Es ist ein schöner Frühlingstag, und ein junges Pärchen hat es sich mit zwei Eistüten auf einer Parkbank am Main gemütlich gemacht. Plötzlich springt er auf und bittet einen Passanten, ein Foto mit seinem Smartphone zu machen. Das Paar strahlt verliebt in die Kamera. Das Foto lädt der junge Mann über sein Handy direkt ins Internet hoch. „Frühlingsgefühle!“ betitelt er im sozialen Netzwerk Facebook das Bild – und fügt den Namen seiner Freundin dazu. Ob die Situation zu einer Abmahnung für die junge Frau führt oder sie gar den Job kostet? Denn: Sowohl der Chef als auch die Kollegen wissen durch Facebook jetzt, dass sie nicht – wie von ihr gemeldet – krank im Bett lag, sondern schlichtweg die Arbeit geschwänzt hat.
Ausrutscher im privaten Bereich
Solche Szenarien gehören mittlerweile zum Alltag. Netzwerke wie Twitter, Facebook oder Xing helfen uns, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen; sie bieten die Möglichkeit zur privaten und geschäftlichen Nutzung. Das Konzept hat Erfolg, die Mitgliederzahlen wachsen. Laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom nutzen 22,6 Millionen Deutsche Facebook, weltweit sind es 845 Millionen Mitglieder. Das Problem: Soziale Netzwerke haben ein großes Fettnäpfchen-Potenzial. Jeder kann mitmachen – aber nicht jeder weiß, wie man pannenfrei vorgeht.
Unangenehm, aber oft ohne größere Nebenwirkungen ist die Art von Ausrutschern, die sich im privaten Bereich abspielen. Eine Nachricht an den falschen Empfänger oder das von der Freundin hochgeladene Bild, auf dem man sich unfassbar unansehnlich findet, sind Patzer der harmloseren Variante. Auch der viel zu offensive Pinnwandeintrag an den heimlichen Schwarm, verfasst in einem unerklärlichen Anflug von Selbstbewusstsein während einer durchzechten Nacht – alles ärgerliche Peinlichkeiten, die aber meist kaum Auswirkungen auf den weiteren Lebensverlauf haben.
Problematisch werden können dagegen Pannen, bei denen Privates plötzlich Einfluss auf Berufliches hat. Das fängt schon vor dem Einstieg in den Beruf an: So kann ein Auftritt in einem sozialen Netzwerk, der zu viel von der privaten Seite eines Bewerbers preisgibt, Grund für eine Absage bei der Jobsuche werden. Bereits 2008 erklärten 22 Prozent der Arbeitgeber bei einer Umfrage des US-Jobportals CareerBuilder, Online-Netzwerke bei der Auswahl ihrer Bewerber miteinzubeziehen. Weitere zehn Prozent wollten dies innerhalb kürzester Zeit etablieren.
Versetzt man sich in die Rolle des Chefs, der sich den ein oder anderen Bewerber auf Facebook vorab näher ansieht, wird schnell klar: Weder das Foto von den fünf Mädels im rosa Häschen-Kostüm noch die Aufreihung „Fernsehen, Futtern, Fummeln“ in der Rubrik „Hobbys“ sind hier angebracht. Auch wird einen potenziellen Chef kaum das Album mit den Bildern vom Partyurlaub auf Mallorca (Cocktaileimer inklusive) oder der Link zum Fan-Lied des 1. FC Nürnberg sonderlich ansprechen. Im ungünstigsten Fall ist er Antialkoholiker und Fan des Nürnberger Lokalrivalen SpVgg Greuther Fürth.
Aber auch für die Unternehmen selbst wimmelt es in Netzwerken wie Facebook nur so von Fettnäpfchen, die schnell gefährlich für die gesamte Organisation werden können. „Auch innerhalb von Betrieben sind die Benutzer oft zu mitteilungsbedürftig und verbreiten so schnell ungewollt Interna in der Öffentlichkeit“, erklärt Christian Ion. Ion ist bei Integralis (Ismaning bei München), einem Dienstleister für IT-Sicherheit, für Informationssicherheit zuständig und bietet Seminare zum Thema „Sicherheitsrisiko Social Media & Web 2.0“ an. „Sowohl auf beruflicher Ebene als auch für den privaten Gebrauch gilt: Erst denken, dann Beiträge auf Facebook veröffentlichen. Machen Sie sich immer klar, wer das Geschriebene lesen wird, für wen ein Foto bestimmt sein sollte – und für wen nicht“, rät er. Dennoch: Ein Auftritt bei Facebook sei für Unternehmen oft ein Mehrwert, so Ion. Seiner Meinung nach ist ein Facebook-Verbot nicht sinnvoll. Er empfiehlt, Sicherheitslösungen für alle Mitarbeiter einzurichten. Oftmals sei schon das Sperren von Zusatzanwendungen und die rechtzeitige Überprüfung der Links, die an Unternehmensmitglieder weitergeleitet werden, eine große Hilfe.
Dass der falsche Umgang mit sozialen Netzwerken auch weitreichende politische Folgen haben kann, ist vielen Nutzern gar nicht bewusst. Ein Beispiel schildert der Gemündener IT-Experte Thomas R. Köhler in seinem Buch „Die Internetfalle“. Wegen eines Facebook-Eintrags wurde ein israelischer Soldat vom Dienst suspendiert und zu zehn Tagen Militärgefängnis verurteilt. „Am Mittwoch räumen wir Qatanah auf, und am Donnerstag kommen wir, so Gott will, nach Hause“, teilte er via Facebook mit. Auch den Namen seiner Einheit und die geplante Uhrzeit der Aktion machte er öffentlich. Der Einsatz musste aus Sicherheitsbedenken abgesagt werden.
Auch Christian Ion weiß von solchen Vorfällen. „Anfang dieses Jahres haben sich unbekannte Nutzer falsche Profile angelegt und vorgetäuscht, hohe Mitglieder der NATO-Armee zu sein. Dann haben sie versucht, mit echten NATO-Mitgliedern über eine Freundschaftsanfrage bei Facebook Kontakt aufzunehmen. So wollten sie an interne Informationen gelangen.“
Nahe an der Realität bleiben
Kommt man auf den „normalen Nutzer von nebenan“ zurück, so bietet die aktuelle Forschung überraschende Erkenntnisse. „Das Potenzial, sich bei Facebook ungewollt unglücklich darzustellen, ist natürlich vorhanden“, stellt Nina Haferkamp, Juniorprofessorin für Medienpsychologie an der TU Dresden, fest. „Die Nutzer bleiben laut unseren Studien mittlerweile jedoch bei ihrem Onlineauftritt sehr nah an der Realität. Das liegt größtenteils an Freunden und Bekannten, die mögliche falsche Darstellungen sofort aufdecken und kommentieren würden.“
Haferkamp erklärt die Online- Ausrutscher vorrangig mit der unzureichenden Berechnung der User. „Fettnäpfchen-Potenzial haben meist spontane Gefühlsäußerungen aus einer Situation heraus, bei deren Veröffentlichung nicht groß nachgedacht wird.“ Ein weiteres Resultat der Studien Haferkamps: „Die User fühlen sich beim Schreiben auf Facebook viel sicherer als bei der Kommunikation auf offener Straße.“ Im Netz müssten sie nicht spontan auf ihr Gegenüber eingehen. Dadurch sei die Hemmschwelle, in einem Eintrag unüberlegt den Gefühlen freien Lauf zu lassen, deutlich niedriger.