hatte – auch wenn die Täter noch nicht ermittelt sind. Und ebenso sollen in Tröglitz in Sachsen-Anhalt demnächst Flüchtlinge aufgenommen werden – den rechtsextremen Spitzenwerten in diesen Ländern zum Trotz.