Fast zwei Millionen Euro lässt sich das Medizinunternehmen Amgen Fortbildungen für Lehrer kosten. Ab November finanziert es auch Kurse in München, für die sich Pädagogen aus ganz Deutschland angemeldet haben.
Verbraucherschützer beobachten das besorgt. Sie befürchten, dass solche Seminare von Firmen die Unabhängigkeit des Schulunterrichts gefährden.
Das Unternehmen Amgen widerspricht den Vorwürfen. „Bei den Kursen geht es nur darum, dass Lehrer moderne wissenschaftliche Methoden kennenlernen können“, sagt eine Sprecherin. Das sei eine Bereicherung für den Unterricht und helfe dabei, die Schüler gezielter aufs Berufsleben vorzubereiten.
Die Firma verweist darauf, dass die Organisation allein beim Deutschen Museum als Partner des Projekts liege. Der dortige Koordinator Peter Schüßler bestätigt das. „Ich hatte am Anfang auch Bedenken – aber Amgen mischt sich bei den Inhalten nicht ein“, sagt er.
Manipulation der Lehrer
Der Verein LobbyControl rät Pädagogen dennoch von dieser Fortbildung ab. „Unternehmen geben so viel Geld nicht selbstlos aus“, sagt Felix Kamella, der sich mit dem Einfluss von Firmen an Schulen beschäftigt. Es gehe immer darum, die Meinung von Lehrern und Schülern zu manipulieren oder zumindest das eigene Image zu verbessern.
Die Finanzierung durch Amgen sei im Vergleich zu anderen Angeboten noch harmlos. So bringe beispielsweise Apple Pädagogen bei, wie sie die Produkte des Unternehmens im Unterricht einsetzen. „Das ist ganz klar Werbung in der Schule“, sagt Kamella. Auch das Angebot von Daimler hält LobbyControl für bedenklich. Der Autobauer bietet unter anderem im November in München Lehrerfortbildungen zum Thema Mobilität an und gestaltet auch Unterrichtsmaterialien mit.
Die Universität Augsburg hat in den vergangenen drei Jahren bei einer Studie ermittelt, dass es im Internet bis zu einer Million kostenlose Lehrmittel für die Schule gibt. Viele stammen von Firmen. Die Forscher fanden bei Umfragen heraus, dass neun von zehn Lehrern diese Materialien nutzen – obwohl viele Zweifel an der Unbedenklichkeit hätten.
Die Staatsregierung schreibt Pädagogen nicht vor, welche Materialien sie einsetzen und welche Fortbildungen sie besuchen dürfen. „Sie haben alle einen Hochschulabschluss und können selbst beurteilen, wie bedenklich ein Angebot ist“, heißt es aus dem Kultusministerium. Wenn Lehrer kritisch damit umgehen, könnten Fortbildungen durch die Wirtschaft auch eine Chance auf einen aktuelleren und praktischeren Unterricht sein.
Lobbyarbeit thematisieren
Während die Politik auf Kontrollen verzichtet, haben einige Anbieter selbst welche eingeführt. So bietet die gemeinnützige Initiative „My Finance Coach“ aus München zwar Unterrichtsmaterialien und Fortbildungen in Zusammenarbeit mit Firmen wie der Allianz Versicherung an.
„Wir lassen aber alles von einem Fachbeirat aus Lehrern, Wissenschaftlern und Bildungsexperten auf Qualität und Unabhängigkeit überprüfen“, sagt Sprecherin Ines van Kaldekerken.
Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) begrüßt solche Kontrollen. Damit Fortbildungen durch Firmen sinnvoll sind, müssten sie aber immer kritisch hinterfragt werden. Es biete sich in dem Zusammenhang auch an, Lobbyarbeit bewusst im Unterricht zu thematisieren.
Grundsätzlich beobachtet der BLLV die Angebote skeptisch. Es bestehe die Gefahr, dass Schulen abhängig von der Wirtschaft werden. „Da der Staat immer weniger Geld für Lehrerfortbildungen ausgibt, wächst der private Markt dafür schnell“, sagt Präsident Klaus Wenzel. Er erwartet, dass sich dieser Trend fortsetzt. Daher müsse sich jede Schule damit auseinandersetzen und Regeln finden.