Überall Bücher. Im Wohnzimmer. Den Kinderzimmern. Dem einstigen Büro. Kunstbände. Klassiker. Gesammelte Werke von Thomas Mann. Die Menschen, die hier gelebt haben, waren kulturbeflissen. Und begütert. "Das sind mindestens 300 Quadratmeter", schätzt Roland Lanny von der gemeinnützigen GmbH "Brauchbar" in Würzburg, der gerade dabei ist, dieses Haus im Landkreis Main-Spessart mit seinen 17 Zimmern auszuräumen. Der 92-jährige Hausbesitzer ist im Spätsommer gestorben. Zuletzt hatte er alleine in dem großen Haus gelebt.
„Früher waren wir zu acht“, erzählt Elisabeth K. (Namen der Angehörigen geändert). Sie bewohnte zusammen mit ihrer Schwester Cornelia M. das Zimmer unterm Dach. Noch stehen die beiden Jugendbetten da. Auch sind die grünen Kulissen des Puppentheaters mit dem lustigen Krokodil noch nicht beseitigt. „Ich kann mich gar nicht erinnern, was wir damit gespielt haben“, meint Elisabeth. „Ich schon!“, ruft ihre Schwester. Cornelia M., heute 57, war die jüngste unter den Geschwistern. Früher, meint sie, hätten die Älteren oft für die Jüngeren Vorstellungen gegeben.
Seit dem Tod ihres Vaters im September waren die Geschwister fast jeden Tag in dem Haus, in dem sie aufgewachsen sind. Und wo sie viele wunderbare Jahre erlebt haben. Unvergessen für alle ist Weihnachten. "Unsere Mutter hat dann immer alles unglaublich schön geschmückt", sagt Elisabeth. Ganz Berge an Weihnachtsdeko kamen bei der Wohnungsauflösung zum Vorschein. Alles wurde ausgebreitet, die Engel, die Kugeln und das ganze Lametta. Jedes der Kinder nahm sich, was künftig in der Adventszeit das eigene Heim schmücken soll.

Der Abschied vom Elternhaus ist schmerzvoll, sagt Elisabeth: "Hier war immer so viel Leben." Keines der sechs Kinder, die innerhalb von zwölf Jahren zur Welt gekommen waren, ging in den Kindergarten. "Ihr seid so viele, das braucht ihr nicht", hatte die Mutter gemeint. Die vier Schwestern und zwei Brüder konnten sich auch in dem großen Haus und dem weitläufigen Garten nach Herzenslust austoben.
Beim Aufräumen: Keine Zeit für Gefühle
Während die beiden Schwestern in Erinnerungen schwelgen, bauen Roland Lanny und Jürgen Wolf die Küchenmöbel ab. Hier hatte die Mutter unzählige Stunden gestanden. Tag für Tag wurde für acht Personen gekocht. Die Mutter war Hausfrau mit Leidenschaft. Und immer für die Kinder da. Das Gemüse, das mittags auf den Tisch kam, stammte oft aus dem eigenen Garten. "Körbeweise wurde bei uns Wirsing eingekocht", erinnert sich Elisabeth.

Roland Lanny und Jürgen Wolf können sich keine Gefühle leisten. Bis morgen Abend müssen die drei Etagen besenrein sein. Der neue Eigentümer hatte verkündet, dass er kein Interesse an den Einbaumöbeln hat, die seinerzeit für teures Geld spezialangefertigt wurden. Jürgen Wolf nimmt das Nageleisen und setzt es oben an eines der Regalbretter an. Es kracht. Dann fliegt ein Holzstück herunter. Nach und nach werden die Regale und Schränke entlang der Wohnzimmerwand demontiert. Alles, was aus Holz besteht, wird zerlegt und in den Lkw geladen. Ist der voll, geht’s zum Wertstoffhof auf die Waage.
Die meisten Regale waren bereits leergeräumt, als die Männer von "Brauchbar" am Morgen um 8.30 Uhr anrückten. Die Geschwister hatten viel Zeit damit verbracht, die Dinge, die sie selbst nicht mehr wollten, in gute Hände zu bekommen. Zweimal waren Leute von Auktionshäusern da. Nicht ganz so Wertvolles wurde im Internet versteigert.
Aufgeräumter Haushalt oder Messie-Wohnung?
Immer häufiger hat es das Sozialunternehmen mit der Auflösung ganzer Häuser zu tun. Aber natürlich werden noch weit häufiger kleine Wohnungen aufgelöst. Sogar Studierende heuern das Entrümpelungsunternehmen an. "Dass Freunde anrücken, wenn ein Umzug ansteht, wird auch bei jungen Leuten immer seltener", sagt Robert Mayer, der seit 22 Jahren bei "Brauchbar" Dienst tut und für Wohnungsauflösungen zuständig ist.
Nicht immer hat es das "Brauchbar"-Team mit Angehörigen zu tun, die sich im Vorfeld die Mühe machen, die Regale möglichst zu leeren. "Wir sehen auch Messie-Wohnungen", erzählt Mayer. Da steht alles voll. Wege müssen erst gebahnt werden. Ist es schlimm vermüllt, ziehen Lanny, Wolf und die anderen weiße Schutzanzüge an und tragen Mundschutz. Ist es ganz schlimm, lehnt Mayer den Auftrag ab: "Das kam aber bisher nur ein einziges Mal vor."
"Mit am schlimmsten war es, mit den Tagebüchern unserer Eltern, den Briefen und den vielen Fotoalben umzugehen."
Cornelia M., Angehörige
Insgesamt ist die Auftragslage gut. Wer heute anruft, bekommt erst in etwa sechs Wochen einen Termin. Im Falle von Elisabeth K. und Cornelia M. war das kein Problem. Die Schwestern waren einfach nur froh, dass sie beim Entrümpeln Unterstützung hatten. Anders schaut es aus, wenn es sich um Mietwohnungen handelt. Dann, sagt Mayer, ist der Zeitdruck oft groß, weil monatlich Mietkosten auflaufen.

"Mit am schlimmsten war es, mit den Tagebüchern unserer Eltern, den Briefen und den vielen Fotoalben umzugehen", meint Cornelia. Einige Alben wurden unter die Geschwister verteilt. Doch die gesamte Masse an Bilder war einfach nicht unterzubringen. "Nie zuvor ist mir die Vergänglichkeit so bewusst geworden." Cornelia selbst kenne noch fast alle Personen auf den alten Fotos. Ihren Kindern hingegen sind viele der abgebildeten Großtanten und Cousins völlig fremd. Sie werden später nichts mehr damit anfangen können.
Nippes in den eigenen vier Wänden
Die Fotos sollen trotzdem nicht auf den Müll. Sie sollen auch nicht irgendwo abgelegt werden. Dann würde sich die nächste Generation den Kopf zerbrechen müssen, was sie damit macht. "Wir haben beschlossen, sie in Rauch aufgehen zu lassen", sagt Elisabeth. Dazu werden noch mal alle Geschwister zusammenkommen. Und endgültig Abschied nehmen von den Eltern und dem Elternhaus.
Für Elisabth steht fest: "Ich habe aus der Sache gelernt, dass ich frühzeitig beginnen möchte, mich von Dingen zu trennen." So vieles tummelt sich auch in ihrem Haus, das sie eigentlich nicht braucht. Das nicht einmal wertvoll ist. Nippes. Andenken, an denen keinerlei tiefere Erinnerung mehr haftet. Sie möchte ihren Kindern irgendwann nicht zumuten, vor Bergen von Sachen zu stehen und bei jedem Stück entscheiden zu müssen, ob es noch zu etwas taugt. Oder reif für den Müll ist.
Was man beim Entrümpeln beachten sollte Wohnungsauflösungen müssen gründlich vorbereitet werden. Bevor es zur Entrümpelung kommt, findet deshalb meist ein Vor-Ort-Termin statt, bei dem die Auflösung mit dem Kunden im Detail besprochen wird. Was will ich behalten? Wovon kann ich mich trennen? Diese Frage sollte entschieden werden, bevor die Auflösung in Auftrag gegeben wird. Wenig Sinn macht es, Gegenstände aus der zu entrümpelnden Wohnung zu nehmen, um sie dann in den eigenen Keller zu stellen und dort verstauben zu lassen. Unterlagen sollten sorgfältig gesichtet, wichtige Dokumente vor der Entrümpelung aus der Wohnung geholt werden. Wertgegenstände, Kunstwerke und Objekte von ideellem Wert sollten aus der Wohnung entfernt werden, bevor die Entrümpelungsfirma anrückt. Was ist noch verwertbar? Gemeinnützige Unternehmen wie "Brauchbar" bieten an, Gegenstände mitzunehmen, um sie, zum Beispiel über Sozialkaufhäuser, wieder in den Konsumkreislauf zurückzuführen. Das betrifft Möbel, Geschirr, Lampen, Bücher, Nippes oder Kleidung. Dafür gibt es auf Wunsch auch eine Spendenquittung. Kleinigkeiten selbst zu entsorgen spart Geld. Das liegt daran, dass kommunale Unternehmen wie die Würzburger Recycling GmbH von Entrümpelungsfirmen Müllgebühren verlangen. Bürger hingegen können das, was sie nicht mehr brauchen, kostenlos bei Wertstoffhöfen abgeben. Der Herd muss vor der Auflösung von einem Starkstrom-Fachmann von der Stromversorgung, die Spüle von einem Installateur von der Wasserversorgung abgetrennt werden. Vorab sollte mit dem Vermieter geklärt werden, was alles beseitigt werden muss. Müssen sämtliche Tapeten runter? Sollen die Teppichböden entfernt werden? Wie verhält es sich mit Lampen, Gardinen und Gardinenstangen? Meist dauert eine Wohnungsauflösung länger als einen ganzen Tag. Die Kosten variieren von Wohnung zu Wohnung sehr stark. Ein Haus zu entrümpeln, kann eine ganze Woche in Anspruch nehmen. Wer mit insgesamt mindestens 1000 Euro rechnet, ist in den meisten Fällen auf der sicheren Seite.