Es ist in der Tat eine schwer zu vergessende Vorstellung, die der Audi RS6 Avant Performance abliefert. Wenn man Autos im alltäglichen Fahrbetrieb unter die Lupe nimmt, muss man bisweilen schon nach Besonderheiten suchen. Das ist bei diesem Testwagen anders: Der vermutlich stärkste (wahrscheinlich auch teuerste) Serienkombi der Welt hinterlässt bei unseren Testfahrten gleich mehrere bleibende Eindrücke.
Antrieb: Der 4,0-Liter-TFSI-Motor mit acht Zylindern leistet 605 PS/445 kW bei 6100 Umdrehungen pro Minute und stemmt ab 1750 Touren sein maximales Drehmoment von 700 Newtonmetern auf die Kurbelwelle. Mit Overboost werden es gar 750 Newtonmeter. Klar, dass bei solchen Werten bärige Kraft aus dem Motorraum kommt. Bereits im Comfort-Fahrmodus spürt der Rücken beim Beschleunigen die Sitzlehne deutlich. Im Dynamic-Modus (daneben gibt es noch die Fahrprogramme Auto und Individual), wenn es in knapp vier Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h geht, steigert sich der Anpressdruck im Sitz doch noch mal deutlich. Überhaupt ist Beschleunigung der Spaßfaktor im RS6 Performance. Auf die Spitzengeschwindigkeit dieser offenen Performance-Version von knapp über 300 km/h ist – Verzeihung! – gepfiffen.
Denn wer außer uns setzt sich schon nachts für den Versuch ins Auto, den Ingolstädter Kraftprotz auf einer kilometerlangen Geraden ausfahren zu können? Da macht Beschleunigen beim zügigen Überholen – freilich ohne zu drängeln – und die flotte Kurvenfahrt doch eindeutig mehr Laune.
Beeindruckend ist auch die Sportabgasanlage, die aus den dicken, ovalen Endrohren ein sattes Brabbeln, Brummen und deutliche Gasstöße vernehmen lässt. Geschaltet wird dieser Audi über eine 8-Stufen-Automatik, die ambitioniert, exakt und dennoch geschmeidig zu Werke geht.
Verzögerung und Fahrwerk: Wer den knapp über zwei Tonnen schweren Sportkombi flott fährt, lernt die Fähigkeiten einer Hochleistungsbremsanlage zu schätzen. Die Keramikbremse mit einem vorderen Scheibendurchmesser von rund 42 (!) Zentimetern ist extrem bissig und bremst punktgenau ein. Das Sportfahrwerk mit Dynamic Ride Control ist äußerst stabil und nahezu ohne Wankverhalten. Für die ausgedehnte Reise empfiehlt sich der Comfort-Modus, der den 4,98 Meter langen Wagen mit seinem Radstand von 2,92 Metern doch weicher auf die Straße setzt. Alles andere als ein Allradantrieb wäre für diesen Sportkombi auf Dauer ungesund.
Die Kraftverteilung auf alle Viere ist für ein 605-PS-Auto, was Fahrsicherheit und Vortrieb anbelangt, absolut zwingend. Die Lenkung ist äußerst direkt angelegt und reagiert tadellos. Etwas von Nachteil kann der doch recht große Wendekreis von knapp zwölf Metern sein.
Passagierraum: Der Platz hinter dem Cockpit ist klar auf den Fahrer zentriert. Die Instrumentierung liegt gut im Blick, die wichtigen Bedienelemente sind ergonomisch einwandfrei angeordnet, so dass sich der Fahrer voll auf den Verkehr konzentrieren kann. Die in Wabenform gesteppten Sportledersitze bieten extremen Seitenhalt und sind auch für die Langstrecke gemacht. Im Fond dieses viersitzigen RS6 Avant Performance finden zwei Fahrgäste mehr als ausreichend Platz. Die Alltagstauglichkeit eines Autos hängt auch am Kofferraum. Der ist im Testwagen mit einer Ladekantenhöhe von 63 Zentimetern ohne weitere Hindernisse zu erreichen. Der Kofferraum fasst zwischen 565 und 1680 Liter – in einem Sportwagen wohlgemerkt. Das dieser Luxus-Sportkombi sehr gut verarbeitet war und auch sein muss, versteht sich von selbst.
Durst: Der RS6 Avant hat bleibenden Eindruck hinterlassen – auch beim Verbrauch. Die 9,6 Liter auf 100 Kilometer, die der Hersteller angibt, schaffte unser Wagen nur bei Tempo 80 km/h ohne große Gasfußbewegung. Im Stadtverkehr mit Start-Stopp-System brauchte er rund 12,5 Liter, auf der Autobahn bei Tempo 130 waren es 11 Liter im Schnitt. Reisegeschwindigkeiten von 180 km/h quittierte er mit etwa 16 Litern und über den Spritverbrauch bei Vollgas im Dynamic-Modus sei nur gesagt: Deutlich über 20 Liter. Aber das weiß man, wenn man einen 600-PS-Wagen mit zwei Tonnen Gewicht kauft. Das ist dann eben kein Vernunftauto. Unser Durchschnitt über den gesamten Testzeitraum lag bei 13,3 Litern.
Preis: Der Audi RS6 Avant Performance kostet in der Basisversion 117 000 Euro. Der Testwagen mit Keramikbremse, Dynamiklenkung, Sportdifferenzial, RS-Sportfahrwerk, Anhebung der Höchstgeschwindigkeit, Matrix-LED-Scheinwerfer, Audi pre sense plus, Head-up-Display, Umgebungskameras, Leder-Design-Paket und Bang&Olufsen Sound-System brachte es auf knapp 160 000 Euro.