Das gelbe Rennrad ist beinahe selbst schon ein Star. In vier der bislang fünf Franken-„Tatorte“ diente es Fabian Hinrichs als Gefährt, wenn er als Hauptkommissar Felix Voss mal nicht im Dienstwagen unterwegs war. Eigentlich sitzt er die meiste Zeit auf dem Rad, wie von seinen Kollegen am Set in Fürth zu erfahren und auch zu sehen ist. Hier und in Nürnberg wird der sechste Franken-„Tatort“ gedreht. Im Produktions-Lkw lande das Rad nach Drehschluss nicht, berichtet er. Vor ein paar Jahren habe er es privat einem Münchner Frauenarzt über eBay abgekauft – für 300 Euro. „Beim Filmen ist man ja eher fremdbestimmt“, erklärt Hinrichs schmunzelnd, „aber mit meinem Rad kann ich nach den Dreharbeiten hin, wo ich will.“
In Franken drehen sich alle nach dem „Tatort“-Darsteller um
Er fahre dann die Pegnitz rauf und runter, zum Biergarten oder zur Nürnberger Burg. Dann werde er natürlich auch erkannt, ganz anders als beispielsweise in Berlin oder München. „In Franken fühle ich mich manchmal ein bisschen so, als würde ich in einen Saloon kommen“, sagt er. „Da sind plötzlich alle ganz still und drehen sich nach mir um.“
Beinahe 40 Grad zeigt das Thermometer an – jeder, der kann, hält sich im Schatten der Ulmen, Linden und Akazien in der Hornschuchpromenade auf. Doch die Mittagspause geht gerade zu Ende, und die am Vormittag nach vielen Wiederholungen immer noch nicht abgedrehte Szene muss in den Kasten kommen. Das Team um Regisseur Max Färberböck werkelt geschäftig in der Sonne. Auch er hat wenig Zeit, sagt freundlich „Grüß Gott“ und verschwindet wieder. Für ihn ist es schon der dritte Franken-„Tatort“, und er hat auch das Drehbuch dafür verfasst.
Mord mit dem Sushi-Messer
Stephanie Heckner, die verantwortliche Redakteurin des Bayerischen Rundfunks, berichtet von der Handlung: „Hier wohnt Barbara Sprenger“, erzählt sie und deutet auf das Sandsteingebäude. „Sie wurde an ihrem Geburtstag mit einem Sushi-Messer getötet.“
Ein Leichenwagen parkt vor dem Eingang. Heckner berichtet weiter, dass es abgesehen von dem Messer, das die Ermittler gereinigt in der Spülmaschine fänden, keine Spuren am Tatort gebe – eine Kollegin von Sprenger jedoch geständig sei. „Ab hier wird der ,Tatort‘ dann richtig spannend.“
Thema des neuen Teils ist die Sehnsucht nach Liebe
Denn ihr Motiv für den Mord verrate die Kollegin nicht, und so gehe es in dem Streifen mit dem Titel „Die Nacht gehört dir“ um die Suche nach dem Warum. Dabei stelle sich heraus, dass das Opfer auf mehreren Onlineplattformen nach einem Partner gesucht hat. Heckner: „Unser Thema ist die Sehnsucht nach Liebe in einer Zeit, in der die Beziehungsunfähigkeit immer mehr zunimmt.“ Damit schließe man an den ersten Franken-„Tatort“ aus dem Jahr 2015 an, in dem es ebenfalls um die Sehnsucht nach Liebe ging. Wie die Geschichte um den Mord im Sandsteinhaus weitergeht, ist erst im nächsten Jahr im Ersten zu sehen.
Hinrichs schwärmt derweil vom fränkischen Bier, einem hiesigen Thai-Restaurant und seinem Mobiltelefon, einem Klapphandy mit großen Tasten und Notruftaste: „Eigentlich ist es für Senioren. Es kann runterfallen, aber sonst nichts.“ Und er berichtet, dass er die Sonne eigentlich ganz angenehm findet, vermutlich als Einziger im Team. „Oft erzählt man im Film ja Sommer und dreht im Herbst, muss trotzdem im T-Shirt rumlaufen und wird dann krank.“
„Nach sechs Produktionen kennt man sich“
Eli Wasserscheid, die Kommissarin Wanda Goldwasser spielt, sieht das anders: Die Sandsteinmauer etwa strahle ganz schön Hitze ab, zusätzlich zur Sonne. „Aber wir haben hier lauter helfende Elfen“, sagt sie. „Da kommt immer jemand herbei und gibt einem zu trinken, hält einen Sonnenschirm oder wedelt mit einem Fächer.“ Überhaupt fühle sie sich sehr wohl im Franken-„Tatort“, berichtet Wasserscheid: „Nach sechs Produktionen kennt man sich einfach.“ Außerdem stammt die Münchnerin aus Franken, wurde in Bamberg geboren. Begegnungen wie die, von denen Hinrichs berichtet, habe sie jedoch nicht. Dafür arbeite sie zu viel, spiele derzeit auch die „Päpstin“ bei den Luisenburg-Festspielen im fränkischen Wunsiedel.
Ebenfalls Franke und vermutlich der Darsteller mit dem kürzesten Weg ist der in Nürnberg geborene und in Fürth wohnhafte Matthias Egersdörfer. Auch mit ihm spricht die Gruppe über das Wetter, woraufhin der Darsteller von Hauptkommissar Michael Schatz schlicht auf seinen Sonnenhut verweist. Begegnungen mit „Tatort“-Fans liefen meist so ab, dass sie ihm gegenüber nur ein gestammeltes „Tatort, Tatort“ hervorbrächten, berichtet er in fränkischer Gelassenheit: „Ich sage dann ebenfalls Tatort, Tatort, womit sich das erübrigt.“
Dagmar Manzel: Fränkisches Essen ist nicht für Vegetarier

Ein paar Meter weiter lehnt Hinrichs sein Rad an die Sandsteinmauer, diesmal jedoch als Requisit. Dann gesellt er sich zu Dagmar Manzel, der Darstellerin von Hauptkommissarin Paula Ringelhahn, vor die Kamera. Beide tragen Jacken, es ist ihre erste gemeinsame Szene in der Handlung, die Ankunft des Duos am Tatort. Ringelhahn wirkt abgeklärt, Voss eher salopp. „Sein Charakter kommt gerade aus einer lockeren, privaten Situation“, so die Redakteurin. Eine Liebesgeschichte? Wird nicht verraten.
Manzel berichtet nach dem Dreh sichtlich geschafft, mindestens 30 Mal habe man diese Szene nun gedreht. Wie es ihr bei dem Wetter da geht? „Nicht gut.“ Dennoch – sie sei froh, wieder hier zu sein. In dieser Straße etwa, durch die anno 1835 die erste Eisenbahn Deutschlands fuhr. Als Vegetarierin könne sie nicht viel mit dem fränkischen Essen anfangen, aber mit dem fränkischen Bier. Und mit den Franken: „Einmal, als wir gedreht haben, hielten Anwohner einen Zettel ins Fenster, auf dem ,Guter Job!‘ stand.“