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WÜRZBURG: Amy Winehouse aus dem Reich der Toten

WÜRZBURG

Amy Winehouse aus dem Reich der Toten

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    Lioness, die Löwin: Knapp ein halbes Jahr nach ihrem Tod erscheint das dritte Amy-Winehouse-Album.
    Lioness, die Löwin: Knapp ein halbes Jahr nach ihrem Tod erscheint das dritte Amy-Winehouse-Album. Foto: Foto: dpa

    Nur 27 Jahre ist sie geworden, aber ihre Stimme klingt, als sei sie verschüttet unter hundert Jahren Einsamkeit. Alles, was ein Leben versammeln kann, liegt darin, sie ist raubauzig, kauzig, durchdringend, laut. Das neue, dritte, ab Freitag, 2. Dezember, käufliche Album von Amy Winehouse („Lioness: Hidden Treasures“) versammelt zwölf nachgelassene Lieder, die meisten davon bislang unveröffentlicht, obwohl viele schon zu hören waren – bei Auftritten zu Beginn ihrer Karriere. Andere sind Outtakes, bei Sessions mitgeschnitten.

    „Lioness“, die Löwin, spricht uns noch einmal an, aus dem Reich der Toten. In der blues-souligen Stimme der Verstorbenen weht Melancholie mit, aber auch die Kraft einer scheinbar Unerschütterlichen. Man will nicht glauben, dass ihr diese Kraft am Ende verloren ging. Im Juli dieses Jahres wurde die Sängerin in ihrer Londoner Wohnung tot aufgefunden. Todesursache war eine Alkoholvergiftung, sie starb allein.

    Wieder und wieder aus dem Takt

    Nach „Frank“ (2003) und „Back To Black“ (2006) – dieses Album wurde mehr als zehn Millionen Mal verkauft und brachte die Retro-Soul-Welle in Schwung – ist ihr (vorerst) finales Werk nicht rund. Amy Winehouse tingelte lieber durch die Hallen, stand auf ihren mageren Kinderbeinen und mit schiefem Lächeln auf Bühnen, mit aufgespritzten Lippen und dunkel umrandeten Augen, die Haare mächtig aufgetürmt, die flachen Hüften und die wie kleine Türme aussehenden Silikonbrüste vorgestreckt, und ließ das Publikum daran teilhaben, wie wieder und wieder ihre Stimme strauchelte und aus dem Takt geriet. Manchmal war ihr auch der Text entfallen. Sie verschlang Betäubungsmittel und Alkohol, in den Nächten war sie allein und fand am Tag darauf nur schwer aus dem Schlaf. Sie hatte zu wenig Disziplin, um im Studio konzentriert eine Platte aufzunehmen. Deshalb sind die Coverversionen von Jazz- und Soul-Hits dem Zufall abgerungen, den Stunden, in denen es sie mal im Studio hielt. Der Klassiker „Will you still love me tomorrow“ ist aber immer noch so herzergreifend, dass sich allein wegen dieses Titels der Albumkauf lohnt. So verzweifelt kann vielleicht nur eine Drogenabhängige in ihren wachen Momenten um Liebe betteln. Überhaupt ist Trauer in alle Songs gesickert. „Best Friends“ und „Wake up alone“ belegen das, selbst im heiteren Schunkler „Our Day will come“ und im liebevollen, fast zärtlichen Kompliment an das Mädchen „Valerie“ versteckt sich Bitterkeit.

    Amy Winehouse singt wie eine Außerirdische, vielleicht deshalb stellen sich sofort Phantomschmerzen beim Hören ein. Vielleicht aber auch, weil sie auf dem Album scheinbar spielend leicht die Oktaven wechselt, Töne souverän beherrscht und zum vollen Stimmeinsatz mit allen Kapriolen in der Lage ist. So war sie in den letzten Jahren nicht mehr zu hören.

    Verzweifelte Gedanken

    Die ältesten Stücke („Girl from Ipanema“) sang sie mit 18, acht, neun Jahre später war ihre Stimme gealtert, wie die jüngste Aufnahme zeigt, ein Duett mit dem US-Crooner Tony Bennett („Body and Soul“), gnädig grundiert von Streichorchesterklängen. Tief unter die Haut geht „Tears dry on their own“, ihre Selbstvergewisserungshymne, mit der sie ihrer Verlassenheit und der verqueren Beziehung mit dem lieblosen Blake Fielder-Civil zu widerstehen versucht, die Stimme ins Schwerfällige abgesunken, in verzweifelte, verhasste Gedanken. Da konnte ihr schon niemand mehr helfen. Das Schlusslied, „A Song for you“ von Donny Hathaway, den sie am meisten verehrte, ist eine düstere Prophezeiung: „Und wenn mein Leben vorbei ist / denk daran, wie wir zusammen waren / wir waren allein, und ich sang dieses Lied für dich.“

    Amy Winehouse: Lioness: Hidden Treasures (Universal, ab Freitag, 2. Dezember, im Handel)

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