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Als für Wolfgang Niedecken der Herbst begann

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Als für Wolfgang Niedecken der Herbst begann

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    Wolfgang Niedecken: „Mein Sommer ist zu Ende.“
    Wolfgang Niedecken: „Mein Sommer ist zu Ende.“ Foto: Foto: dpa

    Knapp zwei Jahre nach seinem Schlaganfall dreht Wolfgang Niedecken (62) wieder auf: neues Album („Zosamme alt“), neues Buch („Zugabe – Die Geschichte einer Rückkehr“), neue Tour. Im Gespräch plaudert der Kölner, Gründer und Sänger der Kölschrock-Band BAP, offen auch über Krankheit und Alter.

    Frage: Was hat sich durch den Schlaganfall vor zwei Jahren für Sie geändert?

    Wolfgang Niedecken: Zunächst mal ist mir bewusst geworden, dass mein Sommer zu Ende ist. Das ist ja auch der erste Satz des Songs „Zosamme alt“. Dieser Sommer dauerte fast 40 Jahre: vom Tag meines Examens auf der Kunsthochschule im Juli 1974 bis zum 2. November 2011, dem Tag des Schlaganfalls.

    Bis dahin war Älterwerden nie ein Thema für Sie?

    Niedecken: Natürlich bin ich vor zwei Jahren gefragt worden, wie sich das anfühlt, wenn man als Rock 'n' Roller 60 wird. Aber wenn man wie ich von einer lebhaften Familie umgeben und ständig in Bewegung ist, wenn man permanent neue Eindrücke sammelt, denkt man nicht über sein Alter nach.

    Am 2. November 2011 war demnach Herbstanfang?

    Niedecken: Ja, das war mir sofort klar, als ich aus der Narkose erwacht bin. Aber nach dem Herbst kommt ja noch eine Jahreszeit, es gibt also keinen Anlass für Larmoyanz.

    Leben Sie heute anders als vor zwei Jahren?

    Niedecken: Ich achte etwas mehr auf mich und gehe behutsamer mit meinen Kräften um. Aber der Schlaganfall war ja keine Folge von Überanstrengung oder einem exzessiven Lebensstil. Ich lebe schon ewig vegetarisch, habe seit 34 Jahren keine Zigarette mehr angerührt, trinke keinen Alkohol und leide auch nicht unter hohem Blutdruck, ich passe also überhaupt nicht in die Risikogruppe.

    Wie kam es dann zu dem Schlaganfall?

    Niedecken: Ich hatte aus einem Wohnmobilurlaub durch diverse amerikanische Nationalparks eine hartnäckige Erkältung mitgebracht. Durch das ständige Husten hat sich in der Halsschlagader eine Wunde gebildet, aus dann der ein Blutgerinnsel in den Kopf gestiegen ist.

    Sie gehen offen mit der Krankheit um, viele andere Künstler machen lieber ein Geheimnis aus solchen Vorfällen. Warum?

    Niedecken: Es gibt einige Medien, die in der Beziehung ziemlich gnadenlos sind. Für die sind Alterserscheinungen bei Rock-Stars so gut wie ein Todesurteil. Aber so etwas hat auch viel damit zu tun, wie man sich selbst verhält. Wer ständig diesen Jugendwahn bedient, darf sich nicht wundern, wenn er auch daran gemessen wird.

    Wie geht es Ihnen heute im Vergleich zum Sommer 2011?

    Niedecken: Gut, ich bin praktisch wieder der Alte, bis auf gelegentliche Schreibfehler hat der Schlaganfall keine Folgen hinterlassen.

    In Ihrem Buch steht der Satz, Sie hätten damals „die Deckung vernachlässigt“. Was meinen Sie damit?

    Niedecken: In dem Jahr war viel los: Ich wurde 60, BAP gab es seit 35 Jahren, dann hatte ich auch noch das Buch „Für 'ne Moment“ geschrieben und war auf Lesereise. Dadurch habe ich meinen Sport vernachlässigt. Heute halte ich mir den frühen Vormittag konsequent frei, um schwimmen zu gehen oder Fahrrad zu fahren. Ich bin jetzt in einem Alter, in dem man mit seinen Kräften haushalten muss, und das keineswegs bloß als Künstler.

    Sie beschreiben in Ihrem Buch ziemlich schonungslos, wie Ihre erste Ehe an Ihrem Erfolg zerbrochen ist. Ist das umtriebige Leben eines Rock-Stars nicht sowieso Gift für eine Beziehung?

    Niedecken: Als ich meine erste Frau kennengelernt habe, bin ich bloß in Kölner Eckkneipen aufgetreten. Aber dann haben sich unsere Lebenswege in unterschiedliche Richtungen entwickelt, und je mehr ich unterwegs war, desto schlechter wurde die Stimmung zu Hause, das war ein echter Teufelskreis. Aber es stimmt schon, das Leben in dieser Branche ist absolut nicht familienkompatibel. Im Unterschied zur ersten Ehe wusste meine zweite Frau, worauf sie sich einließ, als sie mich im Jahr 1994 heiratete.

    Einige der Liebeslieder auf „Zosamme alt“, die Sie ihr gewidmet haben, klingen sehr melancholisch. Müssten Sie als Rheinländer nicht mehr Frohnatur sein?

    Niedecken: Ich bin wohl eine melancholische Frohnatur, und das ist auch gut so, sonst hätten meine Stücke nicht diese Spannbreite vom Liebeslied bis zum Politsong. Aber grundsätzlich bin ich sehr dankbar für das Leben, das ich führen darf. Ich kann mich noch genau an das Gefühl erinnern, als ich 1970 in der Kunsthochschule angenommen worden bin: nie wieder Latein, Physik oder Algebra; jetzt beschäftige ich mich nur noch mit Sachen, die mir Spaß machen. Dieser Zustand dauert bis heute an. Dass ich mit meiner Musik auch noch meine mittlerweile recht große Familie ernähren kann, hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet.

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