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85. Geburtstag: Karlheinz Böhms Sehnsüchte

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85. Geburtstag: Karlheinz Böhms Sehnsüchte

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    Auf Augenhöhe: Karlheinz Böhm hat sich auch in Äthiopien als Lernender verstanden – und Millionen Menschen bei der „Selbstentwicklung“ geholfen.
    Auf Augenhöhe: Karlheinz Böhm hat sich auch in Äthiopien als Lernender verstanden – und Millionen Menschen bei der „Selbstentwicklung“ geholfen. Foto: Fotos: Alice Natter, dpa, Cinetext

    Es ist wohl der letzte große Bruch im Leben des Karlheinz Böhm. Wie sein Sohn Michael jüngst verriet, leidet der einst gefeierte Schauspieler (siehe auch die graue Infobox unten) schwer an Alzheimer-Erkrankung. Tatsächlich wissen nur engste Freunde und die Familie, wie es um ihn steht. In die Öffentlichkeit begibt sich der Gründer und langjährige Vorsitzende der Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“ nicht mehr. Und so dürfte auch sein 85. Geburtstag an diesem Samstag, 16. März, ein vergleichsweise stiller werden.

    Um seine Äthiopienhilfe, die untrennbar mit Böhms Namen verbunden ist, war es zuletzt gar nicht still. Dafür sorgte ein Trommelfeuer der „Bild“-Zeitung mit schweren Vorwürfen eines angeblichen Millionensponsors: Die Stiftung habe Gelder nicht in seinem Sinne verwendet, sondern vergeudet. „Menschen für Menschen“ wies die Kritik energisch zurück (wir berichteten). Böhms äthiopische Ehefrau Almaz – seit Ende 2011 als Vorstandsvorsitzende an der Spitze der Organisation – sprach von „Lügen“. Man erstattete Anzeige wegen Verleumdung. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), der sogenannte Spenden-TÜV, führt gerade eine Sonderprüfung durch. Der Geschäftsführer von „Menschen für Menschen“ ist inzwischen zurückgetreten.

    Wut über die Ungerechtigkeit in der Welt

    Karlheinz Böhm war der Übervater, war 30 Jahre lang die Integrationsfigur seiner Hilfsorganisation. Bricht nun auseinander, was er mit Autorität und Popularität zusammengehalten hat? Es ist unwahrscheinlich. Dafür wird „Menschen für Menschen“ von einer viel zu nachhaltigen Struktur getragen, ist viel zu verwurzelt in Äthiopien und bei den Ehrenamtlichen in Deutschland. Falls doch, dann wäre Böhm mit einem seiner großen Ziele gescheitert – die geordnete Übergabe der Führung an seine Ehefrau. „Es ist ein gutes Gefühl, mein Lebenswerk in den besten Händen zu wissen“, sagte er einmal über sie.

    Mit der studierten Rinderzuchtexpertin Almaz Teshome hat Böhm in den 80er Jahren in Äthiopien seine späte große Liebe gefunden. Nach fünf Kindern aus drei Ehen zog er mit der heute 48-Jährigen die Kinder Nicolas (22) und Aida (20) groß. „Hier in Äthiopien“, so Böhm, „hat sich all meine Sehnsucht in einer wunderbaren Weise erfüllt.“ Er war immer ein Suchender, ein Zweifelnder und ein Wütender. Wut über die Ungerechtigkeit in der Welt, über den Graben zwischen Arm und Reich. Diese Wut, das betonte er stets, war für ihn der Hauptmotor seines Engagements und seiner radikalen Lebensveränderung 1981. Ein Bruch? Eher der konsequente Endpunkt einer krisenhaften Dekade.

    Böhm tritt am 16. Mai 1981 in der Fernsehsendung „Wetten, dass . .?“ vor die Kameras, er stottert, verhaspelt sich vor Aufregung – und wettet, dass nicht jeder Dritte in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereit sei, eine Mark (sieben Schilling oder einen Franken) für Not leidende Menschen in Afrika zu spenden. Böhm gewinnt die Wette. Es kommen „nur“ 1,7 Millionen Mark zusammen. Der Schauspieler will sich persönlich um den Einsatz der Spenden kümmern. Böhms neues Leben in Äthiopien beginnt.

    Kurz vor seinem Abflug nach Afrika stirbt sein Vater, der weltberühmte Dirigent Karl Böhm. Wenig später seine Mutter, die gefeierte Sopranistin Thea Linhard. So wird das Jahr 1981 für Karlheinz Böhm der Beginn einer Selbstfindung, Selbstbefreiung und Loslösung – nicht zuletzt von Eltern, die mit Autorität und Strenge das Einzelkind in jungen Jahren zum Einzelgänger machten. Die Probleme des heranwachsenden Filmstars gipfelten in einem Suizidversuch. Als er 20 ist, schneidet er sich die Schlagader auf, weil er seine Eltern eine Dreiviertelstunde vor verschlossener Haustür warten ließ und mit Liebesentzug bestraft wurde. Böhm überlebt nur durch einen Zufall.

    Die Suche nach Liebe – privat scheiterte Böhm damit in drei Ehen und schaut selbstkritisch darauf zurück. Ja, er habe seinen Frauen damals die Luft zum Atmen genommen. Nach der „Sissi“-Trilogie in den 50er Jahren war er ein gefeierter Star, doch seinen Nächsten machte er es nicht immer leicht. Die einen sprechen vom starken Willen, andere von Sturheit. Meinungsverschiedenheiten auszutragen, gehörte nicht zu seinen Stärken. Bezeichnend, dass er sich 1983 ausgerechnet mit Hugo von Hofmannsthals Stück „Der Schwierige“ endgültig von der Theaterbühne verabschiedete. Schauspieler aber ist er immer geblieben, darauf legte der heute in Grödig (bei Salzburg) lebende Böhm stets großen Wert. Zuletzt spielte er nur noch sich selbst: als unbequemer Streiter für eine gerechtere Welt. Als Humanist und Pazifist. Als Kämpfer gegen die Armut – und viele Jahre als lautstarker Anwalt äthiopischer Mädchen gegen die brutale Tradition der Beschneidung. Wer Böhms Appelle in äthiopischen Dörfern gehört hat, wusste: Hier ist ein Überzeugungstäter am Werk. Was zu seiner Philosophie des eigenen Seins passt.

    Das rosarote Marzipanschweinchen-Image

    „Man muss sich zu allem bekennen, was man im Leben gemacht hat“, sagte er einst und meint damit seinen privaten Lebenswandel genauso wie die sozialkritischen Fassbinder-Filme und natürlich die „Sissi“-Schnulzen. Das rosarote Marzipanschweinchen-Image als Kaiser Franz Joseph (an der Seite von Romy Schneider) wird bis ans Lebensende an ihm kleben. Doch Böhm stand immer zu dieser Rolle. Damals, in den 50er Jahren, seien das gut gemachte Unterhaltungsfilme gewesen. Nicht mehr, nicht weniger.

    Und doch so unbedeutend im Vergleich zu dem, was er seit 1981 in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Welt, aufgebaut hat. 4,6 Millionen Menschen profitieren heute von der Arbeit von „Menschen für Menschen“. Allein über 300 Schulen wurden gebaut – darunter die „Main-Post-Schule“ in Wolkebela, finanziert von den Lesern der Zeitung nach einer Wette mit Karlheinz Böhm im Jahr 2004. Auch eine Gesundheitsstation konnte damals mit den Spenden aus Mainfranken gebaut werden. Dass sie in Addis Abeba einen Platz nach Böhm benannt, ein Denkmal für ihn errichtet haben – er konnte sich schwer dagegen wehren. Was ihn aber wirklich stolz macht, ist die äthiopische Ehrenstaatsbürgerschaft. Man hat sie ihm 2003 verliehen. Damit ist er endgültig einer der ihren geworden. In dem Land, das Böhms eigene Sehnsüchte erfüllt hat. In dem Land, das er einst demütig mit der Losung des griechischen Philosophen Sokrates betreten hatte: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“

    Filme mit Karlheinz Böhm

    1948: Der Engel mit der Posaune 1952: Alraune 1952: Haus des Lebens 1952: Der Weibertausch 1953: Salto Mortale 1954: Und ewig bleibt die Liebe 1955: Dunja 1955: Sissi 1956: Sissi – Die junge Kaiserin 1956: Die Ehe des Dr. med. Danwitz 1957: Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin 1957: Das Schloss in Tirol 1957: Blaue Jungs 1958: Das haut einen Seemann doch nicht um 1958: Man müsste nochmal zwanzig sein 1959: La Paloma 1958: Das Dreimäderlhaus 1960: Augen der Angst (Peeping Tom) 1960: Der Gauner und der liebe Gott 1962: Schicksals-Sinfonie 1962: Die wundervolle Welt der Brüder Grimm 1962: Die vier apokalyptischen Reiter 1963: Flieg mit mir ins Glück 1969: Traumnovelle 1973: Schloss Hubertus 1974: Martha 1974: Faustrecht der Freiheit 1974: Fontane – Effi Briest 1975: Mutter Küsters Fahrt zum Himmel 1978: Tatort: Schwarze Einser Quelle: Wikipedia

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