Im Moment sind in den neun bayerischen Spielbanken 733 Mitarbeiter beschäftigt – noch! Finden sich bis 26. Juni nicht 140 Freiwillige, die ihren Job gegen Zahlung einer Abfindung aufgeben, will die Staatliche Lotterieverwaltung (SLV), die für die neun Spielbanken in Bayern zuständig ist, betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Dies geht aus einem Abbauplan der SLV hervor, der dieser Zeitung vorliegt.
Seitdem herrscht Unruhe bei Mitarbeitern und deren Familien. „Sterben auf Raten“ nennt der Bezirkspersonalrat der Bayerischen Spielbanken das Rationalisierungsprogramm, dem „Widerstand mit Fantasie“ entgegengesetzt werden soll. Denn laut einer von Personalratschef Dieter Lipovsky unterzeichneten schriftlichen Stellungnahme sind über den Personalabbau hinaus auch reduzierte Öffnungszeiten, eine weitere Zusammenlegung von Spielsälen und eine Flexibilisierung des Personals, was Arbeitszeiten und Einsatzorte betrifft, vorgesehen.
Mit den geplanten Maßnahmen werde der Freistaat auch seiner Verpflichtung nicht mehr gerecht, die Suchtgefahr wirksam zu bekämpfen: „Man überlässt das Feld den Spielhöllen, die schon jetzt für 80 Prozent der Süchtigen verantwortlich sind“, kritisiert die Personalvertretung in dem Schreiben, das auch an Ministerpräsident Horst Seehofer, Finanzminister Georg Fahrenschon, Staatssekretär Josef Pschierer (alle CSU) und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geschickt wurde.
Die Mitarbeitervertretung will in eine ganz andere Richtung: „Es gibt keine Maßnahmen, den Bruttospielertrag zu erhöhen“, kritisieren Lipovsky, Stellvertreter Wilfried Pfeiffer (Bad Kissingen) und die weiteren Mitglieder des Gremiums. Anstatt 25 Millionen Euro für Abfindungen und Kündigungen auszugeben, solle das Geld investiert werden, um die Erträge aus dem Spielbetrieb nachhaltig zu verbessern. Zudem solle die Umstrukturierung zeitlich bis 2015 gestreckt werden. Die als Begründung für den Personalabbau angeführten Verluste der Spielbanken seien schlicht eine Mär: Zwischen 2001 und 2010 nahmen die Kasinos 1,358 Milliarden Euro ein, was bei Ausgaben von 625 Millionen Euro 733 Millionen Euro für die öffentliche Hand erbrachte. 2002 gab es zudem noch 870 Beschäftigte – bis heute sind also bereits 16 Prozent (137 Personen) abgebaut worden. Auch der von Finanzministerium und SLV prognostizierte Verlust der Kasinos von 8,6 Millionen Euro für 2011 sei eine Irreführung der Öffentlichkeit: Denn unter dem Strich bleibe der öffentlichen Hand – also Freistaat, Bund und den Spielbank-Kommunen – immer noch eine Nettoabführung von 11,3 Millionen Euro, rechnet die Personalvertretung vor. Die staatlichen Stellen seien deshalb aufgefordert, „diesen von interessierter Seite in die Welt gesetzten populistischen Äußerungen entgegenzutreten und sie nicht noch zu unterstützen“.
Das Finanzministerium macht dagegen eine ganz andere Rechnung auf: Der Antwort auf eine schriftliche Anfrage des FDP-Abgeordneten Jörg Rohde etwa ist zu entnehmen, dass in den letzten drei Jahren nur noch die Spielbanken in Bad Wiessee und Feuchtwangen schwarze Zahlen schreiben konnten. Die übrigen sieben Kasinos erwirtschafteten dagegen zum Teil deutliche Verluste: Bilanziert wird etwa für Bad Kissingen 2010 ein Minus von 1,99 Millionen Euro (2009: 1,58/siehe Grafik).
Zudem seien die tatsächlich beim Freistaat verbleibenden Einnahmen aus dem Spielbetrieb von 64,3 Millionen Euro im Jahr 2001 auf knapp 4,9 Millionen Euro 2010 eingebrochen. 2011 sei wohl erstmals ein Zuschuss nötig. „Dass Spielbanken zu Dauerzuschussempfängern werden, ist für mich nicht akzeptabel“, betont Staatssekretär Pschierer gegenüber dieser Zeitung. Um einen „deutlichen Personalabbau“ werde man deshalb „nicht umhinkommen“. Man werde allerdings auch die Vorschläge der Personalvertretung zur Verbesserung der Attraktivität der Kasinos „gewissenhaft prüfen“.
FDP und Grüne im Landtag glauben jedoch nicht, dass sich unter staatlicher Regie das Ruder herumreißen lässt: Sie fordern eine Privatisierung der Spielbanken in Bayern.
„Man darf der CSU einfach keine Bank überlassen.“
Der FDP-MdL Jörg Rohde zu den Verlusten der Spielbanken
Das Staatsmonopol mit der Bekämpfung der Spielsucht zu begründen sei angesichts der unkontrollierten Konkurrenz im Internet „ein verlogenes System“, findet Grünen-Fraktionschef Martin Runge. Strukturpolitik mit Spielbanken zu machen sei nicht mehr möglich, sagt der Liberale Jörg Rohde. Zudem: „Ob Spielbank oder Landesbank: Man darf der CSU einfach keine Bank überlassen“, scherzt der FDP-Mann mit Blick auf die drohenden Verluste.
„Die betroffenen Städte und Landkreise könnten den Verlust der Spielbank-Einnahmen kaum verkraften“, warnt dagegen der Bezirkspersonalrat – und verweist auf fast 158 Millionen Euro, die in den letzten zehn Jahren dorthin (siehe Grafik) geflossen sind. Allein die Stadt Bad Kissingen strich 13,58 Millionen Euro ein. Die Kissinger Spielbank unterstützt zudem das kulturelle Leben in der Region und zahlt für das Kasino auch Miete an den Freistaat.
Während Personalrat Pfeiffer Zweifel am Erfolg des Freiwilligenprogramms hegt („die Jobs sind attraktiv, es fehlt an Alternativen“), klingt Spielbank-Chef Otmar Lutz zuversichtlicher. „Es gibt Interessenten aus allen Altersstufen, auch bei den Jüngeren.“ Am 26. Juni wird Bilanz der Freiwilligenaktion gezogen: Danach drohen noch im Sommer betriebsbedingte Kündigungen.