Enge T-Shirts, übergroße Brille, Locken: Die Kunstfigur Atze Schröder, am 11. Dezember mal wieder in der Würzburger s.Oliver Arena zu Gast, spricht über Politik, Revolution und das dumme Deutschland.
Frage: Herzlichen Glückwunsch nachträglich, Sie hatten neulich Geburtstag.
Atze Schröder: Ich bin noch in der Nachdepression. Wir haben schwer gefeiert, wird ja nicht leichter mit dem Alter. Also der Tag danach hauptsächlich.
Gratuliere ich da Ihnen oder Ihrer Figur?
Schröder: Die beiden sind eh ständig zusammen, das passt schon.
Sie hatten an dem Tag Geburtstag, an dem Deutschland gewählt hat. Wie politisch sind Sie?
Schröder: Privat sehr politisch. Auf der Party hatte ich ab 18 Uhr immer ein Auge auf die Leinwand, die wir aufgebaut hatten, und es wurde im Laufe des Abends tatsächlich eine Wahlparty. Ich habe auch Leute im Umfeld, die sich dafür sehr interessieren und die sonst wahrscheinlich gegangen wären.
Was wird sich denn jetzt in unserem Land verändern?
Schröder: Die SPD wird sich verändern. Und in vier Jahren haben wir wahrscheinlich eine echte Revolution. Es gibt ja so viele Revolutionen. Wir haben im Moment allerdings vor allem eine Mode-Revolution im deutschen Bundestag: Es wird alles noch schicker. Guttenberg, Westerwelle, Wowereit, alle tragen tadellose Anzüge, sind durchgestylt und durchgegelt. Wowi und Westerwelle streiten sich schon drum, wer neben Guttenberg sitzen darf.
Anzug-Tragen ist ja nicht Atzes Stil.
Schröder: Nee. Ich musste mal für eine Plakataktion Anzüge tragen, und in den letzten Jahren habe ich oft Comedypreise moderiert, da gab's dann auch Anzüge. Aber beruflich trage ich eher gern enge T-Shirts.
„Revolution“ heißt auch Ihr neues Programm. Wie sieht denn die Revolution des Atze Schröder aus?
Schröder: Es geht um verschiedene Revolutionen. Ich habe versucht, den Zeitgeist einzufangen und eine gewisse Atmosphäre zu schnuppern. Da kam mir immer wieder die Revolution in den Sinn, weil jetzt gerade während der Krise kein Stein auf dem anderen bleibt. Alles schreit nach Veränderung. Und wenn man sieht, dass in Athen und Paris schon die Mülltonnen und Autos gebrannt haben und Berlin wahrscheinlich bald in die Fußstapfen tritt, dann ist das das Thema der Stunde.
Wird Deutschland nicht immer lethargischer?
Schröder: Vielleicht ist das auch die Ruhe vor dem Sturm. Selbst unser Bundespräsident Horst Köhler hat bei seiner Antrittsrede gefordert, dass es eine kleine Revolution geben muss. Speziell dadurch, dass sich das bürgerliche Lager jetzt so gefestigt hat, wird die andere Seite auch ein bisschen schärfer. Allein daher liegt das in der Luft. Alles ist möglich: eine Moderevolution, Revolution des guten Geschmacks, eine weitere sexuelle Revolution? Die Frauen sind ja mittlerweile so emanzipiert, dass sie die besseren Kerle sind.
Was man an Angela Merkel sieht?
Schröder: Genau. Wo man auch guckt, die Frauen nehmen sich, was sie wollen. Beim Thema Moderevolution kommt mir gerade in den Sinn, dass Verona Pooth jetzt Werbung für „kik“ macht. Okay, wer mit Franjo Pooth verheiratet ist, braucht jeden Cent, aber wenn ich mir Veronas Dekolleté in so einem „kik“-Lappen vorstelle? Ich weiß nicht, ob die auch Dirndl herstellen. Aber man sieht auch da wieder die Revolution: Oktoberfest. Zum ersten Mal weiträumig abgeschirmt, quasi die deutsche Botschaft im eigenen Lande, das halte ich auch für revolutionär.
Was würde Atze Schröder verändern, wenn er Bundeskanzler wäre?
Schröder: Wahrscheinlich wäre ich viel zu chaotisch dafür. Aber als Kultusminister könnte ich mir mich schon vorstellen, vielleicht auch als Verkehrsminister. Ich würde natürlich sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen aufheben. Bahnfahren wäre kostenlos, damit alle Leute besser zu meinen Veranstaltungen kommen. Und dann will ich Männlichkeitskurse für Männer einführen.
Wie viele andere Komiker machen Sie sich ausgiebig über das dumme Deutschland lustig.
Schröder: Tja, Deutschland spaltet sich auf in Dick und Doof. Die einen kriegen keinen geraden Satz mehr auf die Reihe, die anderen kaufen sich Karten für kulturelle Veranstaltungen und promovieren. Dazwischen wird's immer dünner und immer dümmer. Subjekt – Prädikat - Objekt ist vielen nicht mehr bekannt.
Sie haben mal von sich gesagt, Sie seien eigentlich Kabarettist. Haben Sie es jemals bereut, sich auf die Figur Atze festgelegt zu haben?
Schröder: Eine Zeit lang habe ich mich das wirklich gefragt. Auf der anderen Seite habe ich auch Spaß daran, wenn ich den Leuten das in einer Comedy-Show, wo keiner damit rechnet, auf eine Art und Weise beibringe, dass sie drüber lachen können und erst auf dem Nachhauseweg denken: von der Aussage gar nicht so schlecht.
Zur Person
Atze Schröder in Würzburg
Atze Schröder ist eine mehrfach ausgezeichnete Bühnenfigur der deutschen Comedyszene. Ihr Erfinder und Darsteller tritt mit ihr seit 1995 auf. Seine bürgerliche Identität versucht der Darsteller verborgen zu halten, gegen die Veröffentlichung seines richtigen Namens ging er schon gerichtlich vor. Nach der fiktiven Biografie wurde Atze Schröder am 27. September 1965 als Thomas Schröder im Essener Stadtteil Kray geboren. Am 11. Dezember (20 Uhr) gastiert Atze Schröder in der Würzburger s.Oliver Arena. Karten: ? (0 18 01) 05 20 52, ? (0 18 05) 60 70 70. Internet: www.argo-konzerte.de