Im August 2018 stürzte die Morandi-Brücke in Genua ein, 43 Menschen kamen ums Leben. Fünf Jahre später steht erneut eine italienische Brücke und ihre mangelnde Instandhaltung im Fokus. Nach einem Unglück, bei dem 21 Menschen am vergangenen Dienstag starben. Ein Shuttle-Bus, der Touristen von Venedig zu einem Campingplatz in Marghera zurückbringen sollte, war von einer offensichtlich mangelhaft gesicherten Überführung rund zehn Meter in die Tiefe gestürzt. Auch drei Deutsche sind unter den Opfern. 15 Menschen wurden teilweise schwer verletzt.
Die Unfallursache ist am Donnerstag weiterhin nicht geklärt. Allerdings wurde bekannt, dass die Leitplanken an der Rizzardi-Brücke, die der Bus durchbrach, nicht den geltenden Sicherheitsnormen entsprachen. "Die Leitplanke hätte vor zehn Jahren ausgetauscht werden müssen", sagte Alfredo Principio Mortellaro, früherer Direktor der italienischen Agentur für Straßensicherheit und Vorsitzender einer Untersuchungskommission zur Morandi-Tragödie der Zeitung Corriere della Sera. So würden es europäisches und italienisches Recht bestimmen.
Erst vor einem Monat wurden an der Rizzardi-Brücke Renovierungsarbeiten gestartet
"Aus den Bildern wird ersichtlich, dass die Leitplanke entgegen allen Installationsvorschriften durch das Aneinanderreihen einzelner Teile errichtet wurde, dadurch wurde die strukturelle Kontinuität nicht gewährleistet", fügte Mortellaro hinzu. Auf einer Aufnahme der venezianischen Verkehrsüberwachung ist zu sehen, wie der Bus bereits 50 Meter vor der Absturzstelle die Leitplanke streift und sich dann in eine der Lücken zwischen den Leitplanken schiebt. Diese Dynamik hätte den Absturz begünstigt, vermutet die Staatsanwaltschaft Venedig. Sie ermittelt gegen unbekannt wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr.
Für den auf dem Gemeindegebiet von Mestre liegenden betreffenden Straßenabschnitt ist die Stadt Venedig zuständig. Erst vor einem Monat wurden an der Rizzardi-Brücke Renovierungsarbeiten gestartet, die explizit auch die Leitplanken umfassen sollten. Der Beginn dieser Arbeiten mit veranschlagten Kosten von knapp sieben Millionen Euro war bereits ab 2019 geplant, verzögerte sich aber wegen nicht vorhandener Gelder bis jetzt. In der Projektbeschreibung heißt es, die Arbeiten seien notwendig, weil das Ende der 1960er Jahre fertiggestellte Viadukt "seit seinem Bau keine außergewöhnlichen Wartungsarbeiten oder strukturellen Verstärkungen" erfahren hat. Für die Ausbesserungen sollen auch 2,8 Millionen Euro aus einem im Zuge der Corona-Pandemie freigegebenen EU-Fonds fließen.
Geklärt wird nun auch, ob der Busfahrer einen Schwächeanfall erlitten haben könnte
Zur Klärung der Unfallursache erhoffen sich die Ermittler Erkenntnisse aus der Obduktion des 40 Jahre alten italienischen Busfahrers, der unter den Todesopfern ist. Die Gerichtsmedizin soll überprüfen, ob der Fahrer vor dem Unfall etwa einen Schwächeanfall oder Infarkt erlitten hat. Staatsanwalt Bruno Cherchi schloss die Einwirkung anderer Fahrzeuge, die sich zum Unfallzeitpunkt auf der Brücke befanden, aus. "Von den wenigen Überlebenden, die wir befragen konnten, hat keiner etwas Derartiges berichtet", sagte Cherchi.
Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte auch das Mobiltelefon des Busfahrers sowie die Blackbox des Fahrzeugs, in der sich die Aufzeichnungen der drei internen Videokameras des Busses befinden. Ein weiterer Aspekt der Ermittlungen sind die Lithium-Batterien des elektrisch betriebenen Busses, die nach dem Absturz Feuer fingen, weil Gas ausgetreten war. Verkehrsminister Matteo Salvini hatte am Mittwoch behauptet: "Die Leitplanke spielt keine Rolle. Jemand hat mir erzählt, dass elektrische Batterien schneller Feuer fangen als andere Formen der Stromversorgung. In einer Zeit, in der die Leute sagen, dass alles elektrisch sein muss, sollte uns das zu denken geben."